Der Advent erinnert nicht nur an den Anfang, die Zeit der Ankunft Christi, sondern auch an das Ende, seine Wiederkunft, seinen "zweiten Advent" am Ende der Zeit.
Der Advent erinnert nicht nur an den Anfang, die Zeit der Ankunft Christi, sondern auch an das Ende, seine Wiederkunft, seinen "zweiten Advent" am Ende der Zeit.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 1. Adventsonntag,
2. Dezember 2012, Lesejahr C
(Lk 21,25-28.34-36)
Der Advent beginnt heute. Und damit die Vorweihnachtszeit. Und auch ein neues Kirchenjahr. Das bürgerliche Jahr beginnt mit dem ersten Jänner. Das Kirchenjahr mit dem ersten Adventsonntag. Was bedeutet das?
Advent kommt vom lateinischen adventus, advenire, das heißt Ankunft, Ankommen. Advent ist die Zeit der Erwartung dessen, der da kommen soll. Die knapp vier Wochen des Advents fassen die vielen Jahrhunderte zusammen, in denen das Volk Gottes auf den verheißenen Messias gewartet hat. Die Adventlieder, die in diesen Tagen in den Kirchen und Adventfeiern gesungen werden, erinnern an das sehnsüchtige Warten auf sein Kommen. So heißt es in einem der bekanntesten dieser Lieder: "Tauet Himmel den Gerechten, Wolken regnet ihn herab, rief das Volk in bangen Nächten, dem Gott die Verheißung gab." Weihnachten ist das Ende dieser Erwartung, die Erfüllung der Verheißung: Christus, der Heiland, der Retter ist da: "Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein", wird es dann in einem der beliebten Weihnachtslieder heißen.
Ist von all dem heute mehr übrig als die Folklore unserer Adventmärkte und Weihnachtsmärkte, unserer Adventfeiern mit Punsch und Standln?
Im Evangelium des ersten Adventsonntags geht es weder lieblich noch friedlich zu. Da ist vielmehr die Rede von gewaltigen Naturkatastrophen, von angstvoller "Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen". Da geht es nicht um die "fröhliche Weihnachtszeit", sondern um die erschreckende Endzeit. Auch das gehört zum Advent. Er ist nicht nur die Zeit der Erwartung des Weihnachtsfestes. Er richtet unseren Blick auch auf die letzten Tage der Menschheit, auf die Zeit, da alles zu Ende geht.
Advent, das ist auch das Warten auf die Wiederkunft Christi: "Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit kommen sehen." Das ist die verdrängte, vergessene Seite des Advents. Sie ist ernst, ja dramatisch. Sie erinnert an das Ende der Welt, an unser Ende, an den Anfang der kommenden Welt, an das, was uns alle erwartet: Tod, Gericht, Ewiges Leben.
In der Adventfolklore spielt diese ernste Seite kaum eine Rolle. Und doch gehört sie untrennbar zur Bedeutung dieser Jahreszeit. Der Advent erinnert nicht nur an den Anfang, die Zeit der Ankunft Christi, sondern auch an das Ende, seine Wiederkunft, seinen "zweiten Advent" am Ende der Zeit.
Gewiss, wir wissen nicht, wann es mit dieser Welt zu Ende geht. Aber wir haben die Gewissheit, dass es für uns selber einmal ein Ende gibt. Das kann schon morgen, ja heute sein. Zum Advent gehört daher immer auch die Einladung Jesu: "Wachet und betet allezeit." Das Ende soll uns nicht überraschen, "wie man in eine Falle gerät". Daher ist es gut, dass ich mir täglich die Frage stelle: Könnte heute schon mein Advent sein? Könnte ich jetzt schon vor Gott hintreten?
Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres.
Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf einer Wolke kommen sehen.
Wenn (all) das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.
Nehmt euch in acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht, (so) wie (man in) eine Falle (gerät); denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen.
Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt.