Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 4. Mai 2014
Wie oft ist dieses Wort zu hören! Nach einem schmerzlichen Todesfall, wenn die erste Trauer vorbei ist, wenn der Alltag wieder sein Recht fordert. Und irgendwie stimmt es ja auch: Das Leben muss weitergehen. Die Arbeit muss getan werden, das tägliche Brot muss verdient werden. Und doch gibt es meist ein Vorher und ein Nachher. Wenn ein lieber Mensch, ein ganz Nahestehender gegangen ist, dann ist nachher alles anders, auch wenn das Leben weitergehen muss.
Nach dem Tod Jesu war es ähnlich, und doch auch ganz anders. Der Schock der Tage in Jerusalem war nicht leicht zu verkraften. Zuerst die so hoffnungsvolle Ankunft Jesu in Jerusalem, voller Erwartungen, dass er endlich sein Reich und seine Herrschaft zeigen wird. Dann das genaue Gegenteil: Gefangenschaft, wehrlos ausgeliefert dem zweifelhaften Gericht des römischen Stadthalters, das Todesurteil und der Tod am Kreuz.
Aber, so mag man einwenden: Es gab doch danach den Ostermorgen! Sie fanden ja sein Grab leer. Und schließlich sahen sie ihn selber. Wirklich, ganz echt, ganz real. Er war nicht mehr tot. Sie haben sogar mit ihm gegessen, geredet, ihn berührt. Das war doch etwas völlig Neues, Unerwartetes, Unglaubliches. Das hat es so noch nie gegeben. Und dementsprechend groß war auch ihre Freude, nach all dem Schrecken, der großen Trauer. Ja, Jesus war wirklich auferstanden. Das konnten sie bezeugen. Das war für sie eine völlige Gewissheit.
Und dennoch musste das Leben weitergehen. Sie hatten zwar Jesus gesehen, lebendig und leibhaftig. Aber er war nicht mehr bei ihnen wie vorher. Er lebte, aber nicht in ihrer Welt. Er erschien ihnen - und entzog sich wieder ihren Blicken. Es gab kein Zurück mehr, kein Leben wie vorher, als sie mit ihm unterwegs waren, diese kurze, aber unglaublich dichte und spannende Zeit, nicht mehr als drei Jahre, die sie als seine Begleiter mit ihm verbracht hatten.
Wie sollte es weitergehen? Diese Frage stand unerbittlich im Rau. Petrus gibt die Antwort: Zurück zum alten Beruf! "Ich gehe fischen!" Die Zeit mit Jesus sozusagen einklammern, Es war eine Episode in seinem Leben. Mehr nicht? Hat sich nichts geändert? Alles wie zuvor? Familie, Beruf, das frühere Leben!
Aber es kommt anders. Nach einer erfolglosen Nacht, in der sie nichts fingen, steht ein Fremder am Ufer und spricht sie an. Er rät dazu, es noch einmal zu versuchen. Und es wird ein gewaltiger Fischfang. Und sie erkennen, wer der Fremde ist. Und sie begreifen, dass nicht einfach ihr bisheriges Leben weitergeht, sondern ihr Leben mit Jesus. Ihr Weg mit Jesus ist nicht zu Ende. Er beginnt eigentlich erst jetzt richtig. Sie werden aufbrechen und in die ganze Welt gehen, von ihm Zeugnis zu geben.
In dieser Zeit nach Ostern stelle ich mir oft die Frage: Wie ist es bei mir? Geht mein Leben einfach weiter? Oder hat mein Glauben an die Auferstehung Jesu etwas für mich geändert? Ist Ostern ein Neuanfang? Ist die Auferstehung Jesu nur eines der Dinge, die man eben zu glauben hat? Paulus sagt: "Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist unser Glaube leer." Geht mein Leben nach dem Osterfest einfach weiter? Heuer ist mir besonders bewusst geworden, dass es für mich doch einen großen Unterschied macht, glauben zu dürfen, dass Jesus lebt, und da ist, und mit mir geht, alle Tage meines Lebens! Es ist schön, dass dieses Leben weitergeht!
In jener Zeit offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal. Es war am See von Tiberias, und er offenbarte sich in folgender Weise. Simon Petrus, Thomas, genannt Didymus - Zwilling -, Natanaël aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen. Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, und ihr werdet etwas fangen. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es. Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See. Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot - sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen - und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot. Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt. Da ging Simon Petrus und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch. Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war.