Jesus ist das sichtbar und hörbar gewordene Wort Gottes.
Jesus ist das sichtbar und hörbar gewordene Wort Gottes.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Hochfest der
Geburt des Herrn,
25. Dezember 2010 - Christtag
(Joh 1,1-18)
Weihnachten heißt: Gottes Sohn ist Mensch geworden. Das ist der Sinn dieses Festes. Zwei Schwierigkeiten melden sich hier: hat Gott einen Sohn? Und kann Gott Mensch werden? Auf beide Fragen antwortet das heutige Evangelium, die feierlichen Worte vom Anfang des Johannesevangeliums.
Unsere muslimischen Mitbürger sagen uns Christen oft: Gott kann doch keinen Sohn haben! Er ist doch kein Mensch! Er ist der Einzige. Neben Ihm gibt es keinen. Darauf antworten wir: das stimmt! Auch wir glauben an den Einen Gott. Auch wir glauben, dass es neben Ihm keinen gibt und dass Gott nicht einen Sohn hat wie ein Mensch einen Sohn neben sich hat. Denn Gott ist kein Mensch.
Das Evangelium vom Christtag gibt dafür eine Begründung: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Gott hat nicht einen Sohn „neben sich,“ sondern – wenn ich so sagen darf – in sich. Wie das Wort in mir ist, ehe ich es ausspreche. Wenn ich in meinem Herzen ein Wort spreche oder denke, dann ist es mein Wort, es ist in mir, nicht neben mir. Es ist ein Teil von mir.
Gott ist nie ohne seine Gedanken und ohne seinen Geist. Sie sind bei Ihm, in Ihm. Wir Christen glauben an einen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Nicht an drei Götter, wie der Islam uns vorwirft. Aber wir glauben auch, dass Gott Sein Wort nicht nur für sich behält, sondern es ausspricht. Und dieses Wort ist wirksam. So sagt die Bibel: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde…und Gott sprach: Es werde Licht.“ Heute lesen wir: „Alles ist durch das Wort geschaffen.“
Alle Geschöpfe sind Gedanken Gottes. Sie sind sozusagen Sein Wörterbuch. Wenn wir sie „lesen,“ können, sprechen sie uns von Gott, ihrem Schöpfer. Die Natur ist Sprache Gottes. Die Frage ist nur, ob wir sie verstehen. Wir schneiden nicht nur beim PISA-Test schlecht ab, wir sind oft wie Analphabeten, die Gottes Sprache in der Schöpfung nicht lesen können.
Deshalb hat Gott noch deutlicher zu uns gesprochen: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Gott spricht nicht nur durch die Schöpfung. Er lässt Sein Wort unter uns sichtbar werden. Er sendet Sein Wort, Seinen Sohn, zu uns. Gott spricht zu uns durch Menschenworte. Jesus ist das sichtbar und hörbar gewordene Wort Gottes. Er spricht zu uns durch sein Leben, als Kind Marias, als Freund der Armen und Sünder, als der für uns Gekreuzigte, als der Auferstandene, der bei uns bleibt. An uns liegt es, dieses Wort zu hören und im Herzen anzunehmen. Darum geht’s zu Weihnachten…
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott.
Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.
Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.
Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.
Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war.
Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.
Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.