Letztlich schützt das siebte Gebot die Würde der Person und ihre Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Letztlich schützt das siebte Gebot die Würde der Person und ihre Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Siebtes Gebot. Du wirst nicht stehlen. Doch, was soll denn nicht gestohlen werden?
Ein Kommenatr von Lukas Zaminer, Theologische Kurse, Universität Salzburg, Fachbereich Praktische Theologie, Moraltheologie und Spirituelle Theologie.
Das Diebstahlverbot in Ex 20,15/Dtn 5,19 ist das dritte der Kurzgebote, die grundlegende Vergehen gegen das Zusammenleben von Menschen formulieren. Wie beim Tötungsverbot fehlt auch hier die Objektergänzung: Was soll denn nicht gestohlen werden?
Die Antwort in Zeiten des Alten Testaments lautete erstens: das Vieh. Es bedeutete für die damals lebenden Menschen die Existenzgrundlage. Tierhaltung garantierte Nahrung wie Fleisch und Milcherzeugnisse, aber auch Arbeitskraft für die Feldarbeit. Nur ein Vollbürger besaß Grund und Vieh, war frei und selbstständig.
Eine zweite Antwortmöglichkeit lautet: Der israelitische Mitbürger. Dtn 24,7 und Ex 21,16 berichten von Entführung und Sklavenhandel. Beides raubt einem Menschen die Freiheit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Das Diebstahlverbot schützt also die Freiheit des israelitischen Vollbürgers vor gewalttätigen Zugriffen gewinnsüchtiger Mitbürger. Alle weiteren, von ihm abhängigen Personen (Frauen, Kinder, Sklaven) und sein Eigentum werden im neunten und zehnten Gebot vor unrechtmäßigem Zugriff geschützt.
Das siebte Gebot muss also zunächst als Schutz von Eigentum und Freiheit des Menschen interpretiert werden. Es weist aber auch einen inneren Zusammenhang mit dem Tötungsverbot auf: Dem Nächsten an Hab und Gut zu schaden, indem es ihm unrechtmäßig genommen oder auch vorenthalten wird, bedeutet eine Form der indirekten Tötung. Einem Hungrigen z.B. Wasser und Brot zu nehmen oder erst gar nicht zu geben, kommt einer Tötungshandlung gleich.
Positiv formuliert fordert das siebte Gebot ein Handeln in Gerechtigkeit und Liebe. Das Privateigentum und der Ertrag der täglichen Arbeit sind zu achten und so zu verwalten, dass sie dem Gemeinwohl zu Gute kommen, wie es der Weltkatechismus in Nr. 2401 formuliert. Auf dem Hintergrund des Glaubens an einen gerechten Gott, der sich im Alten Testament als Anwalt der Armen offenbart, fordert das Diebstahlverbot die Solidarität mit den sozial Schwachen ein: Wer genug hat, soll Armen keinen Anlass geben, sich die Grundlage zu ihrem Leben von jemand anderem stehlen zu müssen.
Solidarischer Einsatz für andere - sei es in Form von Sach- und Geldspenden sowie Aufmerksamkeit und Zeit - ist jedoch nicht nur Forderung an den Einzelnen, sondern auch Forderung an die Gesellschaft. Im 7. Gebot findet sich eine theologische Begründung für die politische Notwendigkeit, ein funktionierendes Sozialwesen zu schaffen. Es gilt, der Verletzung des Rechts auf Privateigentum zuvorzukommen.
Von der Wirtschaft fordert das siebte Gebot die faire Entlohnung von Arbeit, Chancengleichheit und einen gerechten Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Politik ist aufgerufen, territoriale und kulturelle Grenzen zu achten und zu sichern und faire Rahmenbedingungen zu schaffen.
Im alltäglichen Umgang wiederum muss gegenseitiger Respekt gewahrt werden. Jeder Mensch hat seine persönliche Würde, die zu achten ist und körperliche, seelische und geistige Integrität umfasst.
Das Diebstahlverbot kann daher im weiteren Sinne nicht nur auf Entführung und Menschenhandel, Vergewaltigung und Prostitution, sondern auch beispielsweise auf Plagiat und Patentenraub angewendet werden. Seine Wahrung fordert ein hohes Maß an Commitment und Verantwortung für eine ausgleichende und verteilende Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Letztlich schützt das siebte Gebot die Würde der Person und ihre Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
( 53995 )
Die zehn Gebote - eine Einleitung
1. Gebot: Du sollst den Herrn, deinen Gott anbeten und ihm dienen
2. Gebot: Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren
3. Gebot: Du sollst den Tag des Herrn heiligen
4. Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren
5. Gebot: Du sollst nicht töten
6. Gebot: Du sollst nicht die Ehe brechen
7. Gebot: Du sollst nicht stehlen
8. Gebot: Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen
9. und 10. Gebot: Begehren
Weiterführende Literatur zu den 10 Geboten |
|