Erhebent die Herzen! Wie einen Gottesdienst inszenieren die Fans im Fußballstadion das Spiel und zelebrieren ihre Mannschaft.
Erhebent die Herzen! Wie einen Gottesdienst inszenieren die Fans im Fußballstadion das Spiel und zelebrieren ihre Mannschaft.
Im Fußball geht es um Leben und Tod? Nein, es ist ernster.
Jeden Sonntagmorgen fahre ich von einer Pfarre zur anderen, um die Sonntagsgottesdienste mit den Gläubigen der Gemeinden zu feiern.
In den letzten Jahren fällt mir am Weg dorthin vermehrt auf, dass sich genau an diesen sonntäglichen Vormittagen viele Leute nicht in der Kirche aufhalten, um sich ihrem Glauben und ihrem Gebet zu widmen, sondern sich stattdessen aufs Fahrrad schwingen, Joggen gehen, Tennis spielen, Fußball spielen, sich einfach gesagt mit Sport befassen.
Da stellt sich mir die Frage: Hat der Sport in unserer Gesellschaft den Platz der Religion eingenommen?
Als Paradebeispiel dafür können wir den Fußball nehmen. „Es ist natürlich ein Unsinn, zu behaupten, dass es beim Fußball um Leben und Tod geht. Fußball ist viel ernster.“ Dieser Satz existiert in mehreren Variationen und wird verschiedenen Leuten zugeschrieben.
Für Leben und Tod ist die Religion zuständig, wenn etwas noch ernster ist, muss eine noch wichtigere Kraft dafür namhaft gemacht werden.
Möglicherweise ist es auch so, dass für manche heute der Fußball die religiösen Gefühle bedient und dadurch eine religiöse Inszenierung im Sport notwendig ist. Eine berechtigte Überlegung.
Auch der Theologe Hans Küng weiß, dass Sport und Fußball für viele Menschen weit mehr ist als ein Massenspektakel: „Der Fußball kann eine ernsthafte Konkurrenz sein zur Religion, er kann Ersatzreligion werden. Man spricht ja sogar vom Gott Fußball. Und das Ritual im Stadion zeigt deutliche Parallelen zur Liturgie: Wenn der Pokal hochgehoben wird, erinnert das an das Zeigen der Monstranz.
Aber nicht das einzelne Phänomen als solches ist entscheidend, sondern die gesamte Stimmung, die dem einzelnen suggeriert, das, was er gerade erlebt, sei das Größte.“
Fußball ist schon lange eine säkulare Religion. Vielleicht war er es schon immer. Der Mensch findet darin Heimat in seiner „Kirche“ – dem Verein, der Nationalmannschaft.
Er weiß sich mit anderen auf dem gemeinsamen „Glaubensweg“ – den Fans mit ihren Liedern. Er trägt sein Sonntagsgewand in der Kirche – das Trikot im Stadion. Die Prozession zieht ein und das Spiel beginnt – Einlaufen und Anpfiff. Und der Fan glaubt an seine Mannschaft, hofft auf deren Sieg und liebt seine Stars. Maximale Heilungschance bei minimalem Risiko.
In meinem Buch „Sport – Eine neue Religion?“ finden sich unterschiedliche Profi-Sportler, unterschiedliche Schicksale, die alle auf ihre eigene Art und Weise den Sport aber auch ihren Glauben zu Gott leben.
Die einzelnen Persönlichkeiten erzählen eindrucksvoll, wie es für sie möglich ist, Sport und Religion zu verbinden, wie sie ihren Glauben als Routinehilfsmittel vor Wettkämpfen einsetzen, wieviel Religion im Sport steckt und wie essentiell schließlich der Glaube bei der Ausführung des Sportes/des Berufes ist.
Željko Odobaši´c ist Pfarrer in Trausdorf im Burgenland und begeisterter Fußballer.
Der Sport kann zur Religion hinführen
Der Fußball kann eine wichtige Lebensschule sein, doch wie jede Schule verliert er seinen Sinn, wenn er zum Selbstzweck wird.
Für mich ist wichtig: Sport muss Sport bleiben – Sport darf nicht Religion werden. Der Sport kann hinführen zur Religion, ohne selbst Religion zu sein.
Der gebürtige Bosnier Željko Odobaši´c ist Gründer der Österreichischen Fußball-Nationalmannschaft der Priester und hat die Priester-Europameisterschaft ins Leben gerufen.
Er leitet „Kirche und Sport“ in der Diözese Eisenstadt.
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien