Es gibt so etwas wie ein böses Erbe. Es sitzt nicht in unseren Genen, sondern in unseren Herzen.
Es gibt so etwas wie ein böses Erbe. Es sitzt nicht in unseren Genen, sondern in unseren Herzen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zur Lesung zum Hochfest der
ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter,
8. Dezember 2011 (Gen 3,9-15.20)
Woher kommt das Böse in der Welt? Das heutige Fest hat mit dieser Urfrage der Menschen zu tun, und auch mit der Antwort darauf. Wie und warum? „Bei den Tieren ist die Welt irgendwie in Ordnung“, so schreibt der Psychiater Albert Görres: „ Durch ihre Instinkte und Antriebe sind sie in eine bestimmte Umwelt eingeordnet“. Sie wissen, was sie zu tun haben, aber sie sind dafür nicht verantwortlich. Ein Hund, der zubeißt, kommt nicht ins Gefängnis. Aber sein Herrerl muss für ihn Strafe zahlen.
Warum ist das in der Menschenwelt so anders? Derselbe Albert Görres schreibt: “Das durchschnittliche Sinnen und Trachten der Menschen ist oft weder vernünftig noch gut. Große und kleine Gemeinheiten, ungeheuerliche Verbrechen sind verbreitet. Güte, Großmut, Anstand, Hilfsbereitschaft weniger. Die Neigung, rücksichtslos den eigenen Vorteil zu suchen, den Versuchungen eher nachzugeben als dem Gewissen, zeichnet die Geschichte“. Aber, so fügt Görres hinzu; „das alles scheint nicht notwendig. Wir müssen nicht hassen, nicht betrügen, nicht ausbeuten.“
Woher kommt diese Neigung zum Bösen, die wir schon bei Kindern feststellen? Woher dieser lebenslange Kampf, der Neigung zum Bösen zu Widerstehen, oft ohne gelingen? Die Bibel hat darauf eine Antwort, die mir auch die einzig vernünftige zu sein scheint: Es gab so etwas wie eine „sittliche Urkatastrophe“, den „Sündenfall“, an dessen Folgen die Menschheit bis heute leidet. Heißt das: ich muss wörtlich an Adam und Eva glauben? Was wissen wir über den Ursprung des Menschen? Immer neue Entdeckungen über die menschliche Urzeit, über die Evolution des Lebens bis hin zu uns: wo soll da Platz sein für eine biblische Geschichte von Paradies und vom Sündenfall?
Eines ist sicher: es gibt das Böse heute. Und es gab das Böse soweit wir in der Geschichte zurückblicken können. Das meint die Geschichte von Kain, der seinen Bruder Abel erschlug. Und die Geschichte von Adam und Eva, die vom verbotenen Baum aßen, verführt von der Schlange. Diese Geschichte, die auf der ersten Seite der Bibel steht, sagt nüchtern: all das Böse hat seinen Ursprung in bösen Taten, die weiterwirken. Es gibt so etwas wie ein böses Erbe. Es sitzt nicht in unseren Genen, sondern in unseren Herzen. Seit den Anfängen des Menschen, biblisch „seit Adam und Eva“, neigt das Herz des Menschen zum Bösen. Ein Leben lang haben wir alle den Auftrag, gegen die „Erbsünde“ in uns zu kämpfen.
Eine allein blieb davon frei. Das ist der Sinn des heutigen Festes. Maria wurde „ohne den Makel der Erbsünde“ empfangen. Missverständlich heißt es, sie sei die „unbefleckt“ Empfangene. Ihre Eltern Joachim und Anna haben sie ganz natürlich gezeugt und empfangen. Aber Gott hat sie von dem Erbe der Schuld bewahrt, damit sie ganz frei sei von aller Neigung zum Bösen.
Das sagt uns vor allem zwei hoffnungsvolle Botschaften: Zuerst dass die Neigung zum Bösen, die wir alle im Herzen tragen, nicht einfach „naturgegeben“ ist. Sie kann auch besiegt werden. Der böse Trieb des Menschen ist nicht allmächtig. Dann aber: wir haben ein Leben lang mit dem Bösen und seinen Folgen zu kämpfen. Aber wir sind nicht allein. Maria, die von Erbschuld Freie, kann uns helfen, und sie tut es. Dank dieser Hilfe wird das Gute letztlich immer stärker bleiben .Dafür Dank an Maria!
Nachdem Adam von Baum gegessen hatte, rief Gott, der Herr, ihm zu und sprach: Wo bist du? Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.
Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe?
Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen. Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan?
Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt, und so habe ich gegessen.
Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse.
Adam nannte seine Frau Eva - Leben -, denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.