Was also ist es, dass an einem Menschen dauerhaft überzeugt?
Was also ist es, dass an einem Menschen dauerhaft überzeugt?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium für das Hochfest Allerheiligen,
1. November 2011, (Mt 5,1-12a)
„Rankings“ sind heute besonders beliebt: die Suche nach den beliebtesten Politiker zum Beispiel: Welcher führt in der „Rangliste“ an, welcher kommt als Schlusslicht, ist am unbeliebtesten? Ich frage mich oft, wie diese „Rankings“ Zustande kommen. Sie haben meist etwas sehr Oberflächliches. Ich kann ihnen aber auch etwas Gutes abgewinnen: sie zeigen, dass wir Ausschau halten nach überzeugenden Menschen, nach Vorbildern.
Was macht eine „Überzeugende Persönlichkeit“ aus? Sicher nicht, wie oft sie in den „Seitenblicken“ und in den „Klatschspalten“ vorkommt. Sicher auch nicht, wie viel jemand verdient, wie hoch die „boni“ sind, die er dazu bekommt. Auch nicht die Schönheit, die Macht, der Erfolg … Was also ist es, dass an einem Menschen dauerhaft überzeugt?
Heute geht es um „die Heiligen“, um alle Heiligen. So lautet der Name des Festes, dass uns (den meisten von uns) einen freien Tag beschert hat. Wie kommt man in diese „Liga“? Wie in diese Klasse, diese Kategorie? Was macht einen Menschen zu einem Heiligen? Und gibt es da „Rangheiten“? Sozusagen „Topheilige“?
Ich glaube, es gibt im „Ranking“ der überzeugenden Menschen zwei Stufen. Die erste Stufe bilden die Menschen, die ich einfach „die Anständigen“ nennen würde. Es sind die, die sich redlich bemühen, nach den Zehn Geboten Gottes zu leben, also nicht zu stehlen, nicht zu lügen, nicht ehebrecherisch zu sein, nicht zu töten, die Eltern zu achten und zu ehren und Gott nicht an den letzten Platz im Leben zu stellen. Wenn einem das im Alltag gelingt, ist schon sehr viel gewonnen. Unsere Zeit braucht dringend möglichst viele Menschen, die diese Grundvoraussetzung eines „anständigen Lebens“ erfüllen.
Aber es gibt noch eine zweite Stufe, und um die geht es heute, wenn die Kirche „Aller Heiligen“ gedenkt. Wer sind sie, die Heiligen? Eine Sonderklasse? Sozusagen die „Spitzensportler“ in den Tugenden? Eine Elite, in die „gewöhnliche Sterbliche“ nie den Sprung schaffen?
Das heutige Evangelium, die sogenannte „Seligpreisung“ Jesu, die er auf einem „Berg“, einer Anhöhe beim See Genezareth verkündet hat, sie bilden die „Charter“ der Heiligkeit, den Wegweiser dorthin. An erster Stelle steht da: „Selig, die arm sind vor Gott!“ Heilige sind Menschen, die wissen, wie wenig sie von sich aus sind und können, und die deshalb ganz auf Gott vertrauen. Weiters nennt Jesus die Friedfertigen selig, die Barmherzigen, die mit aller Kraft sich für die Gerechtigkeit einsetzen. Heilige sind Menschen, die mehr tun als das moralische Minimum. Es sind die, die lieber ein Unrecht ertragen als es zu tun. Es sind Menschen, die nicht nur nicht lügen und betrügen, sondern ein reines, ein gerades und gutes Herz haben.
Zu diesen gehören nicht nur die großen, ganz bekannten Heiligen wie Franz von Assisi, Antonius oder Mutter Teresa. Es sind die vielen „einfachen“ Heiligen des Alltages, von denen kaum einmal etwas in der Zeitung steht, die aber die echten Vorbilder sind. Sie haben heute ihr Fest. Ihnen sind wir dankbar.
Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie.
Er sagte:
Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.