Was haben Hunde und Brot mit starkem Glauben zu tun?
Was haben Hunde und Brot mit starkem Glauben zu tun?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 17. August 2014.
Diese Frage mag schockieren. Gott ist doch allwissend. Was soll er von uns lernen? Was können wir ihm beibringen? Wir lernen von Gott. Er ist der Meister, wir die Lernenden. So hat man es uns beigebracht. Aber Vorsicht! Wie ist es, wenn wir Gott um etwas bitten? Wollen wir ihn dann nicht "beeinflussen"? Wenn wir zum Beispiel für die Heilung eines Krebskranken beten, bitten wir dann Gott nicht, dass er in den Lauf der Dinge eingreift? Hoffen wir nicht, dass er sozusagen seinen Plan ändert, damit das schlimme Schicksal abgewendet wird?
Ich liebe die Szene des heutigen Evangeliums. Ich kann sie mir so lebhaft vorstellen, wie Jesus da im heidnischen "Ausland" ist, wie er eigentlich "inkognito" bleiben möchte, verborgen und zurückgezogen. Und wie dann diese heidnische Frau ihn, den Juden, bestürmt und bedrängt, er möge doch ihre arme Tochter von dem quälenden Dämonen befreien. Jesus aber leistet ihr Widerstand, will einfach nicht auf ihre Bitte eingehen, weist sie schroff und hart von sich und ist dabei geradezu verletzend in seinem strikten Nein. Am Ende gibt er doch nach und gewährt der tapferen Frau, die nicht locker lässt, worum sie bittet.
Wie ist dieses so überraschend unfreundliche Verhalten Jesu zu verstehen? Er ist doch sonst immer der Gütige und Herzliche? Hat die Frau durch ihr Bitten bei ihm einen Gesinnungswandel bewirkt? Hat er gar von ihr etwas Neues gelernt? Lernt er, der Sohn Gottes, auch etwas von uns? Früher hätte ich energisch abgelehnt. Im Nachdenken und mit den Jahren der Erfahrung bin ich vorsichtiger geworden. So scheint es mir nicht mehr ganz so unmöglich, zu sagen, dass diese heidnische Frau bei Jesus selber ein "Umdenken" bewirkt hat.
Sehen wir uns die Szene nochmals an. Jesus schweigt zuerst zur Bitte dieser Frau. Als die Jünger ihn drängen, er solle ihr doch gewähren worum sie bittet, da antwortet er klipp und klar: Sein Auftrag erstreckt sich nur auf das jüdische Volk. Dessen verlorene Schafe soll er sammeln. Mit den Heiden, den Nichtjuden, habe er nichts zu tun. Er wiederholt das auf eine schroffe, ja beleidigende Weise: Das Brot ist für die Kinder (sprich: die Juden), nicht für die Hunde (sprich: die Heiden)! Jesus scheint felsenfest davon überzeugt zu sein, dass er nur und zuerst für sein eigenes Volk da ist.
Die heidnische Frau lässt sich nicht abschrecken. Sie tut im Grunde das, was Jesus selbst uns geraten hat: Wenn wir beten, sollen wir Gott richtig lästig sein, ihn geradezu mit unseren Bitten bombardieren. Das tut diese Frau. Ihr Argument bringt Jesu Ablehnung zum Einsturz: "Ja, du hast Recht Herr!" Das Brot ist für die Kinder. "Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen".
Gegenüber diesem Vertrauen wird Jesus "schwach". Voll Bewunderung sagt er: "Frau, dein Glaube ist groß". Und heilt die geplagte Tochter. Hat Gott, hat Jesus von dieser Frau etwas "dazugelernt"? Hat er wegen ihrer Bitten seinen Plan geändert? Sein "Programm" ausgeweitet, sich künftig nicht nur um sein Volk zu kümmern, sondern um alle Menschen? Oder hat sie nicht vielmehr durch ihr heftiges Bitten das ausgelöst, was Gott selber im Herzen hatte? Darüber denke ich immer wieder nach!
In jener Zeit zog Jesus sich in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück. Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält. Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Befrei sie von ihrer Sorge, denn sie schreit hinter uns her. Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt. Doch die Frau kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir! Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen. Da entgegnete sie: Ja, du hast Recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen. Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.