Wenn viele ihre kleine Hilfe geben, wird es möglich, vielen zu helfen.
Wenn viele ihre kleine Hilfe geben, wird es möglich, vielen zu helfen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 17. Sonntag im Jahreskreis,
29. Juli 2012 (Joh 6,1-15)
Diese Frage stellt sich heute oft. Sie stellte sich damals dem Andreas, dem Bruder des Petrus, als er die riesige Menschenmenge sah, die hungrig war. „Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?“ – so fragt Jesus den Philippus, einen der Apostel, der vielleicht der Ökonom, der Wirtschaftsverantwortliche, der Gruppe um Jesus war.
Seine Gegenfrage an Jesus ist die typische Frage eines guten Wirtschaftlers: Woher sollen wir das Geld nehmen? Selbst wenn wir für zweihundert Denare Brot kaufen (das entspricht etwa einem Jahreslohn eines Arbeiters), bekommt jeder der über fünftausend Menschen „nur ein kleines Stück“.
Das Geld also reicht bei weitem nicht. So schauen sie nach, was an Vorräten vorhanden ist. Da ist ein Bub, der fünf Brote und zwei Fische dabei hat. Das ist noch armseliger als die armseligen Geldmittel: „Was ist das für so viele!“ Man spürt das Gefühl der Ohnmacht bei den Jüngern Jesu. Es mangelt ihnen vielleicht an Gottvertrauen, an Glauben an Jesus. Es fehlt ihnen nicht an nüchternem Realismus. Fünftausend hungrige Menschen satt zu machen, ohne Geld, ohne Vorräte, an einem abgelegenen Ort: Das ist schon eine Herausforderung.
Was dann geschah, ist sicher etwas recht Einmaliges. Nicht oft hat sich das Wunder der Brotvermehrung in der Geschichte wiederholt. Auch im Leben Jesu kam es nur zweimal vor, ein zweites Mal, als Jesus an einem anderen Ort etwa viertausend Menschen mit ein paar Broten satt machte. Ich halte diese Berichte für glaubwürdig, weil sie auch in späteren Jahrhunderten immer wieder, wenn auch nicht oft, geschehen sind. Dennoch werden wir wohl kaum selber Zeuge eines solchen Wunders werden.
Warum wird dann dieses Ereignis erzählt? Was hat es zu sagen? Für mich ist es dieser ratlose, hilflose Satz der Jünger: „Was ist das für so viele!“ Diese Situation gibt es oft, und besonders heute. Wir fühlen uns ohnmächtig gegenüber der Not, den großen Krisen im Bereich der Umwelt, der Finanzen. Was kann ich einzelner schon tun gegen die Umweltzerstörung? Was können wir wenigen gegen den Hunger in Afrika unternehmen? Wie sollen wir der riesigen Jugendarbeitslosigkeit etwa in Spanien Herr werden? Da ein wenig spenden, dort ein wenig helfen – was bringt das schon? „Was ist das für so viele!“
Hier gibt das Evangelium heute eine starke Antwort. Die Jünger geben her, was sie haben. Sie übergeben Jesus die armseligen fünf Brote und zwei Fische, die der Bub bei sich hatte. Kaum der Rede wert für so viele. Und doch: das Wunder kann geschehen. Wenn viele ihre kleine Hilfe geben, wird es möglich, vielen zu helfen. Wenn nicht jeder nur daran denkt, wie er für sich möglichst viel behalten oder bekommen kann, dann kann sich das Wunder von damals wiederholen.
Wir werden nicht all die großen Krisen der heutigen Welt lösen können. Aber wenn viele neu die Solidarität entdecken, wirklich zu geben bereit sind, zu verzichten und zu teilen, dann sind echte Wunder möglich. Keiner müsste hungern, wenn viele nach Jesu Vorbild teilen, was sie haben.
In jener Zeit ging Jesus an das andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt. Eine große Menschenmenge folgte ihm, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Jesus stieg auf den Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder. Das Pascha, das Fest der Juden, war nahe.
Als Jesus aufblickte und sah, dass so viele Menschen zu ihm kamen, fragte er Philippus: Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben? Das sagte er aber nur, um ihn auf die Probe zu stellen; denn er selbst wusste, was er tun wollte.
Philippus antwortete ihm: Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll. Einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, sagte zu ihm: Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele!
Jesus sagte: Lasst die Leute sich setzen! Es gab dort nämlich viel Gras. Da setzten sie sich; es waren etwa fünftausend Männer.
Dann nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, so viel sie wollten; ebenso machte er es mit den Fischen.
Als die Menge satt war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brotstücke, damit nichts verdirbt. Sie sammelten und füllten zwölf Körbe mit den Stücken, die von den fünf Gerstenbroten nach dem Essen übrig waren.
Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll.
Da erkannte Jesus, dass sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein.