Lerne dienen, dann hast du es verstanden! Schau auf die Kleinen, die Kinder, dann hast du mich aufgenommen!
Lerne dienen, dann hast du es verstanden! Schau auf die Kleinen, die Kinder, dann hast du mich aufgenommen!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 25. Sonntag im Jahreskreis,
23. September 2012 (Mk 9,30-37)
Wer kennt nicht den alten Spruch, der allen Schülern gesagt wird: „Wir lernen nicht für die Schule, sondern für das Leben!“ Als Schüler habe ich das nicht wirklich geglaubt, denn lernen musste ich vor allem wegen der Schule, für Schularbeiten, Prüfungen, die Matura. Ob das für mein späteres Leben nützlich sein würde, was ich da in Mathematik und Geographie, in Latein und Physik lernen musste, das schien mir sehr zweifelhaft. Eines wusste ich: Für die morgige Schularbeit musst du den Stoff gelernt haben!
Inzwischen weiß ich, dass das Wort vom lebenslangen Lernen zutrifft. Vieles, das Meiste (so fürchte ich), was ich in der Schule lernen musste, habe ich inzwischen vergessen. Aber das Lernen habe ich (so hoffe ich) nicht verlernt. Denn nie im Leben haben wir ausgelernt, und es ist etwas Großartiges, dass der Mensch ein lernfähiges Wesen ist. Meine Mutter, die ich sehr bewundere, hat sich mit 90 einen Laptop gekauft, um E-Mails an ihre Enkelinnen zu schreiben.
In der Lebensschule Jesu ist es nicht anders. Christsein lernt man nicht ein für allemal. Es ist ein lebenslanges Lernen. Die ersten Jünger waren alle Juden, gläubig (mehr oder weniger) und kannten (ebenfalls mehr oder weniger) ihre Religion. Als sie begannen, seine Jünger zu werden, hat er sie „umgeschult“. Sie mussten viel Neues lernen, Ungewohntes, und das brauchte Zeit.
Heute berichtet das Evangelium von einer neuen, wichtigen Etappe in der „Lebensschule“ Jesu. Der Meister „wollte seine Jünger über etwas belehren“. Jesus will seine Jünger, wörtlich Schüler, etwas lehren. Er versucht, geduldig, immer wieder, sie auf seinen Weg vorzubereiten und sie dorthin zu führen. Dieser Weg ist weder einfach noch selbstverständlich. Es ist eine „Karriere nach unten“, also eigentlich das Gegenteil von dem, was meist als Ziel der Schule genannt wird: Lerne fleißig, damit du im Leben Erfolg hast, Karriere machen kannst, gut verdienst und angesehen bist.
Jesus bereitet seine Schüler auf eine andere Laufbahn vor, die er selber vorlebt, wie es sich für einen guten Lehrer gehört: Mein Weg wird erfolgreich sein, aber anders als erwartet. Ich werde auferstehen und leben, aber durch Leid und Tod hindurch.
Das „Umlernen“ fällt den „Schülern“ Jesu schwer. Ihre Denkmuster, ihre „Karrierepläne“ sehen noch ganz anders aus. Sie wollen alle „hoch hinaus“. Sie machen „Rankings“, wie das heute überall üblich ist: Wer ist der Beste, Erfolgreichste, Größte? Irgendwie spüren sie aber, dass ihr Lehrer Jesus das anders sieht, und deshalb schämen sie sich zugegeben, worüber sie diskutieren.
Geduldig setzt sich Jesus (die Position des Lehrers damals!), zeigt ihnen ganz anschaulich, was sein Lernziel ist, wohin er seine Schüler führen will: Lerne dienen, dann hast du es verstanden! Schau auf die Kleinen, die Kinder, dann hast du mich aufgenommen! Jesus, ich weiß: Ich habe noch sehr viel von dir zu lernen! Danke, dass du ein so geduldiger Lehrer bist!
In jener Zeit zogen Jesus und seine Jünger durch Galiläa. Jesus wollte aber nicht, dass jemand davon erfuhr; denn er wollte seine Jünger über etwas belehren.
Er sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert, und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen. Aber sie verstanden den Sinn seiner Worte nicht, scheuten sich jedoch, ihn zu fragen.
Sie kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie: Worüber habt ihr unterwegs gesprochen? Sie schwiegen, denn sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer von ihnen der Größte sei.
Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein. Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.