Wie feiern Gemeinden in der Erzdiözese Wien Gottesdienst? Wie vielfältig ist das Leben in den Kirchen? Das war Thema beim Studientag Liturgie der Erzdiözese Wien.
Wie feiern Gemeinden in der Erzdiözese Wien Gottesdienst? Wie vielfältig ist das Leben in den Kirchen? Das war Thema beim Studientag Liturgie der Erzdiözese Wien.
In seinem Vortrag beim Studientag „Liturgie baut Kirche auf“ am 16. Jänner in Wien erläuterte der Wiener Pastoraltheologe Johann Pock den inneren Zusammenhang von Kirchenbildern und der Liturgie.
„Die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil angestoßene Reform der Liturgie schloss eine ganze Ekklesiologie, eine ganze Lehre von der Kirche mit ein, wie der Berater des Kölner Kardinals Joseph Frings beim Konzil, Joseph Ratzinger, sagte“: Dies unterstrich der Wiener Pastoraltheologe Johann Pock beim Studientag „Liturgie baut Kirche auf“ des Pastoralamts am 16. Jänner in Wien.
In seinem Vortrag über „Kirchenentwicklung durch Liturgie – Liturgie angesichts von kirchlichen Umbrüchen“ betonte Pock, dass es „einen Zusammenhang zwischen dem Feiern unserer Gottesdienste und der Entwicklung unserer Gemeinden bzw. unserer Kirche gibt: An unseren Feiern erkennt man, was wir für eine Kirche sind – und umgekehrt: mit unserem Feiern können wir unsere Kirche auch mit gestalten“.
Pock: „Als eine der wichtigsten Errungenschaften der Liturgiereform gilt, dass die Liturgie nun nicht mehr primär eine Kleriker-Liturgie ist und die Messe vom Priester ,gelesen‘ wird, sondern dass es um ein gemeinsames Feiern geht mit unterschiedlichen, einander zugeordneten Diensten, mit gemeinsamen Gebeten und Gesängen, mit unterschiedlichen Haltungen und Handlungen.“
Aktive Beteiligung beginne „bereits im Vorfeld von Liturgie, im Einbeziehen von möglichst vielen Personen. Mehrere Rückmeldungen in der Studie zeigten uns, dass es häufig eine Priesterverantwortung für die Messfeiern gibt und eine Laienverantwortung für die Wortgottesdienste“. Für Pock ist es ganz wesentlich, „dass es vermutlich mehr Gespräch und Austausch über das Verständnis von Liturgie zwischen den Priestern, den haupt- und ehrenamtlich für Liturgie Verantwortlichen, und den Mitfeiernden geben sollte“.
Das II. Vatikanische Konzil habe „die katholische Kirche reformiert und an ihre Wurzeln zurückgeführt“: Sie ist Volk Gottes – also ein Volk, das unter der Leitung Gottes unterwegs ist in dieser Zeit; ein Volk, das niemanden ausschließt. Sie ist Leib Christi – eine Gemeinschaft, deren Haupt Christus ist; die aus vielen Gliedern besteht mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Aufgaben; die sich um die Eucharistie versammelt; sie ist Tempel des Heiligen Geistes – also eine Gemeinschaft, die „charismatisch“ ist, mit dem Beistand und der Führung des Heiligen Geistes versehen. Und sie ist Sakrament – also Zeichen und Werkzeug für das Heil, das sie selbst nicht schaffen kann; sie ist nicht „societas perfecta“ („perfekte Gesellschaft“), sondern pilgernd unterwegs.
Einer der Momente der Gründung unserer Kirche sei das „Letzte Abendmahl“, die Gründung der Tradition des Brotbrechens und Teilens des Kelches; die Stiftung der Eucharistie. Pock: „Und gerade das liturgische Feiern von der ersten Jüngergemeinde bis heute bewahrt hier die Erinnerung an diesen Jesus, der zugleich der Christus war und ist. Die Liturgie dient dazu, dass die Erinnerung nicht ein toter Text, sondern eine lebendige Erfahrung bleibt; dass Gott nicht nur als einer erinnert wird, der in vergangener Zeit etwas bewirkt hat – sondern dass er in diesem Feiern gegenwärtig, lebendig und lebendig machend ist.“
Kirche gibt es „nicht ohne Liturgie“. Hier nehme die Kirche ihren Ausgangspunkt. Das Konzilsdokument „Sacrosanctum Concilium“ spreche daher von der Liturgie als „Quelle und Höhepunkt“ christlichen Lebens. Pock: „Die Kirche ist eben nicht nur die Versammlung von Individuen, sondern diese Gemeinschaft hat einen eigenen Wert.“
Ein wesentliches Kennzeichen der Kirche ist, dass sie gewissermaßen mit zwei Lungenflügeln atme: Sammlung und Sendung. Zumeist wird die Liturgie der Sammlung zugeordnet, wie auch die „Koinonia“, der Gemeinschaftsaspekt von Kirche. Und Verkündigung und Diakonie werden der Sendung zugeordnet, der Wendung nach außen, der „Missio“. „Diese Einteilung macht zunächst etwas ganz Wichtiges sichtbar: Keiner der Lungenflügel ist wichtiger als der andere“, sagte Pock. „Es braucht beides, um dem Auftrag gerecht zu werden: Mitzuarbeiten am Wachstum des Reiches Gottes; dem Heil der Menschen zu dienen.“
Wenn es in der Erzdiözese Wien seit Jahren das Prinzip „Mission first“ gibt, so müsse zugleich gesagt werden: „Diese Mission, diese Sendung nach außen, gibt es nur in Verbindung mit der Sammlung“. Pock: „Aus der Feier des Christusgeheimnisses heraus, aus der Feier von Leben und Tod, von Gemeinschaft mit Christus und untereinander, ergeht der Auftrag und auch die Möglichkeit, diese Botschaft zu verkündigen.“ Zugleich bedeute dies aber auch: „Dem Gottesdienst ohne diesen Außenaspekt, ohne Mission und Diakonie, ohne die Sendung in die Welt, fehlt ein Lungenflügel.“
Pocks These: „In der Art, wie wir feiern, wird mehr von unserm Kirchenverständnis sichtbar, als man vielleicht meinen würde.“ Christus sei das Haupt der Kirche. Er ist es, der die Kirche leitet. „Wie wird dies in unserem Feiern sichtbar, dass bei aller menschlichen Leitung (Priester, Wort Gottes-Feier-LeiterInnen) es letztlich Christus ist, der leitet?“ Das II. Vatikanum mache das Gemeinsame Priestertum stark, dem das spezielle Priestertum, die geweihten Priester, zugeordnet sind. Pock: „In welcher Form wird dies sichtbar? Wie wird diese gemeinsame Würde ausgedrückt? Wird in unserem Feiern sichtbar, dass das Gemeinsame dem Speziellen Priestertum vorausgeht; dass das spezielle Priestertum im Dienst der Gemeinschaft steht?“
Liturgie und Sakramente seien „geprägt vom Geschenkcharakter“: Sie zeigen, dass das Leben nicht „machbar“ ist, sondern Geschenk und Auftrag. Pock: „Ist unsere Liturgie eher etwas Gemachtes – oder ist auch Raum dafür, sich beschenken zu lassen?“
In diesem Zusammenhang sei ein Wort des emeritierten Erfurter Bischofs Joachim Wanke hilfreich. Er hatte viel Erfahrung mit einer Gesellschaft, die nicht mehr christlich geprägt war. Und er hat auf einer Tagung seinen Seelsorgerinnen und Seelsorgern geraten: „Gebt den defizitären Blick auf.“
Pock: „Sie sollten nicht immer auf das schauen, was fehlt. Denn wer stets im Blick habe, was den Anderen zu einem christlichen Leben fehlt, könne kaum den inneren Freiraum gewinnen, bei Anderen ein Gespür für Religion zu wecken, ihnen Geschmack auf Gott zu machen und zu einer Alltags- und Lebensspiritualität anzuleiten.“ Wanke empfehle vielmehr den „inkarnatorischen Weg, der sich nicht zur Welt in Gegensatz setzt, sondern diese annimmt und darin verwandelt.“ „Das bedeutet, in den aktuellen Entwicklungen nicht darauf zu schauen, was weniger wird; was früher besser war. Sondern auch in dieser konkreten Gegenwart das Handeln Gottes zu sehen. Denn Gott ist in unsere Geschichte inkarniert, Mensch geworden“, betonte Pock.
Heute gehe es „vielleicht stärker als in früheren Zeiten der Kirche darum, mittels liturgischer Feiern Ressourcen zu bieten, aus denen Einzelne und auch Gemeinschaften bei ihrer Suche nach sinnerfüllter Identität schöpfen können“.
Für die Feier der Liturgie in pastoralen Großräumen im Angesicht der gesellschaftlichen Transformationsprozesse stelle sich „die Aufgabe einer Pluralität liturgischer Feierformen“. Pock: „Die alleinige Konzentration auf die Feier der Eucharistie führt bei aller Bedeutung und Notwendigkeit dieser Feierform für das Leben der Kirche in eine Sackgasse.“
„Die Veränderungen kirchlicher Strukturen sind somit nicht nur eine Folge von internen Faktoren, wie dem Priestermangel, sondern auch von gesellschaftlichen Änderungen“, unterstrich der Pastoraltheologe: „Daher überrascht es, dass die Liturgie in den diversen Pastoralplänen kaum eine zentrale Rolle spielt. Wenn somit über die Entwicklung von Kirche nachgedacht wird, muss auch die Entwicklung von Liturgie mitbedacht werden.“
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Liturgiereferat der Erzdiözese Wien
Eine exemplarische Momentaufnahme des liturgischen Lebens und der "Sonntagskultur" in der Erzdiözese Wien hat die Umfrage Gottesdienst ergeben. 95 Prozent der Pfarren in der Erzdiözese Wien haben sich an der Umfrage beteiligt. Dabei wurden das gottesdienstliche Leben in der ersten Fastenwoche und des zweiten Fastensonntags erfasst und statistische Zahlen zu Sakramenten und besonderen Gottesdiensten erhoben.
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Vortragender:
Professor für Pastoraltheologie in Wien
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