Das neunte und das zehnte Gebot appellieren und mahnen, die Sphäre des Mitmenschen auch gedanklich zu achten und zu schützen.
Das neunte und das zehnte Gebot appellieren und mahnen, die Sphäre des Mitmenschen auch gedanklich zu achten und zu schützen.
Neuntes und Zehntes Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut.
Du wirst nicht das Haus deines Nächsten begehren.
Du wirst nicht die Frau deines Nächsten, seinen Sklaven und seine Sklavin, sein Rind und seinen Esel und alles, was deinem Nächsten gehört, begehren.
Ein Kommentar von Julia Feldbauer, Theologische Kurse, Universität Salzburg, Fachbereich Praktische Theologie, Moraltheologie und Spirituelle Theologie.
Das neunte Gebot „Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen!“ ist das sogenannte Begehrensverbot und gehörte formal bis zur Trennung durch Augustinus mit dem zehnten Gebot „Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen“ zusammen.
In der Bibel ist das Gebot in zwei verschiedenen Fassungen in Dtn 5, 21 und Ex 20, 17 zu finden, wobei exegetisch umstritten ist, welche der beiden Versionen die ältere Fassung ist.
In der Exodus-Fassung wird das Haus an erster Stelle genannt und danach erst die Frau als Teil des Besitzes, der zum „Haus“ gehört. Im Gegensatz dazu zieht die Deuteronomium-Fassung die Frau vor und trennt sie vom Haus, dem Besitz des Mannes, ab. Sie erhält damit eine Sonderstellung, was auf eine Entwicklung und Verbesserung der sozialen Stellung der Frau innerhalb des patriarchalen Ethos des Alten Testaments hinweisen könnte.
Als weiterer Unterschied zwischen Exodus und Deuteronomium sind die beiden unterschiedlichen Verben „chamad“ und „awah“ im hebräischen Original zu nennen. Für „chamad“ gibt es unterschiedliche Übersetzungsmöglichkeiten wie „begehren“ und „verlangen“. Es beschreibt nicht nur das Begehren in Gedanken, sondern auch die Tat an sich, die der innerlichen Vorbereitung einer Handlung auf dem Fuß folgt. Im Gegensatz dazu bezeichnet „awah“ in der Deuteronomium-Fassung eher ein inneres Streben.
Das Gebot unterscheidet sich also vom Diebstahlsverbot in dem Sinn, dass nicht nur das tatsächliche Stehlen, sondern bereits der Gedanke, das innere Verlangen verboten ist. Außerdem kann es als eine Erweiterung des Ehebruchverbotes gesehen werden, da alle Bestrebungen, die Frau eines anderen zu erobern, untersagt sind.
Die beiden Begehrensverbote bezeugen, wie gut das Alte Testament den Menschen und seine Psyche kennt: Handlungen bereiten sich normalerweise in Herz und Kopf von Menschen vor und „fallen nicht einfach vom Himmel“. Beide Gebote können also als Aufforderung verstanden werden, sich den eigenen Wünschen und Gedanken ehrlich und selbstkritisch zu stellen und manch innere Aufräumarbeit zu leisten.
Ganz sicher will weder das neunte noch das zehnte Gebot Menschen überfordern im Sinne von: "Erlaube Dir keine Träume und keine Emotion!" Der Wunsch nach einem erfüllten Leben, selbst die Sehnsucht nach der Traumfrau oder dem Traummann ist legitim. Doch gilt es, mit solchen Wünschen und den damit verbundenen Emotionen verantwortlich umzugehen und sie nicht einfach unreflektiert auf Kosten anderer auszuleben. Wie alle Gebote unterstreichen das neunte und zehnte Gebot die Notwendigkeit, den Mitmenschen in seiner Würde immer im Blick zu behalten - auch wenn starke Begehrlichkeiten im Spiel sind.
Das neunte und das zehnte Gebot wiederholen das vorher bereits Gesagte und setzen es als bekannt voraus. Doch etwas theoretisch zu wissen ist etwas anderes als es auch in der Praxis zu tun oder zu lassen. Beide Gebote appellieren und mahnen, die Sphäre des Mitmenschen auch gedanklich zu achten und zu schützen. Theologische Ethik spricht hier von "Paränese", Ermahnung an die innere Gesinnung von Menschen. Menschen und ihre Beziehungen sind nicht nur in der Tat, sondern auch in Gedanken zu respektieren.
( 53997 )
Die zehn Gebote - eine Einleitung
1. Gebot: Du sollst den Herrn, deinen Gott anbeten und ihm dienen
2. Gebot: Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren
3. Gebot: Du sollst den Tag des Herrn heiligen
4. Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren
5. Gebot: Du sollst nicht töten
6. Gebot: Du sollst nicht die Ehe brechen
7. Gebot: Du sollst nicht stehlen
8. Gebot: Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen
9. und 10. Gebot: Begehren
Weiterführende Literatur zu den 10 Geboten |
|