Archiv
Jänner 2021
Masel und ganz viel Poesie - Arik Brauer, der mit der Kunst tanzende Poet, ist tot
Elena Holzhausen zum Gedenken an Arik Brauer
Seine Rettung vor der menschlichen Todesmaschinerie des Nationalsozialismus scheint wie aus einer gedichteten Welt entsprungen, gerettet von einer auf die Juden schimpfenden Antisemitin, eingesperrt in ein Klo. Phantastisch eben mag man sagen oder denken. Arik Brauer selbst hatte eine einfache, eine sehr realistische Antwort, auf das „Wunder“ seines Überlebens. „Sie (die Hausmeisterin, die ihn vor den Schergen versteckte) war eine Frau mit angelerntem Antisemitismus, ihre Reaktion aber kam aus einer tieferen Bewusstseinsschicht, es ist dies die gleiche, die Menschen einen Käfer umdrehen lassen, der auf dem Rücken liegt, auch wenn dieser nicht rasend schön ist.“
Seine Kunst ist durchdrungen von diesem Realismus gepaart mit seiner Phantasie.
An der Fassade der Kirche am Tabor entwarf er ein Keramikmosaik mit dem letzten Abendmahl. Wie bei einem Triptychon des christlichen Mittelalters rahmte er seine zentrale Szene von zwei weiteren Figuren, Maria links und der Traum des Josef rechts. Vielschichtig wie sein künstlerisches Schaffen, seine Persönlichkeit und seine Erlebnisfähigkeit ist dieses Triptychon. Es steigt in die Träume unseres Unterbewusstseins. Nicht nur das Abendmahl mit dem Verweis auf die Passion Christi, sondern auch die jüdische Spiritualität, auf der die Lehre Jesu Christi fußt, werden dem Kirchenbesucher aber auch den Passanten erzählt. Rabbi Hillel hält ein Schriftband, dass auf das dritte Buch Mose 19,18 verweist. AHATWA LE REECHA KOMOCHA „Und du wirst deinen Nächsten/Nachbarn lieben, er ist wie du“ oder noch einfacherer und für die meisten Ohren gebräuchlicher „liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“.
Juni 2019
Ö1 Interview: Elena Holzhausen über Fronleichnam
""Ein Fest im Spannungsfeld zwischen Glauben, Macht und Erneuerung". Ausgangspunkt der Reise von Elena Holzhausen, Diözesankonservatorin der Erzdiözese Wien, ist nicht die theologische Ausdeutung des Festes, sondern immer das Tun der Menschen. - Alexandra Mantler
60 Tage nach Ostern feiern katholische Christinnen und Christen Fronleichnam, ein Fest, das von facettenreichen Ritualen und Bräuchen begleitet wird: von den frischen Birken, die den Weg der Fronleichnamsprozession säumen, über die vielen Priester und Ordensgemeinschaften, die an der Prozession teilnehmen bis zu den weiß gewandeten Blumen streuenden Mädchen.
Kern dieses Festes ist der katholische Glaube an die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi während der Messe. Durch diese Wandlung ist Christus nach der katholischen Lehre real anwesend. Er wird von den Gläubigen aufgenommen und als Stärkung erfahren. Mit der Abhaltung von Prozessionen wurde dieser Glaube nach und nach sichtbar nach außen getragen. Deshalb bietet Fronleichnam aber auch immer eine Plattform des politischen Statements.So war etwa der Reformator Martin Luther ein erklärter Gegner des Fronleichnamfestes.
Er reflektierte auf die mittelalterlichen Wurzeln, die er als "schädlich", "unbiblisch" und sogar als "Gotteslästerung" empfand. Elena Holzhausen, Kunstbeauftragte und Diözesankonservatorin der Erzdiözese Wien, begibt sich in fünf Miniaturen auf eine Reise zu sehr unterschiedlichen Facetten dieses Festes. Ausgangspunkt ihrer Reise ist nicht die theologische Ausdeutung des Festes, sondern immer das Tun der Menschen. Ziel ihrer Reise ist es, aus den jeweiligen Wendepunkten in Selbstreflexion zu treten und so letztlich etwas für ihre eigene Handlungsmaxime zu erfahren."
Elena Holzhausen:"„Fronleichnam ist ein Fest der katholischen Kirche, dem sehr unterschiedliche Deutungen eingeschrieben sind. Für mich sind nicht alle Deutungen leicht anzunehmen. Besonders unbehaglich fühle ich mich, wenn ich auf die Zeiten schaue, in denen dieses Fest eine sichtbare Manifestation von Machtmissbrauch war. Mir ist am liebsten eine Erinnerung aus meiner Kindheit. Zu Fronleichnam war es immer sonnig. So zumindest in meiner Erinnerung. Wenn ich vom Sommer spreche, meine ich nicht das Datum im Kalender, sondern das Gefühl im Bauch. Das Licht und auch die Leichtigkeit, mit der ich mit meinen Geschwistern durch die Natur zog; außerhalb der Kontrolle der Eltern und völlig angstfrei. Fronleichnam war das Fest dieser Zeit. Man zog betend gemeinsam durch die Felder unseres Dorfes. Ich hatte ganz viel Zeit, am Wegrand die Blumen zu betrachten und auch zu identifizieren. Die Form und Funktion der Kletten faszinierte mich. So wurde eher zufällig während der Prozession mein kindlicher Forschergeist angespornt. Auch dafür war Platz während des Gehens mit Jesus. Prägend war die Erfahrung, dass meine Religion sinnlich sein durfte, dass sie farbenfroh war und dass ich die Größe meines Gottes erfahren durfte und dass ich mir diese Weite erhalten konnte. Denn aus dieser Weite meines Herzens heraus bin ich in der Lage, die dunklen Kapitel meiner Religionsgeschichte anzuschauen - sie zu akzeptieren ohne mein Gottesbild über die vielen Schrecken der Scheiterhaufen der Ungerechtigkeiten zu verbrennen. Dafür bin ich dankbar. Heute weiß ich, ich werde mich immer dafür einsetzen, dass Religion so viel Freiraum bietet, dass eine spirituelle Selbstbestimmung ohne Überformung wachsen kann. In diesem Wachsen kann Zuneigung und Verständnis für andere Menschen entstehen, die nach meiner Auffassung, alle Menschen brauchen.“
Gestaltung: Alexandra Mantler
Zur Sendung geht es hier.
Presseaussendung: Fachgespräch zur Restaurierung von Fassungen und Vergoldungen in der Denkmalpflege
Wien (OTS/bda.gv.at) - Aufgrund eines in jüngerer Vergangenheit mehrfach öffentlich debattierten Themas, nämlich zur Frage handwerklicher und wissenschaftlicher Expertise im Bereich von vergoldeten Oberflächen, lud das Bundesdenkmalamt am 5. Juni 2019 zu einem Fachgespräch.
Nach einer Einführung durch den Präsidenten des Bundesdenkmalamtes, Christoph Bazil, debattierten ausgewiesene Expertinnen und Experten, wie Gabriela Kirst, Wolfgang Baatz, Maria Walcher, Elena Holzhausen, Reinhold Sahl, Robert Linke, Manfred Wehdorn, Wieland Hoffinger, Michael Vigl, Elisabeth Scheel und Stefan Nachförg - moderiert von Bernd Vollmar, bis 2017 Abteilungsleiter für Praktische Denkmalpflege des Bayrischen Landesamtes für Denkmalpflege.
Die fachlich profilierten und zum Teil auch kontroversiellen Beiträge führten zu einem Austausch der unterschiedlichen Sichtweisen und Standpunkte. Der WIlle zur künftigen Zusammenarbeit in diesem für die Denkmalpflege so wichtigen Gebiet wurde einhellig bekundet und einte auch die mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Fachgesprächs.
BDA-Präsident Bazil betonte: "Die Bewahrung unseres kulturellen Erbes kann nur durch Zusammenarbeit auf Augenhöhe und Respekt zwischen Denkmalpflege, tradiertem Handwerk und Restaurierwissenschaften gelingen." Das Bundesdenkmalamt wird zur Fortsetzung des Dialogs einladen.
Rückfragen & Kontakt:
Bundesdenkmalamt
Mag. Andrea Böhm, BA
Sabstelle Öffentlichkeitsarbeit
+43 1 53 415 850220
bda.gv.at
Pressefotos auf Anfrage
***OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT***
OTS0083 2019-06-06/10:31
Juni 2018
Ö1 Interview: Erhaltenswerter Baubestand? Die Kunsthistorikerin Elena Holzhausen
""Ästhetische Qualität" als Begriff im Denkmalschutz. Die Kunsthistorikerin Elena Holzhausen über das Gestalten, Verändern und Bewahren in der Architektur.
Elena Holzhausen macht sich Gedanken über das Verhältnis von bestehender zu neuer Architektur. Für die Kunsthistorikerin braucht es einen Dialog zwischen Bewahren und Erneuern, Altem und Neuem. Dabei stellen sich wichtige Fragen; was macht bestehende Gebäude erhaltenswert, wie soll mit altem Bestand umgegangen werden, welchen praktischen Nutzen hat Architektur zu erfüllen und wie lässt sich architektonische "Qualität" definieren.
Elena Holzhausen lotet das Verständnis von "historischem", schutzwürdigen Bestand aus. Wie heftig dabei Debatten geführt werden und wie folgenreich architektonische Vorhaben sein können, zeigen derzeit auch das Bauprojekt am Wiener Heumarkt und der drohende Verlust des Status "UNESCO-Weltkulturerbe" für das historische Zentrum Wiens. Eine Entscheidung über den Weltkulturerbe-Status Wiens könnte übrigens bei der nächste Komitee-Sitzung (24.6.-4.7. in Bahrain) fallen.
In ihrer Tätigkeit als Diözesankonservatorin der Erzdiözese Wien ist Elena Holzhausen für den Erhalt und die Restaurierung von Innenräumen in rund 1.400 Kapellen und Kirchen sowie für das Inventar von rund 300.000 Einzelobjekten, von Wandmalereien und Bänken über Kelchen bis hin zu Messgewändern, zuständig. Neben der Erfassung und Dokumentation kirchlicher Kunst, fallen auch die Frage der Denkmalpflege und die erforderlichen Adaptionen an den Bedarf der Pfarrgemeinden und Gläubigen in ihren Zuständigkeitsbereich."
Es braucht einen Dialog zwischen Erhalten und Erneuern. Elena Holzhausen über das Gestalten, Verändern und Bewahren in der Architektur.
Elena Holzhausen:„Veränderung ist mit Sicherheit ein Wesen vom Mensch-sein. Vor allen Dingen sind wir zeitgebunden und in der Zeit verändern wir. Aber daraus einen grundsätzlichen Gegensatz zu machen, nur bewahren oder nur verändern - als zwei unüberbrückbare Kontrahenten - halte ich für einen ganz gefährlichen Ansatz. Bewahren und Verändern gehören zusammen, da es zwei Seiten eines Seins, unseres menschlichen Seins, sind. Ich nehme gerne das Bild eines Baums: Ein Baum kann nur mit den Wurzeln und mit den Blättern leben, wachsen und auch neue Bäume produzieren“
Seit ihrem Studium der Kunstgeschichte, der Germanistik und der asiatischen Kunst in Würzburg, Heidelberg und Wien setzt sich Elena Holzhausen mit dem Verhältnis von bestehender zu neuer Architektur auseinander. Wie soll mit altem Bestand umgegangen werden? Was macht bestehende Gebäude erhaltenswert? Welchen praktischen Nutzen hat Architektur zu erfüllen und was macht ein Gebäude historisch bedeutend?
Elena Holzhausen arbeitete bereits für das Wiener Hofmobiliendepot und für das Auktionshaus Dorotheum. Seit 2009 leitet die Kunsthistorikerin das Referat für kirchliche Kunst und Denkmalpflege in der Erzdiözese Wien. Tagtäglich beschäftigt sie sich mit dem Erhalt und der Restaurierung von kirchlichen Innenräumen und Inventar. Auch das historische Zentrum von Wien und sein Schutzstatus als unseco-Weltkulturerbe sind für sie von Interesse. Ab heute, dem 24. Juni 2018, tagt das uneso-Welterbe-Komitee in Manama in Bahrain. Durch Bauvorhaben am Heumarkt und am Karlsplatz droht dem historischen Zentrum der Bundeshauptstadt Wien die Aberkennung des Weltkulturerbe-Status.
Elena Holzhausen: „Wir sind alle durch das geprägt was die Umwelt ist. Das ist die Wurzel und wir können diese Prägung, wenn wir Glück haben, beeinflussen. Wir gehören mit diesem Weltkulturerbe in der Innenstadt von Wien zu einer Gruppe sehr beschenkter Menschen, weil wir da etwas haben, das sehr positiv prägen kann. Dieses, was wir haben und was uns prägt, können und müssen wir verändern, um es der eigenen Veränderung anzupassen - aber das „Wie“ der Veränderung ist die große Diskussion, nicht das „Dass“ . Wenn ich wieder auf das Bild mit dem Baum und den Blättern komme: wenn die Wurzeln nicht gut und stark sind, hat der Baum kaum Möglichkeit, ordentliche Blätter zu produzieren, die aus dem Licht, der Luft und dem Wasser wieder Energie gewinnen. Licht, Luft und Wasser sind unsere Einflüsse, unsere Zeit und vielleicht manchmal auch der Zeitgeist. Je besser die Wurzeln funktionieren, desto selbstverständlicher kann ich Neues, Stabiles, Gutes und auch gute Qualität von neuem entstehen lassen, die dann auch wieder historisch werden dürfen.
