Auch wir sollten unterscheiden: die Sünde ist ein Übel. Der Sünder bleibt ein Mensch. Wenn er sich geliebt angenommen weiß, wird er auch eher von seiner Sünde loskommen.
Auch wir sollten unterscheiden: die Sünde ist ein Übel. Der Sünder bleibt ein Mensch. Wenn er sich geliebt angenommen weiß, wird er auch eher von seiner Sünde loskommen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Fest der Taufe des Herrn,
9. Januar 2011 (Mt 3,13-17)
Einen trifft es immer. Nicht immer trifft es den Schuldigen. Wenn etwas schiefläuft suchen wir den schuldigen. Und wenn er nicht gleich zu finden ist, wird gerne irgendwer beschuldigt, meist einer, der sich nicht wehren kann. So läuft es nur all zu oft. Es wird ein Sündenbock gesucht, dem dann alle Schuld aufgebürdet werden kann.
Manchmal ist es auch anders. Da haben mehrere gemeinsam etwas „verbockt.“ Es ist eine schwierige, ausweglose Situation entstanden. Da kann es vorkommen, dass einer den Mut hat, den Kopf hinzuhalten, für die Fehler der anderen einzustehen und bereit zu sein, einen Ausweg zu suchen, auch auf eigene Kosten, einfach um den anderen zu helfen, trotz der Fehler, die sie gemacht haben.
Einer hat das für uns alle gemacht. Einer hat für uns den Kopf hingehalten, bereit zu helfen, auch wenn es ihn Kopf und Kragen kostet. Von ihm ist heute im Evangelium die Rede: von Jesus, der aus Nazareth zum Jordan herunter kommt, um sich von Johannes taufen zu lassen.
Was hat Jesus bewogen, sich unter die Menschenmenge einzureihen, die von überall her gekommen sind, um die Bußtaufe von Johannes zu empfangen? Johannes ein Verwandter Jesu, begreift nicht, was Jesus unter diesen Leuten zu suchen hat: lauter Sünder, Soldaten, sogar Prostituierte. „Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“
Auch wenn du es nicht verstehst, es muss sein! Jesus drängt ihn: so ist Gottes Wille. So fordert es Gottes Gerechtigkeit! Was ist das für eine Gerechtigkeit? Soll Jesus sich selber schlecht machen? Zum Sünder unter Sündern? Ist es gerecht, dass ein gerechter, ein guter und gerader Mensch sich einfach unter die einreiht, die viel Dreck am Stecken haben, mit denen kein anständiger Mensch etwas zu tun haben will?
Johannes gibt dem Drängen Jesu nach. Jesus hält den Kopf hin und lässt sich taufen. Kaum ist die Taufe fertig, da ist eine Stimme von oben zu hören: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.“ Gott scheint das so gewollt zu haben, genau so: Sein Sohn, der Heilige und Gerechte, mitten unter den Sündern! Da ist sein Platz! Dorthin hat Gott ihn gesandt. Nicht weil Jesus ein Sünder ist, sondern weil Gott die Sünder liebt.
Was sagt uns Jesu Taufe im Jordan? Sie sagt uns viel über Jesus und seinen Auftrag. „ich bin nicht gekommen, die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder,“ sagt er selber später. „Die Kranken brauchen den Arzt, nicht die Gesunden.“ Jesus heißt nicht unsere Sünden gut, aber er liebt uns, die wir Sünder sind.
Auch wir sollten unterscheiden: die Sünde ist ein Übel. Der Sünder bleibt ein Mensch. Wenn er sich geliebt angenommen weiß, wird er auch eher von seiner Sünde loskommen.
Jesus war sich nicht zu gut, für uns den Kopf hinzuhalten. Dazu hat er sich taufen lassen. Statt einander die Schuld zuzuschieben sollten auch wir füreinander den Kopf hinhalten. Dann wird Gott auch zu uns sagen: du bist mein geliebtes Kind!
Zu dieser Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?
Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit (die Gott fordert) ganz erfüllen. Da gab Johannes nach.
Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen.
Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.