Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Ostersonntag,
Hochfest der Auferstehung des Herrn,
31. März 2013 (Joh 20,1-18)
Mich bewegt es jedes Jahr zu Ostern neu, dass das erste Wort des Auferstandenen eine ganz einfache Frage des Mitgefühls ist: „Frau, warum weinst du?“ – so fragt Jesus die weinende Maria von Magdala, die vor dem leeren Grab steht. Nicht nur dass der so geliebte Meister unter schlimmsten Qualen am Kreuz gestorben ist, nun fehlt auch noch sein Leichnam: „Wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen“, so redet sie Jesus an, den sie noch nicht erkannt hat und den sie für den Gärtner hält.
„Frau, warum weinst du?“ Ist das nicht die erste und größte Botschaft des Osterfestes? Die Auferstehung Jesu Christi ist zuerst eine Botschaft für mich ganz persönlich. Sie ist nicht eine allgemeine Theorie über Leben und Tod. Ich bin angesprochen, mein Leben, mein Streben, Suchen und Sehen: „Warum weinst du? Wen suchst du?“ Gott nimmt Anteil an meinen Fragen. Er fragt nach meiner Sehnsucht: Was bewegt dich? Was suchst du? Warum weinst du? Gott kommt unserem Suchen und Fragen entgegen. Noch lange bevor wir uns aufmachen und ihn suchen, hat er sich schon auf den Weg gemacht, um uns zu suchen.
Der christliche Glaube – daran hat uns Papst Benedikt oft erinnert – ist nicht zuerst eine Lehre, sondern eine Begegnung. Glaubenssätze sind wichtig. Im Credo, im Glaubensbekenntnis sind die zentralen Glaubensaussagen zusammengefasst. Aber zuerst ist der Glaube eine Begegnung, die zur Freundschaft werden will. „Maria!“ Jesus spricht die Weinende mit ihrem Namen an, ganz persönlich. Da erkennt sie Jesus, so wie sie von ihm erkannt wurde. Das ist der Moment, wo der Glaube von der Theorie zum Leben wird, zu meiner Erfahrung, meinem Leben. Papst Franziskus hat erzählt, wie er als junger Mensch an einem 21. September eine solche Begegnung mit Christus hatte, die seinem Glauben den lebendigen Gehalt einer Erfahrung gegeben hat. Ein suchendes Herz wird immer von Gott gefunden. Wenn wir aufhören zu suchen, dann werden wir womöglich auch den Moment versäumen, wo Gott zu uns kommt.
„Geh zu meinen Brüdern und sag es ihnen!“ Maria von Magdala ist Jesus, dem Lebenden, begegnet. Es soll nicht dabei bleiben. Sie soll es anderen weitersagen, dass sie Jesus begegnet ist, dass Er lebt!
Mich beeindruckt immer an diesem Auftrag Jesu, dass er seine Jünger „Brüder“ nennt, obwohl sie ihn verraten und alleingelassen haben. Jesus schickt Maria von Magdala nicht zu ihnen, um sie zu kritisieren, sondern um ihnen die Freude des Auferstandenen zu bringen. Sollten wir Christen nicht viel weniger kritisieren und viel mehr die frohe Botschaft von Jesu Auferstehung weitergeben?
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte.
Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten.
Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat.
Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war.
Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du?
Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen.
Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister.
Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern, und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte.