READER von Mag.a Margit Appel und Mag.a Elisabeth Ohnemus im Rahmen der Online-Veranstaltung „Erfolgreich argumentieren für Care-Gerechtigkeit“.
Erfolgreich argumentieren für Care-Gerechtigkeit
von: Margit Appel und Elisabeth Ohnemus
Wenn es darum geht, „Argumente“ für ein Thema aufzubieten und im öffentlichen bzw. politischen Diskurs durchschlagkräftig hörbar zu machen, ist es notwendig, sich bewusst zu sein, was den Raum, in dem öffentlicher bzw. politischer Diskurs stattfinden, definiert. Wo bewegen wir uns? Was bestimmt die Verfasstheit und Dynamik von Öffentlichkeit, Politik?
Immer stärker wirken da Emotionen, verliert die Vernunft. Die Kommunikationsexpertin Ingrid Brodnig spricht etwa vom Trend zum „argumentum ad hominem“: die Aufmerksamkeit wird vom eigentlichen Thema weggelenkt, hin zum Gegenüber und dessen Charakter, oft verbunden mit Abwertung und Häme. „Hass im Netz“ trifft in besonderem Maße Frauen. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie Pflege- und Gesundheitspersonal in den Fokus irrationaler virtueller Debatten gelangt ist, teilweise real Opfer von Übergriffen wurde.
Social Media haben den Raum öffentlichen Sprechens und Ausverhandelns neu definiert. Dieser Raum ist stark segmentiert, Menschen bewegen sich in „Bubbles“, an gigantischen virtuellen Stammtischen. Ein einigermaßen „gemeinsamer“ Ausgangspunkt, von dem weg Kommunikation in der Gesellschaft stattfinden könnte, ist verloren gegangen.
Einer der Gründe dafür ist die frühe und umfängliche Nutzbarmachung von Social Media durch rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppen und Parteien.
Wie Argumenten für Care-Gerechtigkeit neue Räume eröffnen? Wie die eigene Perspektive so anreichern, dass bei GesprächspartnerInnen Aufmerksamkeit geweckt wird, Irritation entsteht, Neugier verspürt wird? In einer solchen Situation ist es essentiell, sich mit weiteren Argumenten zu stärken. Die Statistiken zur Verteilung familiärer Care-Arbeit, zu den Einkommensunterschieden zwischen Care-Berufen und Berufen im sogenannten „produktiven Sektor“, zum Pensionsunterschied zwischen Frauen und Männern haben wir alle schon lähmend oft verwenden müssen. Sie bleiben weiterhin wichtig.
Im Reader wird darüber hinaus versucht, aus den sehr grundsätzlichen Analysen u.a. von Joan Tronto zum Zusammenhang von Care-Ungerechtigkeit und Demokratie, oder von Nancy Fraser zur kapitalistischen Wirtschaft als „Trittbrettfahrer“ der Care-Leistungen, weitere Argumente aufzubereiten. Es werden auch Informationen über die zunehmenden „Sorge-Kämpfe“ vermittelt. Weil es für die Kraft der Argumente gut ist, nicht nur aus dem Wissen über Benachteiligungen heraus zu sprechen, sondern auch aus dem Wissen des erfolgreichen Widerstands. Mitarbeitende von elementarpädagogischen Einrichtungen, von Pflegeeinrichtungen gehen auf die Straße und fordern Veränderung: mehr Einkommen, mehr Personal, andere Arbeitszeiten, Anerkennung.
Schon an „Frauen-Orten“ ist es nicht immer einfach, über das Thema Care-Ungerechtigkeit im Gespräch zu sein. Argumentieren für mehr Care-Gerechtigkeit beginnt hier!
Sprechen wir das Thema der Care-Ungerechtigkeit in einer weiteren Öffentlichkeit an, zeigt sich häufig: weder unserem Wissen noch unseren Erfahrungen wird Bedeutung eingeräumt! Wir sind mit Unwissen, Ignoranz, Vorurteilen, Spott, Besserwisserei, Herablassung und Desinteresse konfrontiert. Um nicht zu rasch aufzugeben, kann es hilfreich sein, solche Auseinandersetzungen im Kopf oder auch real durchgespielt und sich Strategien überlegt zu haben. Auch dazu finden sich im Reader Anregungen und Hinweise.