In meiner Arbeit ist das Entscheiden zwischen Bewahren und Erneuern in jedem Projekt – vom großen Projekt bis zu jeder kleinsten Entscheidung – immer mit drinnen, immer die Abwägung. Es gibt keine Generallösung und kein Flussdiagramm das man anwenden kann. Das einzige was es gibt, ist das Bewusstsein, dass man etwas vorgefunden hat, dass man das, was man Vorgefunden hat analysiert: Was ist das? Welche historische und ästhetische Bedeutung hat es? Wie ist es in der Funktionalität und in seiner Stabilitas (Haltbarkeit)? Aus dem heraus muss ich die Entscheidung treffen – mit Blick auf das, was jetzt für zu gestaltende Zukunft gebraucht wird. Das heißt: Welche Funktionalität, die ich brauche, habe ich jetzt? Was muss ich nachbauen, zubauen, ergänzen oder stabilisierend hinzufügen um die Haltbarkeit zu haben und wie kann ich die Funktionalität im Heute erhalten ohne das ästhetische zu verlieren, beziehungsweise wie kann ich meine eigene Ästhetik in gleicher Qualität finden? In diesem Abwägungsprozess müssen die Entscheidungen gefällt werden.
Der Begriff „historisch“, die Definition des Historischen ist ein politisch und ideengeschichtlich so umkämpfter Begriff, dass das Definieren von „historisch“ fast eine Überforderung darstellt. Aber ursprünglich war historisch das, was abgeschlossen ist und mit meiner Zeit nichts mehr zu tun hat. Als Beispiel: Für mich ist Kaiser Franz Josef eine historische Figur, die von Bildern in Museen und auch als Relief von Wänden auf mich herunter schaut. Für meinen Großvater war diese historische Figur aber eine ganz konkrete Person, die in einer konkreten Kutsche durch die konkrete Gegend in der Stadt Wien herumgefahren ist – so wie der Großvater das erlebt hat. Das die traditionelle Definition von „historisch“.
Wenn Sie sich aber das Historische anschauen, was wir selber schon historisieren, bemerken Sie, dass wir in einer Zeit der Multiplizierung des Historischen leben. Wir haben die 60er, die 70er, die 80er, die 90er und auch schon die 00er Jahre mit Ausstellungen als historische Epoche für uns selber reproduziert. Wir reproduzieren also den Begriff des historischen. Damit wird der Begriff inflationär benutzt –auch politisch, aus unterschiedlichen ideengeschichtlichen Haltungen heraus. Am besten zeigt sich das in einem Zitat des Philosophen Sören Kierkegaard, der gesagt hat, dass dieser Begriff, wie andere Begriffe und wie das Individuum selbst eigene Geschichte hat. Der Begriff des Historischen hat demnach seine eigene Geschichte und diese Geschichte kann sich eigentlich nicht dem Zeitgeist der Interpretation entziehen.
Mir wird sehr oft gesagt, dass ich als Denkmalpflegerin die Ascheanbeterin bin. Das historische Bewusstsein oder die Denkmalpflege als Disziplin ist ein Geisteskind des 19. Jahrhunderts. Das hat sehr viel Vorteile, aber auch sehr viele Nachteile. Der Vorteil ist, dass die Aufklärung darüber gegangen ist. Es gibt keinen absoluten Herrscher und keine absolute Meinung, wie: So wird Kunst gemacht/das ist zu machen. Das Primat des Auftraggebers gibt es nicht, es gibt die Eigenständigkeit des Künstlers – das ist der große Gewinn –, es gibt die viel stärkere Eigenständigkeit des Individuums, das Recht und den Anspruch Polis/der Gemeinschaft auf etwas – auf Bildung, auf Schönheit, auf Kultur, auf Kunst, auf Parkanlagen und funktionierende Straßen etc.
