„Wir bekommen unseren Leib ja zur Hauptmiete, und ein Umzug in dieser Welt ist nicht vorgesehen.
„Wir bekommen unseren Leib ja zur Hauptmiete, und ein Umzug in dieser Welt ist nicht vorgesehen.
„Niemand kann immer und ewig gesund sein. Das ist eine Illusion“, sagt Theologe Karl-Heinz Steinmetz. Und: „,Geglückte Gesundheit‘ ist niemals ,totale Gesundheit‘.“
Hand aufs Herz: Was haben Sie heute schon für Ihre Gesundheit getan?
Haben Sie sich ein ausgewogenes Frühstück gegönnt und waren spazieren? Oder waren Sie bereits eine Stunde im Fitnesscenter, haben vielleicht Gerstengrassaft getrunken und planen heute noch zwei Stunden Yoga?
Menschen tun heutzutage viel, um gesund zu bleiben. Gesund zu sein und gesund zu bleiben, scheint in unserer von Leistung geprägten Gesellschaft langsam auch zu einer – wenn nicht sogar zu der alles entscheidenden – Leistung geworden zu sein.
Gesundheit also als höchstes Gut überhaupt? Ein „Hauptsache gesund“ lange vor einem „Hauptsache glücklich“?
„Mensch zu sein ist etwas Wunderbares. Krankheiten stören dieses wunderbare Sein; sie zeigen uns, dass wir das Leben weit weniger im Griff haben, als wir gerne hätten. Um nun erst gar nicht in diese unangenehme Situation zu kommen, tun viele eben buchstäblich alles, um gesund zu bleiben,“ sagt Theologe Karl-Heinz Steinmetz.
Sie essen „Superfood“, wie Chia-Samen oder Goji-Beeren, die uns in besonderer Weise Kraft geben soll, nehmen Vitaminpräparate, weil das „normale“ Obst und Gemüse offensichtlich nicht mehr reicht, oder gehen in Fitnesscenter, die Geräte zur Verfügung stellen, die zu maschinenartigen, völlig unnnatürlichen Bewegungen anleiten.
„Was die Menschen zu einem großen Teil verlernen ist, auf ihren Menschenverstand, auf ihre innere Stimme zu hören“, sagt Karl-Heinz Steinmetz: „Zu schauen, was tut wirklich gut.“
Die Werbe-, die Gesundheits- und Fitnessindustrie tue dabei ihr Übriges.
„Was sich heute in puncto Gesundheits- und Fitnessindustrie abspielt, halte ich zum Teil wirklich für bedenklich“, kritisiert Steinmetz.
Kranken werde etwa in Bezug auf ihre Krankheit immer häufiger ein schlechtes Gewissen gemacht: „Mit der Behauptung, jemand sei selbst schuld an seiner Erkrankung, muss man meiner Meinung nach sehr vorsichtig sein.
Ich halte es für äußerst zynisch, etwa einem Krebskranken zu sagen, er sei selbst schuld an seinem Elend“, sagt Karl-Heinz Steinmetz: „Manche Krankheiten lassen sich eben auch mit einem als gesund geltenden Lebensstil nicht verhindern. Die entstehen, oder eben nicht.“
Als Christen verstünden wir unser Leben ja im Grunde auf ein letztes Ziel hingerichtet. „Letztlich geht es für uns ja um Auferstehung“, sagt Karl-Heinz Steinmetz:
„Und auf dem Weg dorthin, auf unserer Lebens-Reise ist Gesundheit natürlich ein hohes Ziel, aber eben nicht das einzige.“
Nicht zuletzt sei aber unser Leib auch der Tempel des heiligen Geistes, und Nächstenliebe äußere sich auch in einer leiblichen Dimension: „Wir bekommen unseren Leib ja schließlich zur Hauptmiete, und ein Umzug in dieser Welt ist nicht vorgesehen.
Deshalb muss ich auch auf mich aufpassen, auf meinen Leib, nicht nur für mich, sondern auch für die Menschen, die ich liebe und die mich lieben. “
zur Spiritualität von Leib und Seele von
Karl-Heinz Steinmetz
Privatdozent der Universität Wien im Fach Spiritualitätsforschung.
Er leitet das Projekt ArcAnime zur Neuinterpretation der Traditionellen Europäischen Medizin, Gesundheitslehre und Spiritualität.
Tel. +43 699 1946 4227
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