Mein Fleisch ist wirklich eine Speise, und mein Blut ist wirklich ein Trank.
Mein Fleisch ist wirklich eine Speise, und mein Blut ist wirklich ein Trank.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 20. Sonntag im Jahreskreis,
19. August 2012 (Joh 6,51-58)
Darf ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, heute um eine besondere Aufmerksamkeit bitten? Lesen Sie zuerst den Text des heutigen Evangeliums, ehe Sie meine Auslegung lesen. Vielleicht machen Sie das sowieso regelmäßig. Heute scheint es mir besonders wichtig. Lassen Sie diesen Abschnitt aus dem Evangelium des Johannes auf sich wirken. Stellen Sie sich vor, Sie wären unter den Menschen, die Jesus so reden hören. Wie wäre Ihre Reaktion? Wie klingen diese Worte für jemanden, der sie zum ersten Mal hört? Wenn Sie nun meinem Rat gefolgt sind und die Rede Jesu unvoreingenommen gelesen haben, wie wirkt sie auf Sie?
Ich vermute: nicht viel anders als auf die Zuhörer damals. Sie waren entsetzt, schockiert. Sie haben Ihren Ohren nicht getraut. Und es entstand Streit unter ihnen. Streit entsteht, wenn verschiedene Gesichtspunkt aufeinander prallen. "Wie kann uns dieser sein Fleisch zu essen geben?" Alle scheinen sich einig zu sein: Was er da sagt, ist unverständlich, anstößig, ja widerlich! Einer, der sein Fleisch anderen zum Essen gibt - das ist doch pervers! Erinnert das nicht an diese grauenhafte Geschichte vor einigen Jahren, als einer im Internet sich zum kannibalischen Essen anbot?
Damals stritten sich die Zuhörer. Denn offensichtlich haben nicht alle die Worte Jesu als etwas völlig Verrücktes, Krankhaftes verstanden. Manche werden wohl geahnt haben, dass hier etwas sehr Tiefes, Geheimnisvolles zur Sprache kommt. Und es wird wohl seine Zeit gebraucht haben, bis auch seine eigenen Anhänger mit diesen so rätselhaften Aussagen ihres Meisters etwas anfangen konnten.
Jesus spricht hier offensichtlich von einer unbeschreiblichen Verbindung zwischen ihm und den Menschen. Wer sein Fleisch isst, sein Blut trinkt, hat das Leben in sich. Wie hat Jesus das verstanden? Er sagt selber: "Wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben."
Darunter konnten sich seine Jünger etwas vorstellen. So haben sie ihn erlebt: als einen Menschen, der ganz aus seiner Gottverbundenheit lebt. Jesus hat einmal gesagt, es sei seine Nahrung, seine Speise, den Willen des Vaters zu tun. War das also in diesem Sinn zu verstehen, wenn Jesus sagt: "Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm"?
So wild, so ungeheuerlich diese Worte klingen, nicht alle waren davon total abgestoßen. Aber ich muss zugeben, leichte Kost, bequeme Rede ist das nicht. Die Versuchung ist groß, das alles abzuschwächen, umzudeuten, damit es weniger anstößig ist: Dass Jesus das mit seinem Fleisch und seinem Blut symbolisch gemeint habe, nicht so direkt und wörtlich. Doch dagegen sperren sich die letzten Worte Jesu. Er hätte selber ja leicht die Empörung seiner Zuhörer abfangen können, indem er einfach erklärt hätte, er habe niemanden schockieren wollen, er habe hier nur bildhaft gesprochen. Im Gegenteil: "Mein Fleisch ist wirklich eine Speise, und mein Blut ist wirklich ein Trank." Jesus meint, was er sagt. Als er im Abendmahl Brot und Wein nahm, sagte er: "Das ist mein Leib; das ist mein Blut". So glauben wir es bis heute, wenn wir die Kommunion empfangen.
In jener Zeit sprach Jesus zu der Menge: Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt.
Da stritten sich die Juden und sagten: Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?
Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag.
Denn mein Fleisch ist wirklich eine Speise, und mein Blut ist wirklich ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben.
Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Mit ihm ist es nicht wie mit dem Brot, das die Väter gegessen haben; sie sind gestorben. Wer aber dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.