Oft kommt unsere Verdrossenheit daher, dass wir einfach zu wenig über das Gute nachdenken, das Gott uns ständig schenkt.
Oft kommt unsere Verdrossenheit daher, dass wir einfach zu wenig über das Gute nachdenken, das Gott uns ständig schenkt.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Hochfest der Gottesmutter Maria,
1. Januar 2011 (Lk 2,16-21))
Noch einmal begegnen uns die Hirten! Weihnachten ist schon acht Tage vorbei. Der Silvestertrubel hat die Weihnachtsstille abgelöst. Die Weihnachtsbeleuchtung ist an vielen Orten schon erlöschen. Die Kirche hat es weniger eilig. Sie möchte die Feste nachklingen lassen. Nach den großen Feiertagen, Weihnachten, Ostern, schließt sie deshalb eine „Oktav“ an, eine achttägige Nachfeier. Denn das Fest soll eine „nachhaltige“ Wirkung entfalten. Das heutige Evangelium hilft uns, im eigenen Leben etwas mehr auf diese Nachhaltigkeit zu achten.
Mein Blick fällt zuerst auf Maria, die Mutter des Neugeborenen. Von ihr heißt es, sie habe alles das, was sich da um die Geburt ihres Kindes ereignet hat, „in ihrem Herzen bewahrt“ und habe darüber nachgedacht.
Nachhaltig ist nur, was sozusagen einen Nachhall hat, was nicht gleich vergessen wird. Das gilt leider auch für die schmerzlichen, negativen Erlebnisse. Wir bewahren sie – oft unfreiwillig – lange im Gedächtnis. Das zeigt aber auch, wie wichtig es ist, Erlebtes zu „verarbeiten“. Nicht umsonst sagen wir, dass wir Zeit brauchen, um etwas Schweres „zu verkraften“.
Das gilt aber noch mehr für das Gute, Große in unserem Leben. Es im Herzen zu bewahren, ist der richtige Weg, dass es seine Wirkung zeigen kann. Statt über das Übel zu grübeln, das uns widerfahren ist, sollen wir - wie und mit Maria - bedenken und bedanken, was Gott an uns Großes getan hat. Oft kommt unsere Verdrossenheit daher, dass wir einfach zu wenig über das Gute nachdenken, das Gott uns ständig schenkt.
Dazu hilft ein zweites Element im heutigen Evangelium: Die Hirten erzählen, „was ihnen über dieses Kind gesagt worden ist“. Wie wichtig ist das Erzählen! In unserer Computer-Welt kommen wir kaum mehr dazu, einander zu erzählen. Fernsehen, Internet, Facebook – alles neue Formen der Kommunikation. Alles das hat seine guten Seiten, kann neue Horizonte öffnen. Aber kein „Chatroom“, keine schnellen sms-Botschaften können ersetzen, was das persönliche Erzählen bedeutet. Menschen sehen und hören, die Selbsterlebtes berichten, das kann durch keine Technologie ersetzt werden. Eine Voraussetzung bleibt bestehen: Man muss etwas zu erzählen haben, etwas erlebt haben. Nur dann wird das Zuhören spannend.
Daher die Frage: Habe ich etwas mit Gott, von Gott erlebt? Habe ich etwas zu erzählen, was ich gehört und gesehen habe? Vielleicht habe ich nicht Engel gehört und gesehen, wie die Hirten. Aber Gottes Gegenwart, die Hilfe des Himmels – das haben viele erfahren. Glaubwürdig wird das Erzählte, wenn es Erlebtes betrifft.
Es braucht also beides: Hörende Herzen – wie Maria! Und erzählende Zeugen – wie die Hirten. Wo beides zusammentrifft, da kommt die Freude auf, die die Szene des heutigen Evangeliums erfüllt. Diese Freude wünsche ich uns allen im Neuen Jahr. Sie möge uns auch in schweren Stunden nicht verlassen!
So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war.
Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten.
Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.
Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war.
Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde.