Wenn die Hostie durch die Straßen getragen wird, mit Blumen, Weihrauch, Fahnen, dann ist es nicht einfach ein Stück Brot, sondern Jesus selber, der Gott, der uns ganz nahe kommt.
Wenn die Hostie durch die Straßen getragen wird, mit Blumen, Weihrauch, Fahnen, dann ist es nicht einfach ein Stück Brot, sondern Jesus selber, der Gott, der uns ganz nahe kommt.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Hochfest des Leibes und Blutes Christi (Fronleichnam) 23. Juni 2011, (Joh 6,51-58)
„Ich glaube an eine höhere Macht, die uns lenkt und leitet.“ So in etwa antworten viele auf die Frage, ob sie an Gott glauben. Manchmal heißt die Antwort einfach: Irgendetwas gibt es sicher! Wie ist dieses „Etwas“ vorzustellen? Wie es denken? Eine Art Energie? Eine Kraft? Ein Schicksal? Wenn dem so wäre – eine „höhere Macht“ kann ich nicht ansprechen. Mit „etwas“ kann ich nicht reden, nur mit „jemandem“. Eine Energie kümmert sich nicht um mich. Nur „jemand“ kann an mir Interesse haben.
Dieser „Jemand“ spricht im Evangelium. Er hat einen Namen, ein Gesicht, hat Fleisch und Blut. Er heißt Jesus, und er behauptet von sich, er sei mehr als eine Kraft, Macht oder Energie. Er sagt von sich: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.“ Und er verspricht, dass wir ihn essen können. Wirklich ihn selber! „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt.“
Spätestens hier wird verständlich, dass diese Worte Kopfschütteln und Ablehnung ausgelöst haben: „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ Damals, als Jesus das sagte, verließen ihn viele, die anfangs von Ihm begeistert waren. Warum wohl? Vielleicht war es ihnen unheimlich, dass Gott ihnen so nahe kommen wollte. Ein Gott, der eine anonyme Kraft, eine Art Energie ist, der bleibt schön fern, den kann man leicht „den lieben Gott sein lassen.“
Ein Gott, der auf die Erde kommt, der „vom Himmel herabgekommen ist“, der ist unausweichlich nahe, nicht in anonymer Ferne. Wenn dieser Gott dann auch noch zu Brot wird, sich zu essen gibt, dann ist das eine unglaubliche direkte Art, mit uns Menschen in Verbindung zu treten. Und das will dieser Gott offensichtlich. Er will uns direkt sein Leben einflössen. Wir sollen mit ihm verbunden werden, wie unser Essen und Trinken sich mit unserem Leib verbindet: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben“ in sich.
Ist das eine Art uralter Magie, wie sie die Menschen der Vorzeit lebten? Unsere Urahnen glaubten, dass sie durch die Nahrung das Leben des Tieres in sich aufnahmen. „Menschenfresser“ dürften ähnliche Vorstellungen gehabt haben: die Energie des anderen in sich aufnehmen.
Tatsächlich lebt etwas von dieser mystischen, urzeitlichen Vorstellung im christlichen Glauben weiter, freilich in ganz geläuterter Form. Jesus sagt es ganz direkt: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich in ihm.“ Und: „Jeder, der mich isst, wird durch mich leben.“
Das glaube ich von ganzem Herzen: Jesus wird wirklich meine Seele in der Kommunion, im Brot, das Sein Leib geworden ist, im Wein, der Sein Blut geworden ist. Das feiern wir zu Fronleichnam, am Fest des Leibes des Herrn. Wenn die Hostie durch die Straßen getragen wird, mit Blumen, Weihrauch, Fahnen, dann ist es nicht einfach ein Stück Brot, sondern Jesus selber, der Gott, der uns ganz nahe kommt.
Kann das ein vernünftiger Mensch heute noch glauben? Ich glaube es, und ich denke, ich bin nicht ganz unvernünftig. Und Kraft und Energie gibt es mir auch, dieses Brot, das Gott ist!
In jener Zeit sprach Jesus zu der Menge: Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt.
Da stritten sich die Juden und sagten: Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?
Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag.
Denn mein Fleisch ist wirklich Speise, und mein Blut ist wirklich Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm.
Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben.
Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Mit ihm ist es nicht wie mit dem Brot, das die Väter gegessen haben; sie sind gestorben. Wer aber dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.