Aber Sternstunden der Gnade gibt es auch in unserem Leben.
Aber Sternstunden der Gnade gibt es auch in unserem Leben.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 4. Adventsonntag,
18. Dezember 2011 (Lk 1,26-38)
Nun ist es nur mehr eine Woche bis Weihnachten. Von Stille und Besinnung ist wenig zu spüren. War die Vorweihnachtszeit auch früher schon so unruhig? Ich stieß dieser Tag auf eine Adventsbetrachtung aus dem Jahr 1958. Ihr Verfasser war ein ganz junger Theologieprofessor, damals 31 Jahre alt, Joseph Ratzinger mit Namen, heute Papst Benedikt XVI.
Er schrieb über das heutige Evangelium von der Ankündigung des Engels an Maria, es sei dies eine „Sternstunde der Weltgeschichte“ gewesen, wirklich „Advent“, was ja „Ankunft“ bedeutet: Hier sei Ankunft Gottes unter uns Menschen geschehen. Doch dieses Kommen Gottes sei ganz anders gewesen als wir heute den Advent erleben:
„Diese Sternstunde der Weltgeschichte war zugleich eine ihrer stillsten Stunden... Das wahrhaft Große wächst unbemerkt, und Stille zur rechten Zeit ist fruchtbarer als ununterbrochene Werkerei… Wir sind ja alle in dieser Zeit… von einer eigenartigen Unrast besessen, die in jeder Stille einen Zeitverlust, in jedem Ruhigsein ein Versäumnis wittert… Wir vergessen darüber das eigentliche Geheimnis der Zeit, das eigentliche Geheimnis des Wachsen und Wirkens: die Stille“.
Ich versuche mich zu erinnern: war damals, 1958, wirklich auch schon alles so hektisch wie heute? Es war sicher alles viel bescheidener: weniger Autos, weniger Geschenke, kein Handy, kein Computer, kaum ein Fernseher. Aber eines war schon damals schwierig wie heute: zur inneren Stille zu finden! Ohne die Stille, ohne Sammlung und Ruhe gibt es kaum die Chance einer wirklichen Gottesbegegnung.
Was das Evangelium beschreibt, wo von es spricht, das ist und bleibt etwas Einmaliges: Gottes Ankunft in der Menschenwelt. Das geschah nur einmal, ein für allemal: Die Stunde, in der Maria ihr Jawort gab und Mutter des Erlöser wurde. Das war wirklich eine „Sternstunde“ der Menschheitsgeschichte, da Gott Mensch wurde, da Gottes Sohn ein Menschenkind zu sein begann.
Aber Sternstunden der Gnade gibt es auch in unserem Leben. Was damals Maria geschah, ist auch heute möglich. Gegenlicht sogar im hektischen Advent. Aber es braucht dazu Stille und Besinnung. Es sind das die Momente, wo Gott mich anspricht, im Herzen, im Inneren, und mir sagt: Freue dich, du bist mir wertvoll, ich will dir Gutes, ich bin mit dir!
Dann mag es uns ein wenig gehen wie Maria, die etwas zögernd fragt: Wie soll das geschehen? Denn meist denken wir: Kann Gott mich wirklich mögen? Habe ich bei ihm Wert und Ansehen? Gottes Zusage ist dann: Ich gebe dir meine Kraft, meinen heiligen Geist! Hab Vertrauen! Glaube mir! Maria hat vertraut, sie hat im Glauben Ja gesagt, in aller Stille. Das ist der wahre Advent. Er steht uns allen offen.
Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte.
Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.
Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.
Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben.
Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?
Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat.
Denn für Gott ist nichts unmöglich. Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.