Allen ist es möglich, ein wenig mehr das Tor des Herzens zu öffnen, damit Licht ins Dunkel dieser Welt kommt. Wir müssen es nur tun.
Allen ist es möglich, ein wenig mehr das Tor des Herzens zu öffnen, damit Licht ins Dunkel dieser Welt kommt. Wir müssen es nur tun.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium Hochfest Allerheiligen,
1. November 2012 (Mt 5,1-12a)
Dieser Tage las ich folgenden Satz: "Jeder Heilige ist wie ein geöffnetes Portal, durch das Gottes Licht in die Dunkelheit dieser Welt leuchtet." Am Anfang der dunkelsten Zeit des Jahres, wenn die Tage kurz, die Nächte lang sind, wenn die Natur rund um uns abzusterben scheint, am ersten Tag des Novembers, feiert die Kirche das Fest aller Heiligen, als wollte sie besonders viel Licht in diese dunkle Zeit leuchten lassen.
Wie viele solche "Tore des Lichts" wie viele Heilige gibt es eigentlich? Wer sind sie alle, diese Heiligen, die heute, alle gemeinsam, gefeiert werden? Im letzten Buch der Bibel, in der "Offenbarung des Johannes" heißt es: "Ich sah eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen."
Kein statistisches Amt, keine kirchliche Behörde weiß, wer und wie viele sie alle sind. Gott alleine weiß es. Aber wir dürfen solche "geöffnete Portale" von Gottes Licht kennen, vertrauensvoll um Licht und Hilfe bitten. Am 21. Oktober hat Papst Benedikt XVI. sieben "Heiligsprechungen" vorgenommen, vier Frauen und drei Männer. Ich durfte dieses große Fest am Petersplatz in Rom mitfeiern. Gerne würde ich alle sieben kurz vorstellen. Sie haben wirklich, alle auf ihre Weise, Licht ins Dunkel der Welt gebracht. Da ist die aus Deutschland stammende Mutter Marianne Cope (1838-1918), die über dreißig Jahre auf der Insel Molokai (Hawaii) den dort ausgestoßenen und isolierten Leprakranken gedient hat. Da ist der junge Philippino Pedro Calungsod (1654-1672), der erst siebzehn Jahre alt war, als er, als Katechist, den Märtyrertod erlitt. Da ist Anna Schäffer (1882-1925) aus Bayern, die bis heute von vielen verehrt wird. Bei Hausarbeiten erlitt sie einen schweren Unfall, von dem sie nie mehr genesen konnte. Lebenslange Schmerzen banden sie ans Krankenlager. Sie haderte mit ihrem Los, bis sie ihre Berufung fand, "die Mission des Leidens". Für viele Leidgeprüfte wurde Anna zur Beraterin, Trösterin und Fürsprecherin.
Besonders berührt hat mich die Lebensgeschichte der Indianerin Kateri Tekakwitha (1656-1680) aus dem Indianerstamm der Irokesen. Sie ist für mich ein Beispiel für die lebensverändernde Kraft des Glaubens an Jesus Christus. Die Missionare, die unter den Indianern wirkten, zwangen niemandem den Glauben auf. Kateri hat ihn als eine persönliche Begegnung mit Gott erfahren, und das hat sie von innen her so verwandelt, dass sie in ihrem kurzen Leben für viele zu einem Tor des Lichts wurde, die erste Heilige ihres Stammes.
Heute feiert die Kirche alle Heiligen. Wie gelangen wir, die wir noch unterwegs sind, in diese große Schar? Die acht "Seligpreisungen" des heutigen Evangeliums zeigen den Weg. Er ist anspruchsvoll und doch ganz einfach: Allen ist es möglich, ein wenig mehr das Tor des Herzens zu öffnen, damit Licht ins Dunkel dieser Welt kommt. Wir müssen es nur tun.
In jener Zeit, als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie.
Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.