Niemand unterstellte ihm, dass er eigene, persönliche Interessen vertrat. Sein Leben war überzeugend
Niemand unterstellte ihm, dass er eigene, persönliche Interessen vertrat. Sein Leben war überzeugend
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 2. Adventsonntag,
4. Dezember 2011 (Mk 1,1-8)
Der „Rufer in der Wüste“ ist sprichwörtlich geworden. Gemeint ist damit jemand, der vergeblich warnt, dessen Stimme einsam bleibt und meist ungehört verhallt. Man will seine besorgten, drängenden Worte nicht hören. Die Optimisten haben das Sagen. Sie versprechen, dass alles gut geht, kein Grund zur Sorge besteht. Auf sie hört man lieber als auf den ernsten Mahner. Sie sind populär, er nicht. Sie schmeicheln unseren Wünschen, er sagt die unangenehmen Wahrheiten an. So war es schon damals, so ist es bis heute.
„Eine Stimme ruft in der Wüste“. Mit dieser Stimme beginnt das Markus-Evangelium, das uns durch das ganze neue Kirchenjahr begleiten wird, vom ersten Adventsonntag an bis zum Christkönigsfest im kommenden November. Der Heilige Markus hat das kürzeste der vier Evangelien verfasst. Ich liebe es besonders, wegen seiner knappen, zupackenden Art. Es geht immer direkt zum Kern, ohne viele Worte, aber umso mehr an den Taten Jesu interessiert.
Wie der erste Vers des ganzen Evangeliums sagt, geht es Markus darum, den „Anfang des Evangeliums“ nachzuzeichnen, wie alles begann, von wo aus das Evangelium seinen Lauf um die Welt begann. Denn als Markus sein Evangelium niederschrieb, etwa 30 bis 40 Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung, da hatte sich die „Frohbotschaft von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“, bereits über große Teile der damals bekannten Welt verbreitet.
Wie also fing es an? Mit einem „Rufer in der Wüste“, mit Johannes, dem Täufer, dem Mann, der sich in die harte Einsamkeit der Wüste zurückgezogen hatte, dort ein strenges Leben der freiwilligen Armut und Askese lebte. Dieser wild Gekleidete, sich wild Ernährende, ruft die Menschen zum „Umdenken“, zur Umkehr auf.
Und nun das Erstaunliche: Er wird gehört! Seine Stimme verhallt nicht in der Leere der Wüste. Die Menschen strömen bei ihm zusammen von überall her. Seine Worte haben sie erreicht, seine Warnungen sie erschüttert. Sie waren bereit, ihre Fehler zuzugeben, ihre Sünden zu beichten, sie ihm zu bekennen uns sich von ihm im Jordan untertauchen zu lassen, als Zeichen dafür, dass sie ihr Leben ändern wollen.
Ich frage mich: Warum wurde dieser „Rufer in der Wüste“ damals gehört, während heute solche Stimmen entweder belächelt oder einfach überhört werden? An warnenden Rufern in der Wüste unserer Tage hat es ja nicht gefehlt. Seit 1970, als das große Schulden machen begann, da gab es durchaus diese „einsamen Rufer“, die daran erinnerten, dass wir nicht mehr ausgeben können als was wir haben. Auf die Klimakatastrophe wurde schon früh hingewiesen…
Ich glaube, Johannes der Täufer wurde damals aus zwei Gründen von so vielen gehört. Zuerst: er war glaubwürdig. Niemand unterstellte ihm, dass er eigene, persönliche Interessen vertrat. Sein Leben war überzeugend, und dadurch war sein Wort durch sein Leben „gedeckt“. Aber auch die Menschen von damals waren wohl bereit, sich auf die Stimme aus der Wüste einzulassen. Sie müssen gespürt haben: so geht es nicht weiter! Und sie begriffen: wenn sich etwas ändern soll, dann müssen wir alle bei uns selber anfangen. Sie schlugen nicht an die Brust der anderen, wie wir das heute so gerne tun, sondern an die eigene; sie bekannten und bereuten ihre Fehler. Und so konnte damals Neues beginnen. Warum nicht auf heute?
Es begann, wie es bei dem Propheten Jesaja steht: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen. Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!
So trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündigte Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden. Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen. Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften, und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig.
Er verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren. Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.