Kardinal Franz König beim Breviergebet während eines Urlaubsaufenthalts in den Alpen.
Kardinal Franz König beim Breviergebet während eines Urlaubsaufenthalts in den Alpen.
Vor 111 Jahren, am 3. August 1905, wurde Franz König in Warth bei Rabenstein an der Pielach geboren. Wer war der Mann, der drei Jahrzehnte das Steuerruder des Kirchenschiffes in seinen Händen hielt?
An der nördlichen Chorwand der österreichischen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima in Rom erinnert ein monumentales Grabdenkmal noch heute an Hadrian VI. (+1523), den letzten nichtitalienischen Papst bis zur Wahl von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1978.
Im Zentrum seines Epitaphs findet sich ein oftmals zitierter Denkspruch, welcher das Wirken dieses Papstes, der trotz größten Mühen letztlich an den ungünstigen Zeitumständen scheiterte, knapp und zutreffend mit den Worten charakterisiert: „Ach, wieviel hängt doch davon ab, in welche Zeit auch des besten Mannes Wirken fällt!“
Die Zeit, in welche das Wirken Kardinal Königs für die Wiener Erzdiözese fiel, stand ohne Zweifel unter einem unvergleichlich günstigeren Stern. Wie schon in der ersten Folge dieser Serie festgestellt, war es alles andere als eine ruhige Zeit.
Es war keine Zeit für furchtsame Zauderer, aber auch keine Zeit für Hardliner. Es war, rückblickend, eine Zeit des klugen, aber nie standpunktlosen Kompromisses im Umgang mit – wie Paul Zulehner es in seiner 1991 erschienen europäischen Wertestudie treffend formulierte – „Untertanen“, die sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehr oder weniger unmerklich in „Freiheitskünstler“ verwandelt hatten.
Die Kirche als zunehmend aktiver Partner der Gesellschaft des Landes war davon merkbar mitbetroffen.
Wer war nun der Mann, der in dieser Zeit das Steuerruder des Kirchenschiffes in seinen Händen hielt?
Ein Satz aus seiner ersten Ansprache bei seiner Inthronisation als Erzbischof von Wien am 17. Juni 1956 im Dom zu St. Stephan macht es deutlich:
„Der festliche Glanz des erstens Einzuges hat mich nicht gehindert, mir gleichzeitig auch meinen letzten Auszug als Toten vorzustellen, wenn ich dann den Rechenschaftsbericht abzulegen habe über meine Verwaltung. Das ist ein nützlicher und heilsamer Gedanke.“
Der neue Erzbischof dachte die Dinge zu Ende, ganz im Sinne des alttestamentarischen Buches Jesus Sirach 7,36: „Bei allem, was du tust, denk an das Ende, so wirst du niemals sündigen.“
„Respice finem- denk an das Ende“ – der neue Erzbischof dachte bei allem, was er tat, an die Zukunft. Das wurde ihm offenbar als Geschenk in die Wiege gelegt.
Sein Interesse an fremden Sprachen und Religionen von Kindheit an, der Gedanke an die Vergänglichkeit, die Zerbrechlichkeit alles menschlichen Tuns angesichts der Ruinen des Forum Romanum ließen bereits in dem Theologiestudenten in Rom erstmals die fortan nie mehr verstummenden drei Fragen nach dem Woher, dem Wohin und vor allem dem Wozu des Menschenlebens anklingen. Sie wurden im Verlauf seines langen Lebens gleichsam zum „Markenzeichen“ für eine Lebenshaltung, die sich selbst keinen Augenblick der Gedankenlosigkeit gestatten wollte, die sich vielmehr immer ihres ununterbrochenen „Unterwegsseins“ bewusst war, nie statisch, sondern dynamisch ausgerichtet hin auf ein letztes großes Ziel.
Ein besonderes Interesse Franz Königs galt Zeit seines Lebens dem Studium der Religionen der Menschheit und ihrem Verhältnis zu Jesus Christus und führte ihn zu der festen Überzeugung, dass Religion zum Wesen des Menschen gehört und dass sie ihren Ausdruck findet im persönlichen Gebet als der unmittelbarsten Verbindung zu Gott.
Im Verlauf seines langen Lebens wuchs sein Vertrauen, dass Gott niemanden im Stich lässt, der „ohne Wenn und Aber“ auf ihn baut.
Die Konsequenz eines solchen Weges war das Geschenk der Furchtlosigkeit.
