Sein Leben stimmt völlig mit seinen Worten überein.
Sein Leben stimmt völlig mit seinen Worten überein.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Karfreitag,
Feier vom Leiden und Sterben Christi,
6. April 2012, (Joh 19,17-30)
„Jesus trug sein Kreuz“ bis zur Richtstätte, die auf hebräisch Golgota heißt. „Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere“. Ganz sachlich wird das berichtet, wie eine nüchterne Tatsachenschilderung. Keine Gefühle kommen zur Sprache. Keine genauen Beschreibungen, wie das im Einzelnen aussah. Jeder wusste das damals. Man brauchte das niemandem zu erklären, wie grauenhaft das Ganze war, wie qualvoll und unmenschlich.
So viele Todesurteile gab es damals, so häufig war die Todesstrafe, die heute Gott sei Dank in vielen Ländern abgeschafft ist. Unter allen Arten der Todesstrafe war die Kreuzigung die grausamste. Jesus war einer unter vielen Zigtausenden, die im römischen Reich am Kreuz starben: Sklaven, Rebellen, Revolutionäre, Verbrecher. Wie einer von ihnen starb da auch „der König der Juden“.
Wollte Pilatus, der römische Statthalter und damit der mächtigste Mann vor Ort, sich mit dieser Inschrift über die Juden lustig machen? Sie ärgern? Oder Jesus als Spinner und Träumer hinstellen? Wir wissen es nicht. Aber wir dürfen annehmen, dass unter den vielen Todesurteilen, die Pilatus gefällt hat, dieses eine ihm nicht so schnell aus dem Sinn kam. Die Legende sagt, dieses ungerechte Urteil habe ihn sein Leben lang verfolgt. Denn der Mann aus Galiläa, der da vor ihm gestanden hatte, war so anders gewesen. Das Gespräch mit ihm konnte er nie mehr vergessen. Seinen Blick, seine Worte. Pilatus hatte ihn gefragt: „Bist du der König der Juden?“ Wohl halb spöttisch, halb ernst. Jesus hatte ihm rätselhaft geantwortet: „Ja, ich bin ein König“. Aber „mein Königtum ist nicht von dieser Welt“. Und als er Pilatus sein Königtum beschreibt, ist dieser ratlos und doch nachdenklich. Jesus sagt ihm: „Dazu bin ich geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege“. Darauf die berühmte Gegenfrage des Pilatus: „Was ist Wahrheit?“
Ja, was ist Wahrheit? Gibt es die Wahrheit? Kann jemand sagen, er kenne die Wahrheit, er habe sie? Die zweifelnde Frage des Pilatus geht bis heute weiter. Die Antwort Jesu ist er selber. Er hatte selber von sich gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Völlig anmaßend? Totale Selbstüberschätzung? Welcher Mensch kann solches von sich sagen?
Eines spricht dafür, dass Jesus hier schlicht die Wahrheit sagt: in seinem Leben gibt es zwischen Reden und Tun keinen Bruch. Sein Leben stimmt völlig mit seinen Worten überein. Das zeigt er, indem er ganz klar auf sein Ziel zugeht: Sein Leben freiwillig hinzugeben als Sühne, als „Lösegeld“. So hat er seinen Auftrag verstanden. Dieser Aufgabe ist er treu geblieben bis in den Tod.
Im Hebräischen hat das Wort Wahrheit auch die Bedeutung von Treue. Ein wahrhaftiger Mensch ist auch ein treuer Mensch. Untreue und Verlogenheit sind meist Geschwister. Wenn Jesus von sich sagt, er sei „die Wahrheit“, dann heißt das auch, er ist die Treue in Person. Und diese Treue zum Auftrag seines Gottes und Vaters hat er bis zuletzt ganz gelebt. Und dieser Auftrag lautete: Uns Menschen bis zum Letzten zu lieben, auch wenn wir es nicht verdient haben. Das meinen wir, wenn wir heute bekennen, dass Jesus am Kreuz aus Liebe für alle Menschen gestorben ist.
Er trug sein Kreuz und ging hinaus zur so genannten Schädelhöhe, die auf hebräisch Golgota heißt. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere, auf jeder Seite einen, in der Mitte Jesus. Pilatus ließ auch ein Schild anfertigen und oben am Kreuz befestigen; die Inschrift lautete: Jesus von Nazaret, der König der Juden. Dieses Schild lasen viele Juden, weil der Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde, nahe bei der Stadt lag.
Die Inschrift war hebräisch, lateinisch und griechisch abgefasst. Die Hohenpriester der Juden sagten zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.
Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus.
Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.
Danach, als Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er, damit sich die Schrift erfüllte: Mich dürstet. Ein Gefäß mit Essig stand da. Sie steckten einen Schwamm mit Essig auf einen Ysopzweig und hielten ihn an seinen Mund.
Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf.