Von Aussen nach Innen – kirchliche Entwicklungszusammenarbeit
„Baue meine Kirche wieder auf!“, so oder ähnlich vernahm der Heilige Franz von Assisi die Stimme Gottes. Die genaue Übersetzung ist wahrscheinlich „lost in translation“. Franzens Renovierungsarbeiten seiner Basilika erfuhren bald eine strategische Richtungsänderung. Klara, seine spirituelle „rechte Hand“, wies ihm auf einen Interpretationsfehler hin: Anbetracht des kolportierten Spruches von Jesus „meine Kirche ist das Herz“, widmete sich Franz der Restaurierung innerer christlichen Werte.
Vor einer ähnlichen Situation fanden sich die ersten katholischen Missionare aus Irland in Turkana, einer wüstenartigen Landschaft im Nordosten Kenias. Turkana war während der Unabhängigkeitsbestrebungen des jetzigen Kenias de facto eine Internierungslager von beinahe der Größe Österreichs – niemand kam rein oder raus ohne Bewilligung. Der Gründungspräsident Jomo Kenyatta war dort inhaftiert.
Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, nachdem die britischen Kolonialherren die Blockade um Turkana aufhoben, begann eine christliche Missionierung. Diese scheiterte umgehend und kläglich, da die alteingesessene lokale Bevölkerung mehr am nackten Überleben interessiert war als an höhere Dimensionen. Im nachhinein betrachtet, war dies eine der Sternstunden der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit.
Mittlerweile ist die katholische Diözese von Lodwar – während der Abwesenheit einer regionalen Landesregierung – für ihre jahrzehntelange Entwicklungsarbeit in Erziehung, Gesundheit oder Infrastruktur als „Ersatzregierung“ bekannt. So nebenbei, das Gebiet der Diözese ist identisch mit dem Bundesland Turkana ist.
Als verlässlicher Partner von internationalen Entwicklungszusammenarbeitsorganisationen hat die Diözese professionelle Teams an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Thema Gewaltfreiheit, Friedensarbeit, medizinischer Grundversorgung, Geldtransfers oder Klimaschutz. Was die Diözese von Lodwar einzigartig macht, ist die Einstellung, im EZA-Bereich nicht zu wachsen, sondern sich zu verkleinern und ihre Aufgaben an lokale Partnerorganisationen übertragen. Advocay und Capacity Building sind die modernen Schlagwörter in diesem Zusammenhang.
Mit dieser Agenda kann sich die Kirche zusehends auf die geistige christliche Mission konzentrieren. Diese zielt auf die Verinnerlichung christlicher Werte und Lebensführung ab. Die Herausforderung ist die Integration christlicher und traditioneller Wertvorstellungen, die sich vor allem in der unterschiedlichen Stellenwert von Frauen in der Gesellschaft offenbart. In der nach wie vor dominanten traditionellen Kultur besitzt die Frau einen extrem geringen sozialen Status. Der Tauschhandel von Ziegen gegen Mädchen im Rahmen arrangierter traditioneller Hochzeiten ist eine unveränderte kulturelle Gepflogenheit.
Aktuelle Projekte wie die Reduzierung von häuslicher Gewalt besitzen für die Kirche einen weltlichen wie geistigen Aspekt. Denn eine nachhaltige Wirkung passiert nur dank innerer Werte. Anders ausgedrückt, dies ist lokale kirchliche Entwicklungsarbeit im Wandel der Zeit: von der äusseren zur inneren Restaurierung, ganz im Sinne von Franz von Assisi.
Die katholische Diözese von Lodwar im Bundesland Turkana von Kenia ist eine der drei Partnerdiözesen der Erzdiözese Wien. Die Partnerschaft beruht auf einem gemeinsamen Nenner von Nachhaltigkeit und christlichen Werten. Die Erzdiözese Wien unterstützt in Zusammenarbeit mit der staatlichen Austrian Development Association (ADA) strategische Berater für die kirchliche Entwicklungsarbeit der Diözese Lodwar.