P. Thomas Gabriel Brogl: „Ich hatte mir lange nicht vorstellen können, in einen Orden einzutreten. Prägend für mich war die dominikanische Spiritualität.“
P. Thomas Gabriel Brogl: „Ich hatte mir lange nicht vorstellen können, in einen Orden einzutreten. Prägend für mich war die dominikanische Spiritualität.“
Die Dominikaner feiern 2016 ihr 800-jähriges Bestehen. Im SONNTAG-Sommergespräch schildert der Provinzial der süddeutsch--österreichischen Provinz, P. Thomas Gabriel Brogl, warum man früher von den „Hunden des Herrn“ sprach, was es bedeutet Ordensmann zu sein und wie viel Buntheit es dabei gibt.
DER SONNTAG: Das dominikanische Ordenskleid hat die Farben weiß und schwarz? Wie authentisch sind diese?
P. THOMAS GABRIEL BROGL: Wenig schwarz und weiß, sondern mit vielen Farbtönen. Das war eines der ersten Dinge, die mich am Orden fasziniert haben, wie bunt und unterschiedlich die Brüder sind.
Uns verbindet ein gemeinsamer Auftrag, das Verkünden der Frohen Botschaft an die Menschen. Ansonsten legen wir sehr viel Wert auf Individualität. Dass der Einzelne sein Charisma, seine Fähigkeiten entfalten kann.
War Ordensgründer Dominikus die Buntheit wichtig?
P. THOMAS GABRIEL BROGL: Er hat den Orden auf Flexibilität und Individualität hin angelegt. Als einer der ersten Orden hat er die Dispenspraxis eingeführt. D.h. wenn ein Mitbruder ein Seelsorgegespräch führt, hat das Vorrang gegenüber dem Chorgebet.
Wie gehen Sie als Ordensoberer damit um?
P. THOMAS GABRIEL BROGL: Wir sind ein sehr individueller Haufen. Diesen Ameisenhaufen zusammenzuhalten ist spannend, das hält uns aber lebendig. Mitbrüder bringen ihre Ideen ein. Einförmigkeit ist nicht gegeben und nicht wichtig.
Was hat Dominikus Anfang des 13. Jahrhunderts zur Gründung des Ordens gebracht?
P. THOMAS GABRIEL BROGL: Er war Domherr und auf einer Heiratsmission unterwegs für seinen Fürsten. In Südfrankreich kam er in Kontakt mit den Katharern. Heute würde man sie als eine Art Sekte bezeichnen. Es gab zwei Götter bei ihnen und alles Irdische rechneten sie dem Teufel zu.
Aus einer Begegnung mit einem Wirt, einem Katharer, mit dem er eine Nacht lang diskutierte, entstand seine Idee für den Orden, denn er erkannte im Denken der Katharer eine Sackgasse.
Dominikus hängte seine kirchliche Karriere an den Nagel, blieb in der Gegend, predigte und versuchte, die Leute zu überzeugen, dass das nicht der richtige Weg ist. Er war arm und nicht so, wie die Kirche damals, sehr reich und mit entsprechendem Bildungshintergrund.
Warum haben die Dominikaner ihre Gründungen immer in Städten gemacht?
P. THOMAS GABRIEL BROGL: Vor 800 Jahren entstanden in den Städten auch die Universitäten. Es gab in dem Gebiet keine Orden. Dominikus hatte wie Franziskus die Idee, in die Städte zu gehen, um dort zu sein, wo das Leben ist.
Wie geschieht das heute?
P. THOMAS GABRIEL BROGL: Jeder Konvent muss sich die Frage stellen, was in dieser Stadt gefordert ist. Zum Teil sind wir stark in der Universitätsseelsorge tätig. Manche Kirchen sind Gesprächskirchen, wo wir zur Seelsorge und Beichte einladen.
In Wien haben wir einen Akzent mit einer „Schule christlicher Spiritualität“. Das ist der Versuch, das alte Kloster, der ein Ort der Ruhe und Stille ist, für die Menschen zu öffnen.
Für jene, die spirituelle Vertiefung suchen, auch bewusst Leute, die sich von der Kirche abgewandt haben und dennoch spirituell auf der Suche sind. Für die haben wir ein Angebot mit den dominikanischen Mystikern wie Meister Eckhart, Johannes Tauler und Katharina von Siena.
Wie gehen die Dominikaner mit den dunklen Kapiteln ihrer Historie um?
P. THOMAS GABRIEL BROGL: Uns war wichtig, als das große Jubiläumsjahr ausgerufen wurde, dass wir uns diesen ganz bewusst stellen. 800 Jahre Dominikaner sind nicht nur Licht, sondern da gibt es genug Schatten.
Der bekannteste ist sicherlich die Inquisition. Man hat sich dem Thema in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr ausführlich gestellt.
Heute geht es darum, was Fanatismus heißen und bewegen kann. Da haben wir mit unserer Geschichte einen besonderen Auftrag, darauf zu schauen, nach der Wahrheit zu suchen, aber auch zu versuchen, alles was mit Fanatismus zu tun hat, Einhalt zu geben, so gut wir es können.
Die Dominikaner gelten historisch als „Hunde des Herrn“, warum?
P. THOMAS GABRIEL BROGL: Das hat einerseits mit dem erwähnten dunklen Kapitel der Inquisition zu tun, andererseits wurde Dominikus immer mit einem kleinen Hund mit Fackel dargestellt.
Das geht auf einen Traum seiner Mutter zurück, die kurz vor seiner Geburt davon geträumt hat, dass aus ihrem Schoß ein Hündchen entspringt, mit einer Fackel im Maul, und dass dieses Hündchen die Welt mit dem Feuer der Liebe Gottes entflammt.
Mögen Sie Hunde?
P. THOMAS GABRIEL BROGL: Ich habe Hunde sehr gern, wir haben im Konvent aber keinen. Aber beim Gruppenbild beim Generalkapitel in Rom werden wir wieder eines mit einem Dalmatiner machen. Es ist und bleibt unser Maskottchen.
Warum sind Sie Dominikaner geworden?
P. THOMAS GABRIEL BROGL: Ich habe mir lange nicht vorstellen können, in einen Orden einzutreten. Mit 25 Jahren bin ich eingetreten.
Was mich fasziniert hat, war die dominikanische Spiritualität, aus der ich wertvolle Impulse erfahren habe.
Beim Studium war das Ideal „Semper studere“, immer am Ball zu bleiben, sich Fragen zu stellen, die aus der Gesellschaft kommen, theologische Weiterbildung und die Form der Gemeinschaft.
Dominikaner gelten als „Predigerbrüder“. Was macht eine gute Predigt aus?
P. THOMAS GABRIEL BROGL: Sie muss aktuell sein, ein Aha-Erlebnis vermitteln und versuchen, das Evangelium mit der Gegenwart in Verbindung zu bringen. Und sie soll den Menschen aufrichten und motivieren, in seinem Leben etwas umzusetzen, sie muss konkret sein.
Provinzial P. Thomas Gabriel Brogl OP hat in Augsburg, Rom und Freiburg Theologie studiert und ist nach dem Abschluss seiner Studien in den Dominikanerorden eingetreten. Nach der Übernahme der Pfarrei St. Martin in Freiburg war er Ausbildungsleiter und Finanzverwalter in Wien.
Sein besonderes Augenmerk gilt der Spiritualität in Wissenschaft und Praxis. Er leitet die neu errichtete „Schule christlicher Spiritualität“ im Wiener Dominikanerkloster.
Buchtipp:
HRSG: Johannes Bunnenberg; Aurelia Spendel
Dominikanisches Jahreslesebuch
2016, Pustet, F
Auflage: 1. Auflage
Hardcover
400 Seiten
ISBN: 978-3-7917-2770-7
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HRSG: Elias H. Füllenbach
800 Jahre Dominikanerorden
2016, Pustet, F
Auflage: 1. Auflage
Hardcover
360 Seiten
ISBN: 978-3-7917-2757-8
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Buchkritik: siehe "für Sie gelesen": Mit der Kraft des Wortes
weitere Artikel:
- Beten mit dem hl. Dominikus
- Eine Serie des SONNTAG: Teil 1 von 3
Dominikaner gestern und heute
P. Thomas Gabriel Brogl im Sommergespräch mit Stefan Hauser. Montag, 8. August, 17.30 Uhr auf radio klassik Stephansdom.
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien