Auf das Herz, die Haltung, die Gesinnung kommt es an.
Auf das Herz, die Haltung, die Gesinnung kommt es an.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 22. Sonntag im Jahreskreis,
2. September 2012 (Mk 7,1-8.14-15.21-23)
Was ist wirklich Gottes Gebot, und was ist Menschensatzung? Was gilt immer und an allen Orten, weil es dem Gesetz Gottes entspricht? Und was ist menschliche Tradition, Brauchtum, und daher veränderbar? Diese Frage stellt sich seit eh und je im menschlichen Zusammenleben, und viele Konflikte kommen daher, dass veränderbare Menschensatzungen als für ewig gültig gehalten werden, und dass heilige, unabänderliche Gesetze Gottes als beliebig hingestellt werden.
Wie können wir ewig Gültiges von zeitlich Wandelbarem unterscheiden? Ds Beispiel des heutigen Evangeliums ist hilfreich. Händewaschen ist sicher sinnvoll. Wer vom Markt kommt, vom Einkaufen, von einer Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sollte sich nicht zu Tisch setzen ohne vorher die Hände gewaschen zu haben. Ich kenne das von vielen Pfarrbesuchen. Wenn ich zahlreichen Menschen die Hand gegeben habe, ist es aus hygienischen Gründen sinnvoll, ja geboten, sich gründlich die Hände zu waschen.
Etwas anderes ist es, wenn daraus sozusagen eine heilige Pflicht, ein göttliches Gebot gemacht wird. Dagegen wendet sich Jesus. Äußerlichkeiten, selbst wenn sie sinnvoll sind und praktischen Wert haben, dürfen nicht zu heiligen Gesetzen hochstilisiert werden. Ein typisches Beispiel für einen solchen Konflikt stellt meines Erachten der Streit um die Hand- oder Mundkommunion dar. Darf man die heilige Kommunion auf die Hand empfangen oder nur direkt in den Mund, auf die Zunge? Manche sagen: die Ehrfurcht vor der heiligen Hostie, dem Leib Christi, gebietet es, dass wir das heilige Brot nicht mit unseren unheiligen Händen berühren. Aber sind unsere Zungen nicht oft viel unheiliger als unsere Hände? Wie viel Liebloses, wie viele böse Worte kommen über unsere Lippen, durch unsere "lockere" oder bösartige Zunge!
Im Sinne Jesu kann die Antwort nur lauten: Wenn du Jesus in der Kommunion mit lauterem Herzen empfängst, dann ist es zweitrangig, ob auf der Hand oder auf der Zunge. Auf das Herz, die Haltung, die Gesinnung kommt es an. Die äußeren Gesten sollen Ausdruck des Herzens sein und nicht nur ein traditionelles Ritual.
Wir sind alle in Gefahr, zu sehr am Äußerlichen hängen zu bleiben und nach dem Augenschein zu urteilen. Das gilt für alle Lebensbereiche. Ein bloßer Blumenstrauß wird einen Ehestreit nicht versöhnen, wenn diese Geste nicht von Herzen kommt. Ist dieses Geschenk herzlos überreich, dann verletzt es noch mehr.
In jener Zeit hielten sich die Pharisäer und einige Schriftgelehrte, die aus Jerusalem gekommen waren, bei Jesus auf. Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen. Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Hand voll Wasser die Hände gewaschen haben, wie es die Überlieferung der Alten vorschreibt. Auch wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein, wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln.
Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also: Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten, sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen?
Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesaja hatte Recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Es ist sinnlos, wie sie mich verehren; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen. Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen.
Dann rief er die Leute wieder zu sich und sagte: Hört mir alle zu und begreift, was ich sage: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.