Freitag 22. November 2024

Warum baut man Orgeln um – Warum baut man sie wieder zurück?

Die Frage, warum Orgeln umgebaut werden, ist eigentlich ganz leicht zu beantworten: man will sie mit der Zeit gehen lassen. Sie sollen modern bleiben. Wie alles im Leben, so ändert sich auch der Musikgeschmack.

Die meisten Kirchen haben nicht das nötige Geld, in jeder Generation ein neues Instrument anzuschaffen. Sie sind zu teuer. So beginnt man hinzuzufügen und zu erweitern. Das kommt billiger und auf den ersten Blick scheint der Kompromiss passabel. Mit der Veränderung kommen jedoch auch die Probleme. Eine gute Orgel funktioniert in der Regel am besten so, wie sie ursprünglich konzipiert worden ist. Sie ist ein Gesamtkunstwerk: Anzahl der Pfeifen, Winddruck und Gehäuse sind aufeinander abgestimmt, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Parameter lassen sich nicht beliebig verschieben. Was bei Kochen nicht möglich ist, nämlich die Menge einzelner Zutaten beliebig zu verändern, geht beim Orgelbau schon gar nicht. Stopft man mehr Pfeifen in ein vorhandenes Gehäuse, so fehlt der Platz für die Entwicklung des Klanges. Häufig versucht man diesem Problem beizukommen, indem die Luft mit höherem Druck in die Pfeifen schickt. Sie klingen dann zwar lauter, aber keineswegs schöner. Es ist, wie wenn jemand schreit. In der freien Natur mag das mitunter nötig sein, wenn man etwa weiter entfernten Menschen etwas zuruft. In einem geschlossenen Raum ist ständiges Plärren eher dazu geeignet, Aggressionen zu entfachen.
Was vielen Orgeln passiert ist, geschah auch in Ravelsbach. Mehrmals hat man das Instrument erweitert. Zuerst hat man das zweite Manual in die Chorbrüstung versetzt. Das war vermutlich noch nicht so schlimm. Problematischer war die Erweiterung des Tonumfangs im Hauptmanual und im Pedal. Die vielen zusätzlichen Pfeifen fanden keinen Platz. Man zwängte sie förmlich hinein und stellte einige Reihen noch hinter dem Gehäuse auf. Das hatte den Nebeneffekt, dass nun auch die  Zugänglichkeit zu manchen Teilen der Orgel erschwert war, was wiederum Auswirkungen auf die regelmäßige Pflege hatte. Der Winddruck wurde erhöht und das Instrument wurde lauter, aber nicht schöner. Man muss sagen: schade, denn das Instrument wurde von einem der besten österreichischen Orgelbauer seiner Zeit gefertigt: von Johann Gottfried Sonnholz. Die von ihm erhaltenen Arbeiten zeigen sich durch eine unglaublich hohe Qualität aus.
Nun stand die Frage der Restaurierung an. Was sollte geschehen? Soll man den gewachsenen Zustand erhalten mit all seinen Problemen? Soll man auf die ursprüngliche Situation zurückgehen, oder gar einen Mittelweg gehen? Vermutlich hätte man das originale Instrument rekonstruieren können. Man hätte dann allerdings das Rückpositiv, das in die Chorbrüstung eingelassene Manual, aufgeben müssen; ebenso den Spieltisch aus dem 19. Jahrhundert. Nachdem diese Veränderungen keine technischen Nachteile bringen, wäre es unnötig gewesen, historische und gut funktionierende Teile zu entfernen nur um neue nachzubauen. Anders sah es im großen Hauptgehäuse aus. Hier gab es nicht genug Platz für die neuen Pfeifen und auch der Winddruck war zu hoch. Damit war die Entscheidung klar: Wiederherstellung des alten Tonumfanges und Absenkung des Winddrucks.
Was für Konsequenzen hat diese Entscheidung? Vielleicht haben Sie gemerkt, dass die Orgel nun leiser klingt als vor der Restaurierung. Manche mögen das bedauern. Aber wenn Sie genau hinhören, können Sie eine Schönheit und Farbprächtigkeit des Klanges entdecken, die das Ohr erfreut und nicht ermüdet. Musik soll ja zum Hören motivieren und nicht bloß Lärm machen. Die Verringerung des Tonumfanges ist für jene relevant, die das Instrument spielen. Auf den ersten Blick scheint es, dass man nun weniger Stücke spielen kann. Aber für die großen und schweren symphonischen Stücke aus dem späten 19. und dem 20. Jahrhundert wäre die Orgel auf jeden Fall zu klein. Aus der Barockzeit gibt es eine Fülle von Kompositionen, die für Ravelsbach wunderbar geeignet sind. In dieser Hinsicht wird es keinen Mangel geben. Die Hauptaufgabe ist und bleibt die Mitwirkung in der Liturgie, vor allem die Begleitung des Volksgesanges. Das ist mit dem alten Tonumfang gut möglich. Der zartere, aber farbigere Klang soll den Gesang stützen und nicht erdrücken. Mein Wunsch ist, dass er die Gemeinde zum Hören motiviert und so die Freude an der Musik an diesem wunderbaren entfacht!

Konstantin Reymaier

Pastoralamt der ED. Wien Kirchenmusik
Stock im Eisen-Platz 3/IV
1010 Wien

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