"Gott liebt diese Welt! Wir brauchen so sehr die Zusage: Gott will uns Gutes!"
"Gott liebt diese Welt! Wir brauchen so sehr die Zusage: Gott will uns Gutes!"
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 15. Juni 2014
Es klingt so tröstlich, diese Worte zu hören: "So sehr hat Gott die Welt geliebt..." Es tut so gut, das gesagt zu bekommen: Gott liebt diese Welt! Wir brauchen so sehr die Zusage: Gott will uns Gutes! Diese Welt ist nicht hoffnungslos ausgeliefert an alle zerstörerischen Mächte, deren Wirken wir täglich erleben.
Aber wie zeigt es sich, dass Gott diese Welt so sehr liebt? Die Erfahrung spricht doch oft eine ganz andere Sprache, nicht die der Liebe, sondern des Hasses, nicht die des Wohlwollen, sondern der Missgunst. Muss man eine rosa Brille aufsetzen, um die Welt so positiv und gut zu sehen, wie Jesus sie hier darstellt?
Jesus hat diese Worte in einem nächtlichen Gespräch gesagt, das er mit dem jüdischen Ratsherrn Nikodemus geführt hat, der ihn heimlich besuchen kam, weil er sich nicht traute, öffentlich zu zeigen, dass er mit Jesus sympathisiert. Später hat er die Furcht abgelegt, sich zu Jesus zu bekennen. Und was er in diesem Nachtgespräch gehört hatte, das wurde der Kern, das Herzstück der Frohen Botschaft des Christentums: Gott hat diese Welt so sehr geliebt, dass er für sie sein Kostbarstes gegeben hat: seinen eigenen, geliebten Sohn, sein Ein und Alles.
Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um sie zu richten, sondern um sie zu retten: Das ist wirklich die wesentliche Botschaft Jesu. Doch obwohl sie so froh und positiv klingt, stößt sie zum Teil auf erbitterten, heftigen Widerstand. "Gott kann doch keinen Sohn haben, er ist doch kein Mensch!" Das sagte mir einmal ein muslimischer Taxifahrer. Er sprach damit den wichtigsten Einwand des Islam gegen das Christentum aus: Gott ist einer, neben ihm kann es doch keinen "Sohn Gottes" geben. Niemand darf Gott gleichgestellt werden. Heute ist "Dreifaltigkeitssonntag", wie jedes Jahr am Sonntag nach Pfingsten. Dieser Tag ist ganz besonders der Wahrheit gewidmet, die das christliche Glaubensbekenntnis ausspricht: "Ich glaube an Gott, den Vater, … und an Jesus Christus, seinen Sohn, … und an den Heiligen Geist." Wir glauben an den einen Gott. Wir bekennen uns zu einem Gott, nicht zu drei oder mehreren. Aber wir glauben, dass Gott Liebe ist, und Liebe gibt es nicht allein. Wir glauben, dass Gott einer ist, aber nicht dass er einsam ist. Wir glauben, dass Gott Gemeinschaft ist.
Ich sage: Wir glauben das! Ich sage nicht, dass ich mir das vorstellen kann. Auch nicht, dass ich es begreifen kann. Gott ist unbegreiflich. Aber ist die Liebe begreiflich? Ich weiß nur eines: Wie weh es tut, wenn die Liebe fehlt. Und wie gut es tut, wenn unter uns die Liebe herrscht.
Jesus hat dem Nikodemus damals in der Nacht diese wunderbare Botschaft anvertraut, dass Gott die Liebe ist, und dass er seine Liebe uns Menschen zeigt durch Jesus, seinen Sohn. Und Jesus zeigt uns diese Liebe durch seine ganze Haltung: Er sei nicht gekommen, um zu richten, sondern um zu retten. Es wird so viel geurteilt, verurteilt, verachtet und gerichtet. Jesus ist gekommen, um aufzurichten, zu heilen, zu ermutigen und zu retten. So schön diese Botschaft ist, Jesus macht eines klar: Du kannst sie nur glauben. Du kannst nur darauf vertrauen. Aber es lohnt sich!
In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodemus: Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass es seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.