Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zur Lesung am Hochfest Christi Himmelfahrt,
9. Mai 2013, (Apg 1,1-11)
Am Ende des Berichts von der „Himmelfahrt“ Jesu steht folgende Ankündigung. „Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.“ Wann soll er wiederkommen? Wie und wo soll das geschehen? Vor allem aber: Ist diese Geschichte mit Himmelfahrt und Wiederkunft glaubwürdig? Kann ein vernünftiger, aufgeklärter Mensch so etwas sinnvollerweise glauben?
Ja, er kann es! Ich glaube das. Und ich denke, ich bin nicht unvernünftig. Und die vielen sind es nicht, die im „Credo“ als ihren Glauben bekennen: „Wir glauben… an den einen Herrn Jesus Christus, … aufgefahren in den Himmel, … und er wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein.“
Ich kann nicht sagen, wann das geschehen wird. Aber ich glaube, dass es geschehen wird. Auch habe ich keine Vorstellung, wie das geschehen wird. Aber ich glaube, dass es ein herrliches Ereignis sein wird. Ich glaube es nicht, weil ich es bereits verstanden hätte, sondern weil Jesus es verheißen hat. Ich glaube seinem Wort, weil ich ihm vertraue, weil er für mich glaubwürdig ist. Und deshalb erwarte ich, ja ersehne ich, dass er wiederkommt in Herrlichkeit.
Aber ist eine solche Erwartung nicht unsinnig, nachdem sie sich seit 2000 Jahren nicht erfüllt hat? Wie viele Generationen haben im Vaterunser schon gebetet: „Dein Reich komme!“ Ist es bisher gekommen? Wird hier nicht vergeblich gehofft und erwartet? Warum ist Christus nicht längst wiedergekommen? Als mir vor Jahren diese Frage gestellt wurde, kam mir eine ganz einfache Antwort in den Sinn: Weil Jesus will, dass wir dabei sind! Wäre er schon wiedergekommen, dann wäre die Geschichte schon zu Ende – und wir nicht auf der Welt, im Leben. Einmal wird das Ende der Welt und der Geschichte kommen. Wir wissen nicht wann, wir wissen nur, dass es so sein wird. Jesus hat klar gesagt: „Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat.“ Auch wenn ich nicht weiß, wann das sein wird, so bin ich doch froh und dankbar, dass Gott – wenn ich das so sagen darf – auch auf mich gewartet hat. Gott will, dass wir dabei sind, beim großen Fest seines Reiches, in dem es keine Träne mehr geben wird, kein Leid und keinen Tod.
Sind wir hier auf Erden in einer Art zugigem, hässlichen Wartesaal, auf den Zug ins ewige Leben, ins Reich Gottes wartend, der sich verspätet hat? Gewiss, dieses Leben ist eine Art Wartezeit, ein Durchgang, oder sagen wir besser: eine Pilgerfahrt. Das Paradies, die ewige Heimat kommt endgültig erst, wenn Jesus wiederkommt. Aber inzwischen, für diese unserer Erdenzeit, hat Jesus uns nicht einfach zum untätigen Warten verurteilt. Er hat uns vielmehr eine Kraft zugesagt, die „Kraft des Heiligen Geistes“. Sie hilft, nicht mutlos zu werden in den Mühen der irdischen Pilgerschaft; nicht aufzugeben vor den Schwierigkeiten; die Hoffnung zu bewahren und vor allem die Liebe. Wo die Liebe herrscht, da ist Jesus schon ein wenig wiedergekommen, mitten in unserem Erdenleben.
Im ersten Buch, lieber Theophilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er (in den Himmel) aufgenommen wurde.
Vorher hat er durch den Heiligen Geist den Aposteln, die er sich erwählt hatte, Anweisungen gegeben. Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen.
Beim gemeinsamen Mahl gebot er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt. Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft.
Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?
Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.
Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.
Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?
Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.