Ist der Ankauf einer Orgel heute noch vertretbar?
Die soziale Frage wird schon im Evangelium gestellt. „Warum hat man dieses Öl nicht um dreihundert Denare verkauft und den Erlös den Armen gegeben?“ (Joh 12,5) Jesus gibt eine erstaunliche Antwort: „Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer bei euch.“ (Joh 12,8) Jesus lässt offenbar zu, dass seine Gegenwart mit kostbaren Gaben geehrt wird. Wie könnte es anders sein? Wichtige Personen und Anlässe feiern wir doch mit dem besten Aufwand, der uns möglich ist. Sollte der Gottesdienst, sollte Gott etwa nicht wichtig sein? So hat es selbst der Meister der Armut, der Heilige Franziskus gehalten. Nicht die Liturgie soll durch Bescheidenheit glänzen, sondern das persönliche und alltägliche Leben. Der daraus entstehende Überfluss möge dann anderen zugutekommen. Wer also die soziale Frage als Einwand vorbringt, gehe selbst mit gutem Beispiel voran. Wenn uns die Liturgie und der gemeinsame Gottesdienst wichtig sind, müssen wir in diesen Bereich auch entsprechend investieren.
Damit rückt die andere Frage ins Blickfeld: warum kein elektronisches Imitat? Zunächst scheinen solche Geräte mehr Möglichkeiten zu bieten, und das zu einem günstigeren Preis. Meines Erachtens sprechen zwei Argumente gegen diese Überlegung: aus wirtschaftlicher Sicht ist zu sagen, dass man mit einem Imitat im Grunde einen Computer kauft. Bedenkt man nun Wertverlust und Lebensdauer, so ändert sich das Preis-Leistungs-Verhältnis rapide. Es steht in keiner Relation zu einer guten Pfeifenorgel, die Jahrhunderte überdauern kann. Geistlich wichtiger scheint mir jedoch ein anderes Argument zu sein: Das Imitat gibt etwas vor, was es eigentlich nicht ist. Es ist eine Täuschung. Das hat in der Liturgie keinen Platz. Oder wollen wir im Gottesdienst eine Show abziehen? Glauben wir, dass Gott an einer frommen Fassade interessiert ist? Es mag sein, dass wir Menschen uns häufig mit dem äußeren Anschein zufrieden geben. Das gilt keinesfalls für Gott. Die Heilige Schrift sagt es uns auf den Kopf zu: „Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz“ (vgl. 1 Sam
16,7).
Orgeln sind nicht nur teure Instrumente, sie sind vor allem vielseitig. Darin sehe ich den eigentlichen Grund, warum sie ihren Weg in die Liturgie gefunden haben. Aufgrund ihrer Tragfähigkeit können sie selbst große Gemeinden im Singen unterstützen. Die unterschiedlichsten Stimmungen und Emotionen lassen sich auf ihnen darstellen. Wo die Sprache versagt, da ist immer noch Musik möglich. Sie bringt das Innerste unserer Seele zum Ausdruck. Deshalb hat man im Gottesdienst seit jeher nicht nur gesungen, sondern auch gespielt (vgl. Ps 108,2). Weil Orgeln in der Vielfalt ihrer Klangmöglichkeiten kaum übertreffbar sind, sind sie zum Grundinstrument der abendländischen Liturgie geworden.
Der Kauf einer neuen Orgel ist also nicht nur ein Zeichen von Traditionsverbundenheit oder Wohlstand. Er ist vor allem ein Zeugnis dafür, dass die Liturgie „der Höhepunkt, dem das Tun der
Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ ist (vgl. Sacrosanctum
Concilium I.10).
Konstantin Reymaier