Jesus und die Jünger im Weizenfeld:
Gefährlich sind die, die sich für die allein "Reinen" halten und alle anderen verdammen. Ihnen sagt Jesus: "Lasst beides wachsen bis zur Ernte!"
Jesus und die Jünger im Weizenfeld:
Gefährlich sind die, die sich für die allein "Reinen" halten und alle anderen verdammen. Ihnen sagt Jesus: "Lasst beides wachsen bis zur Ernte!"
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 20 Juli 2014 (Mt 13,24-30)
Unkraut und Weizen: Immer wächst beides zusammen. Da kann noch so viel Pestizid und Unkrautvertilgungsmittel gespritzt werden, irgendwie schafft es das Unkraut immer, sich breit zu machen. Das weiß jeder Gärtner, und manche geben den Kampf einfach auf und überlassen beiden das Feld, dem guten Samen und dem Unkraut. Kleingärtner haben keine Freude, wenn der Nachbar das Unkraut einfach sprießen lässt. Denn es hat die Neigung, sich auszubreiten, oft schneller und stärker als das gute Gewächs.
Was meint Jesus, wenn er den Gutsherrn anordnen lässt, das Unkraut nicht auszureißen? Es geht ihm nicht um Regeln für Biolandwirtschaft. Jesus spricht von Gut und Böse unter uns Menschen. Lehrt er, wir sollen das Böse einfach bestehen lassen? Müssen wir es nicht bekämpfen? Besteht nicht die Gefahr, dass das Üble, das Ungute, das Böse sich ungehindert ausbreitet, schneller noch als das Gute? Und dass es das Gute immer mehr verdrängt?
Mir hilft zum besseren Verstehen der Absicht Jesu ein Blick auf das Schreckliche, was zur Zeit im Nahen Osten geschieht. Eine Gruppe radikaler Muslime will in der ganzen Region das "Kalifat" errichten, einen absoluten Gottesstaat, der ganz und gar nach den strengsten Regeln des Islam regiert werden soll. Um diesen Gottesstaat zu errichten, scheuen diese Milizen nicht davor, alle, die sie für "Ungläubige" halten, hemmungslos "auszurotten". Erschütternde Bilder von Massenerschießungen anderer Muslime, die nicht ihrer Glaubensrichtung angehören. Christen und andere religiöse Minderheiten sind Freiwild. Diese Radikalen wollen alles, was die für "Unkraut" halten, ausreißen, damit nur der "reine" Weizen eines Gottesstaates übrigbleibt.
In der Geschichte der Christenheit hat es ähnliche Verwirrungen gegeben, als etwas 1492 aus Spanien die letzten Muslime und alle Juden vertrieben wurden, um ein "rein" christliches Land zu erzeugen. Oder als im Europa der Zeit nach der Reformation in manchen Ländern alle Katholiken, in anderen alle Protestanten vertrieben wurden. Immer war es der irrige Traum eines Landes ohne jegliches "Unkraut" von Andersgläubigen, Andersdenkenden.
Gegen eine solche Irrlehre steht, so glaube ich, dieses Gleichnis Jesu. Gewiss, wir müssen Gut und Böse unterscheiden. Es gibt wirklich Gutes, und leider auch Böses, schlimmes Böses. Aber es wird immer durchmischt sein. In allem Guten, das wir tun, ist immer auch irgendein Unkraut des Eigennutzes, des Egoismus, des Stolzes, etc. Und in allem Bösen gibt es fast immer auch ein Körnchen des Guten. Kein Verbrecher ist durch und durch böse.
Ich glaube, Jesus will durch das Gleichnis vom Weizen und vom Unkraut nicht sagen, dass alles eh egal ist, dass Gut und Böses gleiches Recht haben. Er will uns nicht entmutigen, das Gute gut, und das Böses böse zu nennen. Aber er warnt uns vor endgültigen Urteilen. Die stehen nur Gott zu. Und Gott ist geduldig. Er lässt, wie Jesus sagt, "die Sonne über Gute und Böse scheinen". Oft fragen wir uns: Ist er zu geduldig? Sollte nicht doch mehr böses Kraut ausgerissen werden? So viele Menschen leiden unter dem Bösen. Bekämpfen müssen wir das Böse in uns selber und um uns. Gefährlich aber sind die, die sich für die allein "Reinen" halten und alle anderen verdammen. Ihnen sagt Jesus: "Lasst beides wachsen bis zur Ernte!"
In jener Zeit erzählte Jesus der Menge das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zum Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Weizen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich zu den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündeln, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune.