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Organisation und Durchführung
Anlässlich des dreihundertjährigen Bestehens der Erzdiözese Wien organisierte das Diözesanarchiv Wien in Kooperation mit dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung (IÖG) der Universität Wien und dem Verein für Geschichte der Stadt Wien eine Fachtagung unter dem Titel „Der lange Weg zum Erzbistum Wien. Der Erhebungsakt 1723 und seine Folgen“.
Am 19. und 20. Jänner 2023 versammelten sich Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus unterschiedlichen Disziplinen im Stephanisaal des erzbischöflichen Curhauses und behandelten in ihren Vorträgen ein breites Themenspektrum, das von den nicht realisierten Bistumsplänen im Mittelalter bis zu religionspolitischen Aspekten im 19. und 20. Jahrhundert reichte. Den Schwerpunkt bildeten dabei historische Themen aus der Frühen Neuzeit, im Besonderen aus der Zeit der Erhebung zur Erzdiözese rund um die Jahre 1722/1723.
Kirche und weltliche Akteure
Nach den Eröffnungsworten, die Nikolaus Krasa, Generalvikar der Erzdiözese Wien, Christian Lackner, Vorstand des IÖG, und Johanna Kößler, Leiterin des Diözesanarchivs Wien, an das Publikum richteten, widmeten sich die ersten beiden Vorträge dem Verhältnis von kirchlichen und weltlichen Akteuren während und nach der Bistumsgründung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit.
Christian Lackner fragte nach den spätmittelalterlichen Grundlagen für die Errichtung des Bistums Wien. Im Fokus standen dabei die Rolle Kaiser Friedrichs III. bei der Bistumserhebung im Jahr 1469 (Bulle „In supremae dignitatis specula“, 18. Jänner 1469) sowie die schwierige administrative Lage des Bistums in seinen Anfängen, welche von Vakanzen und der provisorischen Verwaltung durch Administratoren geprägt war. Den Abschluss des Vortrags bildete die Zeit des ersten Wiener Bischofs Georg Slatkonia (reg. 1513–1522).
Thomas Prügl von der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien arbeitete das komplexe Verhältnis zwischen dem Wiener Bischof und der Wiener Universität heraus. Diese musste sich im Spannungsfeld zwischen der bischöflichen Verfassung der Ortskirche und der päpstlichen Universalkirche in einer eigentümlichen Gemengelage behaupten, in der die Passauer Diözese, der Wiener Erzbischof, der Rektor der Universität, der königliche Landesherr und auch der Wiener Bürgermeister ihr Mitspracherecht geltend zu machen suchten.
Die Erhebung zur Erzdiözese
Die folgenden Beiträge beschäftigten sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit der Erhebung zum Erzbistum 1722/1723. Herwig Weigl (IÖG) erläuterte die päpstliche Erhebungsurkunde „Suprema dispositione“ (1. Juni 1722) und weitere Urkunden rund um die Erhebung zur Erzdiözese, darunter diejenige zur Palliumsverleihung („Cum nos super“, 20. Jänner 1723). Auf die kirchenrechtlichen Folgen der Erzbistumserhebung ging Stefan Schima (Institut für Rechtsphilosophie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien) ein und skizzierte insbesondere die rechtlichen Zuständigkeiten des Wiener Erzbischofs, der nunmehr als Metropolit für seine Suffraganbistümer zuständig war. Einen interessanten Blick von außen gewährten Hannelore Putz (Direktorin des Archivs des Bistums Passau) und Gerald Hirtner (Leiter des Stiftsarchivs St. Peter in Salzburg), die jeweils die Rolle Passaus und Salzburgs bei der Ausgliederung Wiens aus dem Diözesanverband beleuchteten.
Das Entstehen und Werden des Diözesanarchivs Wien erläuterte Johanna Kößler (Leiterin des Diözesanarchivs Wien), die den Bogen von der ersten historisch fassbaren „Truhe“ zur Aufbewahrung von Schuldzetteln, Grund- und Amtsbüchern (1553) über die Einrichtung eines Konsistorial- (1620) bzw. Ordinariatsarchivs (1870) und einer bischöflichen Bibliothek bis zur ersten Neuordnung des Archivs am derzeitigen Ort (um 1880) spannte und auch auf Neuaufstellungen und Umordnungen im 20. Jahrhundert einging. Stefan Seitschek vom Österreichischen Staatsarchiv erläuterte die Verbindungen zwischen dem Wiener Hof und der Erzdiözese, welche sich im gemeinsamen katholischen Zeremoniell etwa bei Festen, Glockenweihen und Bestattungen äußerten.
Den Abschluss des ersten Tages bildete die Präsentation zum Themenschwerpunkt „Erzdiözese Wien“ im „Wien Geschichte Wiki“, die durch Christoph Sonnlechner vom Wiener Stadt- und Landesarchiv und Nicole Kröll vom Diözesanarchiv Wien erfolgte. Gezeigt wurde eine Auswahl an aktualisierten, verbesserten und neu geschaffenen Artikeln aus dem „Wien Geschichte Wiki“, welche in Verbindung zur katholischen Kirche in Wien stehen.
(Er-)Bauliches
Den zweiten Tag eröffnete der Kunsthistoriker und Denkmalforscher Günther Buchinger mit einem Einblick in die aktuellen Bauforschungen am erzbischöflichen Palais, die in Zusammenarbeit mit der Archäologin Doris Schön durchgeführt worden waren. Ergebnisse von kunsthistorisch-architektonischen Begehungen wurden mit historischen Bilddarstellungen des Palais sowie mit Akten aus dem Diözesanarchiv Wien abgeglichen und so ein historischer Gang vom 12. Jahrhundert bis in die Barockzeit unternommen.
Ebenfalls mit den architektonischen Veränderungen in der Barockzeit beschäftigte sich Anna Mader-Kratky aus dem Forschungsbereich Kunstgeschichte an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), indem sie auf die Barockisierung des Innenraums des Stephansdoms einging, die durch zahlreiche Altarstiftungen insbesondere unter Fürstbischof Philipp Friedrich Breuner (reg. 1639–1669) vorgenommen worden war.
Literarisch „Erbaulichem“ wandte sich Ralf Bogner, Professor für Neuere Deutsche Philologie und Literaturwissenschaft an der Universität des Saarlandes in Saarbücken, zu und führte am Beispiel ausgewählter Persönlichkeiten die Praktiken der Domprediger zu St. Stephan im 18. Jahrhundert aus.
Zeremonien und Denkmäler
Ausgehend von der Bestattung von Fürsterzbischof Sigismund Kollonitz (reg. 1716–1751) im Jahr 1751 befasste sich Martin Scheutz (IÖG) mit den Begräbnissen der Wiener Fürsterzbischöfe und den damit verbundenen religiösen Zeremonien und Prozessionszügen. Aus musikwissenschaftlicher Perspektive rekonstruierte Elisabeth Hilscher (Abteilung Musikwissenschaft an der ÖAW) die Festmesse, welche am 24. Februar 1723 anlässlich der Erhebung Wiens zur Erzdiözese im Stephansdom abgehalten worden war.
In Vertretung durch die Kunsthistorikerin Sabine Miesgang ließ Renate Kohn (Institut für Mittelalterforschung IMAFO der ÖAW) ihre Arbeit zu ausgewählten Grabdenkmälern der Wiener Bischöfe von Georg Slatkonia bis Franz König präsentieren.
Konfessioneller und politischer Rahmen
Auf das protestantische Wien ging Stephan Steiner, Historiker an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien, in seinem Vortrag über Gesandtschaftskapellen ein, die seit Beginn des 17. Jahrhunderts von internationalen Diplomaten protestantischer Konfessionen im ansonsten offiziell katholischen Wien frequentiert wurden.
Den Abschluss der Tagung bildete der Beitrag Rupert Kliebers (Institut für Historische Theologie an der Universität Wien), der sich ausgewählten Aspekten der katholischen Religion und Akteuren der Erzdiözese Wien im 19. und 20. Jahrhundert widmete.
Dr. Nicole Kröll
Links
Wien Geschichte Wiki – Themenschwerpunkt EDW
www.geschichtewiki.wien.gv.at/Erzdiözese_Wien
Presseberichte
EDW: www.erzdioezese-wien.at/site/menschenorganisation/geschichtedererzdioezesew/article/105856.html
www.erzdioezese-wien.at/site/menschenorganisation/geschichtedererzdioezesew/article/108721.html
Kathpress: www.kathpress.at/goto/meldung/2226861/wiener-tagung-anlaesslich-300-jahre-erhebung-zur-erzdioezese
Der Sonntag: www.dersonntag.at/artikel/der-langsame-aufstieg-vom-bischof-zum-erzbischof/