Das religiöse Miteinander gelingt nur, wenn wir ehrlich staunen über echten Glauben bei Menschen anderer Religionen.
Das religiöse Miteinander gelingt nur, wenn wir ehrlich staunen über echten Glauben bei Menschen anderer Religionen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 9. Sonntag im Jahreskreis,
2. Juni 2013 (Lk 7,1-10)
Die religiöse Landschaft Österreichs ist voll im Wandel. Kaum wo fällt das so auf wie in Wien. Aber selbst in ländlichen Gegenden leben heute Menschen unterschiedlicher Religionen. Wie sieht deren Miteinander aus? Leben sie nur nebeneinander? Oder gar gegeneinander? Gelingt ein echtes Miteinander? In vielen Teilen der Welt gibt es Konflikte, die auch religiöse Hintergründe haben. Besonders dramatisch ist die Lage in Syrien. Der blutige Konflikt hat viel mit politischen Gegensätzen zu tun, aber auch mit religiösen. Betroffen sind vor allem die Christen. Oft hören wir auch von Angriffen radikaler Islamisten auf Christen in Nigeria. Von anderen Konfliktherden ist selten die Rede: Zum Beispiel vom jahrzehntelangen Bürgerkrieg zwischen buddhistischen Singhalesen und hinduistischen Tamilen in Sri Lanka. Österreich ist im friedlichen Zusammenleben der Religionen ein von vielen beneidetes Vorbild.
Aber was ermöglicht diesen inneren Religionsfrieden? Ist es nur eine Haltung des „leben und leben lassen“? Oder gar religiöse Gleichgültigkeit („Es soll jeder nach seiner Facon glücklich werden“)? Das gute Einvernehmen der Religionen in unserem Land ist nicht selbstverständlich. Es muss gepflegt werden. Wir müssen es wollen und das Unsere dafür tun.
Das heutige Evangelium ist sozusagen ein Lehrstück für das gute Zusammenleben der Religionen. Der Hauptmann, der Jesus um Hilfe und Heilung für seinen Diener bittet, ist ein Heide. Er teilt nicht die Religion der Mehrheit, die Juden sind. Aber er benutzt seine militärische Machposition nicht dazu, die Leute zu unterdrücken. Er zeigt Respekt, ja ausgesprochenes Wohlwollen den Juden gegenüber. „Er liebt unser Volk und hat uns die Synagoge gebaut“, so bezeugen es die jüdischen Oberen.
Das Erste, was ich aus diesem Evangelium für das religiöse Zusammenleben entnehme, ist der gegenseitige Respekt, die Achtung vor dem Anderen, ja das gegenseitige Wohlwollen. Der heidnische Offizier zeigt echte Sympathie für die Religion der Mehrheit der Bevölkerung. Er achtet ihre religiösen Gefühle. Das zeigt sich auf sehr berührende Weise darin, dass er Jesus ausrichten lässt: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eintrittst unter mein Dach.“ Er weiß, dass es für gläubige Juden nicht erlaubt ist, in das Haus eines Heiden zu gehen. Er macht sich nicht lustig über solche religiösen Vorstellungen und setzt sich über sie hinweg. Er ist ein Vorbild für das gelebte Miteinander.
Aber seine Haltung ist mehr als nur Respekt. Der Hauptmann ist auch ein großes Vorbild des Glaubens. Er vertraut, dass Jesus die Macht hat, seinen Diener zu heilen. Nichts kann dieses Vertrauen erschüttern. Aus Achtung vor Jesus bittet er ihn, sich nicht zu ihm zu bemühen. Er sei es gar nicht wert, dass Jesus zu ihm komme. Er brauche nur ein Wort zu sagen, dann werde sein Diener schon gesund. Als Offizier sei er gewohnt, Kommandos und Befehle zu geben. Ebenso möge Jesus einfach Order geben, dann werde sein Diener gesund. Was Jesus auch tut.
Jesus sagt nun ein großes Wort: „Solchen Glauben habe ich bei uns nicht gefunden!“ Das religiöse Miteinander gelingt nur, wenn wir ehrlich staunen über echten Glauben bei Menschen anderer Religionen.
Als Jesus diese Rede vor dem Volk beendet hatte, ging er nach Kafarnaum hinein. Ein Hauptmann hatte einen Diener, der todkrank war und den er sehr schätzte. Als der Hauptmann von Jesus hörte, schickte er einige von den jüdischen Ältesten zu ihm mit der Bitte, zu kommen und seinen Diener zu retten.
Sie gingen zu Jesus und baten ihn inständig. Sie sagten: Er verdient es, dass du seine Bitte erfüllst; denn er liebt unser Volk und hat uns die Synagoge gebaut. Da ging Jesus mit ihnen.
Als er nicht mehr weit von dem Haus entfernt war, schickte der Hauptmann Freunde und ließ ihm sagen: Herr, bemüh dich nicht! Denn ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst. Deshalb habe ich mich auch nicht für würdig gehalten, selbst zu dir zu kommen. Sprich nur ein Wort, dann muss mein Diener gesund werden. Auch ich muss Befehlen gehorchen, und ich habe selber Soldaten unter mir; sage ich nun zu einem: Geh!, so geht er, und zu einem andern: Komm!, so kommt er, und zu meinem Diener: Tu das!, so tut er es.
Jesus war erstaunt über ihn, als er das hörte. Und er wandte sich um und sagte zu den Leuten, die ihm folgten: Ich sage euch: Nicht einmal in Israel habe ich einen solchen Glauben gefunden. Und als die Männer, die der Hauptmann geschickt hatte, in das Haus zurückkehrten, stellten sie fest, dass der Diener gesund war.