Amnesty International Österreich, Generalsekretär Heinz Patzelt
Amnesty International Österreich, Generalsekretär Heinz Patzelt
Generalsekretär Heinz Patzelt von Amnesty International Österreich spricht über die Menschenrechtsverletzungen im Irak und wie er abseits seiner Arbeit zur Ruhe kommt.
Weltweit ist man noch immer schockiert über die veröffentlichte Enthauptung des US-Journalisten James Foley. Die Jihadisten Islamischer Staat scheinen immer brutaler vorzugehen. Wie erklären Sie sich diese Zunahme an Gewalt?
Heinz Patzelt: Da gibt es kein Augenzwinkern und kein Verständnis für Freiheitskämpfer. Das, was IS im Nordirak und im angrenzenden Gebieten anrichtet, ist blanker Terror. Das ist größter Missbrauch einer Religion und einfach nur grauenhaft.
Trotzdem ist es auch notwendig, sich über Ursachen zu unterhalten. Das Land wurde laut US-Regierung befreit von Saddam Hussein. Wer aber ein Land besetzt, trägt auch Verantwortung. Es dürfen nicht nur die strategischen und ökonomischen Ziele im Vordergrund stehen. Wenn man zudem noch höchst fragwürdig legitimierte Regierungen unterstützt, dann steigt diese Verantwortung. Das betrifft die vorhergehende und derzeitige amerikanische Regierung.
Wegschauen wäre nun katastrophal, Bomben werfen ist sicher nicht sehr viel besser. Aber zu beobachten wie hier ein Völkermord passiert, wie zum Beispiel an den Yeziden und Christen, ist genauso nicht möglich. Trotzdem ist es notwendig über die Ursachen zu sprechen, ohne die aktuellen Täter in irgendeiner Form zu entschuldigen.
Haben Minderheiten im Irak noch eine Zukunft?
Wäre ich dort, würde ich alle Mittel und Wege in Bewegung setzen, um so rasch als möglich mich und meine Familie in Sicherheit zu bringen. Eine kurzfristige Zukunft oder Lösungen sehe ich definitiv keine.
Die Mitglieder der EU dürfen nun auch Waffen an kurdische Kämpfer im Irak liefern. Halten Sie das für die richtige Lösung?
Wer immer in einem Bürgerkriegsgebiet Waffen liefert, handelt zumindest mit einem enormen Risiko. Ich kann nicht sagen, man dürfe keine Waffen liefern. Weil zumindest ist die kurdische lokale Bevölkerung noch willig sich gegen den Terror zu stellen. Die Kurden ohne Ausrüstung gegen modernste Waffen, die die US-Armee dort zurückgelassen hat und die längst in den Händen der Jihadisten sind, antreten zu lassen, wäre wohl zynisch. Wahrscheinlich ist es die weniger schlechte Lösung, als gar keine Waffen zu liefern.
Die Angst vor den IS-Milizen scheint die Kurden zu einen. Sehen Sie die Geburt eines neuen Kurdenstaates?
Die kurdische Bevölkerung hat in diesem Vierländereck viele Jahrzehnte Elend erlebt. Ich würde mir wünschen, dass dieses Volk, wie auch immer, irgendwie in Frieden leben kann. Die große Sorge ist nur, dass dies wieder die nächste Fortsetzung eines Konfliktes wird. In der Region gibt es einige Regierungen, die diesen Kurdenstaat nicht sehen wollen.
Sie sind jeden Tag mit Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Sehen Bilder die niemand sehen will. Belastet Sie das im Privatleben?
Ich bin Gott sei Dank kein Menschenrechtsasket. Wenn man diese Bilder in den Träumen zu sehen beginnt und sich nicht mehr erlaubt, anderes Entspannendes, weit von Menschrechtsarbeit Entferntes zu unternehmen, dann muss man sofort mit der Tätigkeit aufhören. Erholung finde ich in einem wunderschönen Familienhaus am Mondsee. Ansonsten haben Freunde noch einen Bauernhof im Waldviertel, der unendlich viel Ruhe und Friedfertigkeit ausstrahlt. Dort kann ich tischlern. Eine herrliche Methode abzuschalten, wenn man mit eigenen Händen ein nachhaltiges Produkt schaffen kann. Zudem fotografiere ich sehr gerne. Das ist auch sehr geruhsam.
Neben Studium und Beruf waren Sie viele Jahre ehrenamtlich beim Malteser Hospitaldienst im Einsatz. Hat Sie diese Zeit geprägt?
Zum damaligen Zeitpunkt waren die Malteser unendlich spannend und vielfältig: Von Behindertenarbeit über Rettungsfahren bis hin zu Erste-Hilfe- und Katastropheneinsätzen. Ich habe auch im Antikschmuckhandel gearbeitet. Da lernt man das Klinkenputzen. Aber das ehrenamtliche Arbeit unverzichtbar wertvoll ist, ist sicher eine Malteser Prägung.
Der Hospitaldienst gehört bekanntlich den Malteser Ritterorden an. Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Ich selbst bin eingetragener Katholik. Salopp gesagt, habe ich mit der "Bodenorganisation" durchaus meine Probleme. Aber ich bin ganz fest davon überzeugt, jenseits jedes mathematischen Beweises, dass es da mehr gibt als dieses eine Leben. Dass der Tod eine Übergangsphase ist und dass es auch ordnende Kräfte gibt. Entsetzlich finde ich, wenn Religion von anderen Menschen dazu missbraucht wird, Menschrechtsverletzung zu begehen. Das ist der falsche Weg und gilt für alle Religionen der Welt. Ich würde mir öfter wünschen, dass alle Religionsführer Missbrauch in aller Lautstärke entgegentreten.
Amnesty International Österreich
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Das vollständige Interview mit Heinz Patzelt können Sie auf Radio Stephansdom nachhören. http://www.radiostephansdom.at/podcast/perspektiven/ |
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