Es ist die Macht Seiner Liebe, die stärker ist als aller Hass, stärker selbst als der Tod.
Es ist die Macht Seiner Liebe, die stärker ist als aller Hass, stärker selbst als der Tod.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 4. Sonntag im Jahreskreis,
29. Jänner 2012 (Mk 1,21-28)
Am Flughafen in Köln. Ich habe es eilig. Sicherheitskontrolle. Vier Personen tun Dienst. Sie sehen, dass ich Priester bin und reden mich direkt an: Gibt es den Teufel? Gibt es den Exorzismus? Überrascht bleibe ich stehen, lasse mir Zeit. Warum interessiert Sie dieses Thema, frage ich. Sie haben einen Film über Exorzismus gesehen! Gibt es das wirklich? Das Flugzeug wartet nicht! - sage ich und versuche eine kurze, klare Antwort zu geben: Ja, es gibt den Teufel. Ja es gibt den Exorzismus. Aber bitte keine Sensationsgier, keine ungesunde Neugierde! Und wissen Sie, sage ich zum Abschied, im Weitergehen, nichts wirkt besser gegen die Macht des Bösen als die einfache, unspektakuläre Nächstenliebe. Und eile zu meinem Flugsteig…
Jesus hat von Anfang an mit bösen Mächten zu tun gehabt. Das ist so gut und vielfach bezeugt, dass es als historisch glaubwürdig gelten kann. Im heutigen Evangelium begegnet uns ein Besessener. Die Beschreibung erinnert an Szenen aus dem Exorzismus-Film: Der Mann beginnt zu schreien. Oder ist es „der unreine Geist“, der sich durch diesen Mann äußert? „Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazareth?“ Es sind mehrere, viele, die sich da äußern: „Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen?“ Sie fühlen sich bedroht. Jesus ist für sie gefährlich. Ohne viele Gesten, ohne großes Spektakel befiehlt Jesus „dem unreinen Geist“: „Schweig und verlass ihn!“ Spektakulär ist die Wirkung dieses einfachen Wortes: „Der unreine Geist zerrte den Mann hin und her und verließ ihn mit lautem Geschrei.“
Ist das nicht alles reichlich übertrieben, überzeichnet? Handelt es sich hier nicht einfach um einen epileptischen Anfall, den man zur Zeit Jesu als dämonische Besessenheit gedeutet hat, aus medizinischer Unwissenheit? Hat neben unseren heutigen medizinischen und psychologischen Kenntnissen überhaupt ein Dämonen glauben noch sinnvoll Platz?
Zum 1.Jänner dieses Jahres habe ich an dieser Stelle das wunderbare Gedicht von Dietrich Bonhoeffer zitiert, das er aus dem Nazigefängnis zum Neujahr 1945 geschrieben hat: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag…“ Sein Glaube an Jesus Christus und an seine „Guten Mächte“ gab ihm diese Zuversicht, obwohl er von bösen Mächten umgeben und bedroht war. Während Bonhoeffer diese trostvollen Zeilen schrieb („Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss am jedem neuen Tag“) tobten rund um ihn die dämonischen Mächte des Hasses, der blind wütenden Zerstörung, des Menschenmordens.
Die Szene im heutigen Evangelium ist vor allem eine frohe Botschaft: Jesus ist „der Heilige Gottes“, der wirklich gekommen ist, den bösen Mächten die Macht zu nehmen, die Menschen aus den Fängen des Bösen zu befreien. Dazu hat Jesus „göttliche Vollmacht“. Es ist die Macht Seiner Liebe, die stärker ist als aller Hass, stärker selbst als der Tod. Manchmal hat Jesus diese Macht eingesetzt, um einen Menschen den Klauen des Bösen zu entreißen. Manchmal trieb er Dämonen direkt aus. Und das geschieht auch heute noch, in schweren Fällen.
In Kafarnaum ging Jesus am Sabbat in die Synagoge und lehrte. Und die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.
In ihrer Synagoge saß ein Mann, der von einem unreinen Geist besessen war. Der begann zu schreien: Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes.
Da befahl ihm Jesus: Schweig und verlass ihn! Der unreine Geist zerrte den Mann hin und her und verließ ihn mit lautem Geschrei.
Da erschraken alle, und einer fragte den andern: Was hat das zu bedeuten? Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet. Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl. Und sein Ruf verbreitete sich rasch im ganzen Gebiet von Galiläa.