Kardinal König hatte keine Angst, dass irgendetwas seiner Kirche so sehr schaden könnte, dass sie zugrunde geht. Er war überzeugt, dass Gott sein Werk nie im Stich lässt - oft und gerne hat er jene Stelle aus der Apostelgeschichte (5,38) zitiert, wo der angesehene Gesetzeslehrer Gamaliel die Mitglieder des Hohen Rates davor warnt, die Apostel zu töten, denn „wenn dieses Werk von Menschen stammt, wird es zerstört werden, stammt es aber von Gott, so könnt ihr sie nicht vernichten; sonst werdet ihr noch als Kämpfer gegen Gott dastehen.“
So gerüstet konnte er ohne jede Berührungsangst vieles zulassen, konnte Brücken bauen, sowohl innerhalb der Kirche als auch zu den unbekannten Ufern anderer Religionen und Weltanschauungen.
Er hat sich dabei oft weit über die Mitte hinausgewagt, auf schwankenden Stegen, im Gespräch mit Andersdenkenden in Kirche und Gesellschaft, weil er überzeugt war: Gott ist immer der Gesprächsleiter.
In dieser Gewissheit konnte er im Vertrauen darauf, dass überall unerwartet Gutes wachsen kann, wie es im Evangelium heißt, warten bis zum Tag der Ernte, was oft große Achtsamkeit und Nervenkraft erforderte.
Und mehr als auf schöne Worte baute er selbst auf das Beispiel des Lebens:
Diese Haltung kam besonders in der für die gesamte Kirche sehr bewegten nachkonziliaren Zeit zum Tragen. Das Konzil war nach seinen eigenen Worten „die hohe Zeit seines Lebens“ und er verstand es, den Kairos, die Chance des Augenblicks zu nutzen.
Seiner Überzeugung nach hatte Gott selbst seiner Kirche mit dem Konzil genau im richtigen Moment das notwendige Rüstzeug bereitgestellt, um im Widerstreit neuer Ideen und Wertmaßstäbe in einer pluralistischen, zugleich aber immer mehr einswerdenden Welt des dritten Jahrtausends zu bestehen.
Unermüdlich rief er seinen Diözesanen die „unverzichtbaren und wegweisenden“ Impulse des Konzils in Erinnerung:
Eine große Sorge seiner letzten Lebenszeit war der schwierige Dialog der drei großen monotheistischen Religionen, der Juden, Christen und Muslime, den er im Hinblick auf den Weltfrieden für besonders bedeutsam hielt.
Als „oberster Seelsorger“ seiner Diözese, der seine Tätigkeit sehr ernst nahm, zog er ganz konkrete praktische Konsequenzen.
Bereits 1964, noch während des Konzils, gab er von Rom aus den Auftrag zur Vorbereitung einer Diözesansynode, um die Konzilsbeschlüsse von der Weltebene möglichst unverkürzt auf die Diözesanebene zu transferieren.
Er ermöglichte dadurch eine entscheidende zukunftsorientierte Weichenstellung der diözesanen pastoralen Arbeit, vor allem auch im Hinblick auf die religiöse Bildung der Laien als zunehmend wichtige und notwendige Verantwortungsträger in der Kirche.
Insgesamt war sein Kirchenbild, geprägt vom Konzil, ein ermutigendes: Für ihn war „Kirche“ nie die kleine Herde von Auserwählten, für ihn waren immer auch die vielen Fragenden und Suchenden Angehörige der Kirche.
Kardinal König ist sein ganzes Leben, trotz zahlreicher im Auftrag des Vatikans erfüllter weltweiter Verpflichtungen, in allererster Linie Seelsorger geblieben.
Auch nach dem Ende seiner Amtszeit als Erzbischof von Wien am 16. September 1985 bemühte er sich noch fast zwanzig Jahre unverdrossen, gemeinsam mit den Menschen eine Antwort zu finden auf seine berühmten drei Fragen, an denen keiner und keine im Leben ganz vorübergehen kann.
Gemeindebüro
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Tel.: 06.68.28.18.02 / 06.68.80.13.94
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Email: gemeinde@pisma.it
Serie
"Kirche in bewegten Zeiten": Die Erzdiözese Wien unter Kardinal König; 1956 bis 1985.
Folge 1:
Es begann, als es noch kein Fernsehen gab von: Der SONNTAG / Michael Prüller
Dokumente des II. Vatikanischen Konzils
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