"Schlecht von anderen zu reden, das ist wie ein Krebsgeschwür in jeder Gemeinschaft", zitiert Kardinal Schönborn aus einem Buch von Papst Franziskus.
"Schlecht von anderen zu reden, das ist wie ein Krebsgeschwür in jeder Gemeinschaft", zitiert Kardinal Schönborn aus einem Buch von Papst Franziskus.
Gedanken von Kardinal Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 27. Oktober 2013
Ich bin dankbar dafür, Österreicher zu sein. Aber das darf kein Grund sein, andere Völker, Deutsch, Griechen, Tschechen usw., zu verachten. Ich bin dankbar, Christ sein zu dürfen. Aber das ist kein Grund, Menschen anderer Religionen, Muslime, Juden, Buddhisten usw. zu verachten. Ich bin dankbar, kein Alkohol- oder Drogensüchtiger zu sein. Aber das kein Grund, Suchtkranke zu verachten. Für all das darf ich Gott danken. Denn all das ist nicht einfach mein Verdienst und meine Leistung. Es ist ein Geschenk, in Österreich und nicht in Nordkorea aufzuwachsen. Es ist ein Geschenk, in einer gläubigen Umgebung groß zu werden, ohne schlimme Enttäuschungen über die Kirche. Es ist ein Geschenk, Begabungen, gute Ausbildungschancen, hilfreiche Lehrer und Lebensbegleiter mit auf den Weg zu bekommen. Für all das darf und soll ich Gott danken.
Der Pharisäer im Gleichnis Jesu, ein zweifellos frommer und eifriger Mann, hätte allen Grund gehabt, für die Chancen seines Lebens Gott zu danken. Stattdessen verachtet er die, die nicht so fromm sind wie er. Schlimmer noch. Er verurteilt sie. Er bricht über sie den Stab. Und Jesus sagt ganz klar: Alle seine Frömmigkeit ist wertlos. Sie ist das Gegenteil von echter Frömmigkeit.
Anders das Bild, das Jesus vom Zöllner zeichnet. Der weiß, dass vieles in seinem Leben nicht in Ordnung ist, dass er vieles falsch gemacht hat. Er steht wirklich als armer Sünder vor Gott und sieht, dass ihm wirklich nur noch die Barmherzigkeit Gottes helfen kann: "Gott, sei mir Sünder gnädig!" Dieser Mann ist für Jesus der eigentliche Fromme, der andere ist für ihn ein Scheinheiliger, ein Heuchler.
Was unterscheidet die beiden? Eben ist ein Büchlein von Papst Franziskus auf Deutsch erschienen, das er 2005 noch als Erzbischof von Buenos Aires geschrieben hat. Es trägt den Titel "Über die Selbstanklage". Der Papst hat in den vergangenen Monaten immer wieder über das Übel des bösen Redens über andere gesprochen. Schlecht von anderen reden, das ist wie ein Krebsgeschwür in jeder Gemeinschaft. Und dieses Übel ist überall verbreitet. Verdächtigungen, Misstrauen, Getuschel, Gemunkel, Gerede, Getratsche, Ausrichten, Fehler anderer genüsslich erzählen, Mitmachen beim gemeinsamen Heruntermachen der anderen: All das vergiftet die Atmosphäre, verbessert niemandes Fehler, sät Unfrieden. Selten wird der Betroffene selber auf seine Fehler hingewiesen. Umso eifriger wird hinter seinem Rücken darüber geredet.
Gegen dieses Krebsgeschwür gibt es nur ein Heilmittel. Jesus stellt es uns in dieser Geschichte von den zwei Männern im Tempel klar vor Augen: Klage nicht die anderen an, schlag' an deine eigene Brust. Klage deine eigenen Sünden und Fehler an, und du wirst einen barmherzigen Gott finden und selber barmherzig werden gegenüber den Fehlern und Schwächen der anderen.
Beobachten wir uns selber: Wie leicht sagen wir von einem Menschen, er sei ein Verbrecher, statt zu sagen, er hat ein Verbrechen begangen. Der Mensch ist aber immer mehr als seine Fehler. Immer gibt es auch etwas Gutes im anderen, wie auch in mir neben vielem Guten so manches Schlechte wohnt. Danke für das Gute und bitte um Gottes Güte und Vergebung für das Schlechte. Und urteile nicht über deinen Nächsten!
In jener Zeit erzählte Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Beispiel: Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens. Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.