Wir alle sind eine Art Ackerboden, in die Gott seinen Samen gesät hat.
Wir alle sind eine Art Ackerboden, in die Gott seinen Samen gesät hat.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 11. Sonntag im Jahreskreis,
17.Juni 2012 (Mk 4,26-34)
In manchen Gegenden unseres Landes sind heuer die Saaten ganz armselig dran. Durch lange Trockenheit und Frost ist oft das Getreide kümmerlich, die Kartoffeln kommen nicht, Mais und Sonnenblumen ebenso – ein trauriger Anblick! Große Ernteausfälle werden vorausgesagt. Wie wir doch alle vom Wetter abhängen! Bei uns sind wir gewohnt: es gibt trotzdem genug zu essen! Man kauft es einfach im Supermarkt. Hungersnot kennen wir heute nur aus den Medien, aus anderen Teilen der Welt! Und doch: wie wenig selbstverständlich ist es, dass wir genug zu essen haben.
Hier setzt das Gleichnis Jesu an: Der Landwirt sät den Samen auf seinen Acker. Das ist es dann schon. Mehr kann er nicht tun als hoffen, dass das Wetter passt, die Saat wächst, und die Erde die Frucht hervorbringt. Wenn der Regen ausbleibt, kann er nichts dagegen tun; und wenn der Frost die Blüte erwischt, wird es kein Obst geben. Ob der Mann schläft oder wacht: die Saat wächst von selber – oder sie verkommt. Und wenn sie wächst, so ist es nicht seine Leistung: „die Erde bringt von selbst ihre Frucht“. „Automatisch“, heißt es im Urtext: aus sich heraus, aus eigener Kraft.
Erst wenn die Frucht reif ist, kann der Landwirt wieder tätig werden und die Ernte einbringen.
So sei es mit dem Reich Gottes, sagt Jesus. Was will er mit dem Gleichnis sagen? Es geht um das Wachsen des Reiches Gottes. Was ist das Reich Gottes? Die Kirche? Ja und nein! Das Reich Gottes ist das Werk Gottes, sein Wirken in der Welt, im Leben der Menschen, in meiner eigenen Geschichte. Gott wirkt durch die Kirche, aber nicht nur durch sie. Er ist in jedem Menschenleben am Werk. Wir alle sind eine Art Ackerboden, in die Gott seinen Samen gesät hat. Und dieser wächst, ob wir daran denken oder nicht, ob wir wach sind oder schlafen, bewusst auf Gottes Zeichen in unserem Leben achten oder zerstreut daran vorbeigehen. Der göttliche Landwirt, Jesus Christus, hat den Samen seines Wortes ausgesät, hat die Saat der Gnade durch die Taufe in das Menschenherz gesenkt. Und nun wächst die Saat, von selbst.
Will Jesus damit sagen: Du brauchst dich um Gott nicht kümmern? Du kannst ruhig in den Tag hineinleben, Gott lässt seine Saat in deinem Leben so oder so wachsen, ob du fromm bist oder gleichgültig, eifrig oder lau? Ich glaube nicht, dass es Jesus egal ist, was wir tun oder verabsäumen. Ich verstehe sein Gleichnis eher als eine große Ermutigung, Vertrauen und Geduld zu haben.
Wie oft werden Eltern ungeduldig mit ihren Kindern. Sie haben sich bemüht, den guten Samen der Erziehung, des Glaubens ausgesät. Und jetzt müssen sie Geduld haben. Gott lässt wachsen, was sie gesät haben. Jetzt gilt es, auf Gott zu vertrauen: Er macht es schon!
Mich tröstet dieses Gleichnis Jesu sehr. Viele von uns Priestern, Bischöfe, engagierten Laien, haben den Eindruck, dass wir uns vergeblich mühen. Man sieht kaum Erfolg. Da sagt uns Jesus: habt Geduld und Vertrauen! Die Saat wächst ohne euer Bemühen nur durch meine göttliche Kraft. Das zweite Gleichnis verstärkt das noch: Das Reich Gottes scheint manchmal so winzig klein wie ein Senfkorn. Aber wie groß wird der Senfstauch, wenn er ausgewachsen ist! Gott ist am Werk! Vertraut nur!
In jener Zeit sprach Jesus zu der Menge: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät; dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst, und der Mann weiß nicht, wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da.
Er sagte: Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen, mit welchem Gleichnis sollen wir es beschreiben? Es gleicht einem Senfkorn. Dieses ist das kleinste von allen Samenkörnern, die man in die Erde sät. Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse und treibt große Zweige, so dass in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können.
Durch viele solche Gleichnisse verkündete er ihnen das Wort, so wie sie es aufnehmen konnten. Er redete nur in Gleichnissen zu ihnen; seinen Jüngern aber erklärte er alles, wenn er mit ihnen allein war.