Die Denkmalpflege ist auch ein Kind des 19. Jahrhunderts im Sinne der Nationalstaatlichkeit – wir Österreicher, die Deutsche Gotik, der französische Klassizismus. Aber wenn wir genau hinschauen, ist die Gotik eine Erfindung aus Frankreich, der Klassizismus ist in England entstanden – aber sie alle sind in allen europäischen Ländern sind gleichzeitig aus einem Zeitgeist/einem historische Moment heraus entstanden. Den Anspruch einer Nation auf das gibt es nicht, aber das ist kein Grund, nicht zu erhalten. Denn das Historische ist auch das, was mich in die Vergangenheit und die Zukunft, die ich gestalte, einspannt. Es ist nicht sinnvoll, alles einzufrieren und nichts zu erhalten. Für mich ist es auch nicht sinnvoll im Sinne/Stil einer historischen Architektur nachzubauen. Ich tue mich sehr schwer mit dem Wiederaufbau eines Stadtschlosses in Berlin. Es gibt die Materialität nicht mehr; es ist ein Bau des 21. Jahrhunderts, das im Gewand 18. Jahrhunderts auf uns kommt, in seiner Materialität aber zu 21. Jahrhundert gehört. Zum Historischen/zum Denkmal gehört auch das Material. Wenn ich nur die Form als das Notwendige, zu erhaltende, Wertvolle, Schützenswerte und das Historische nehme, dann reicht ein Plastikabguss des Stefansdoms. Dann reicht auch die Kopie von Hallstadt in China. Gehe ich aber durch die Kopie von Hallstadt oder den Nachbau holländischer Bauten in der Umgebung von Nagasaki, fehlt mir etwas. Es gibt etwas, das Walter Benjamin als die „Aura des Originalen“ nannte. Stellen Sie sich vor: Sie machen eine Ausstellung der Mona Lisa in Japan. Es werden 100.000 Besucher kommen – mit der Ausstellung einer Kopie wird nur ein Bruchteil die Ausstellung besuchen. Natürlich gibt es jetzt auch schon die Tendenz, dass man sagt, es sei das Original und schickt die Kopie. Das funktioniert bei Ausstellungen, aber nicht in der Stadtplanung und auch nicht beim Erhalt von historischen Stadtzentren. Ich kann nicht den Nachbau des Stefansdoms hinstellen - entweder er ist da oder nicht da
Im ersten Moment erschließt sich die Schutzwürdigkeit in der Regel über die Schönheit und das man auf einer Ebene berührt wird, die nicht zuerst über den Intellekt geht. Das zeigt sich vor allen Dingen auch darin, dass ein Großteil an unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen einen Ort besuchen kann, sich austauscht und alle zu dem gleichen Ergebnis – einem Wow-Effekt gelangen.
Es gibt aber auch den Aspekt, dass man sich mit den Dingen beschäftigt und einen neuen Blick dafür bekommt. Für mich war das ein Erkenntnisprozess – vielleicht auch erst ein Lern- und dann ein Erkenntnisprozess – mit der Architektur des Historismus und vor allem der religiösen Architektur und Kunst jener Epoche. Das ist eine Zeit, die mir sehr fremd ist. Ich bin geprägt von den Lehrern der Zeit der Alt-68er – das heißt ich bin ein 70er/80er Jahre Schulkind und für mich war die historistische Architektur der Kirchengebäude mit den sehr narrativen, süßliche Kirchenbildern extrem fremd. Ich bin aufgewachsen mit zeitgenössischer Kunst, der Sammlung Ludwig, mit leeren Kirchen - vielleicht das, was in Österreich jetzt unter den Brutalismus ein bisschen bekannt ist – und auch mit der deutschen Architektur der 50er und 60er Jahre. Ich habe aber in der Beschäftigung mit den Gebäuden gelernt, einen Schritt zurück zu gehen und mir zu sagen: Das ist mir zwar jetzt fremd, aber was ist in diesem Gebäude erhaltungswürdig?
Wir können die ganze Ringstraße so sehen, die eigentlich ein ganz großer Wurf der Stadtplanung gewesen ist - mit klaren Spielregeln an alle Teilnehmer. Jeder hat gewusst, welches Areal, welche Bauhöhe, welche Anforderungen, wieviel privates und wieviel die Öffentlichkeit machen darf und was er/sie der Polis zurückgeben soll. Mit dieser Beschäftigung, mit dem – zum Teil mühsamen Erwerb des Expertentums versteht man auch andere Epochen. Und dann habe ich begonnen bessere von schlechteren Gebäuden des Historismus zu unterscheiden und Dinge zu schützen, die mir vielleicht als 25-Jährige extrem fremd gewesen sind.“
Es braucht einen Dialog zwischen Erhalten und Erneuern. In den heutigen Gedanken hören sie Elena Holzhausen. Die Kunsthistorikerin und Konservatorin ist in der Erzdiözese Wien tätig. Sie spricht über ästhetische Qualität, die Schutzwürdigkeit von Bauwerken und die Weiterentwicklung von Architektur und Stadtbildern.
Elena Holzhausen:„Der Begriff der Schönheit ist in der Kunst grundsätzlich ein problematischer Begriff - auch in der Architektur. Es ist aber wichtig, problematische Begriffe zu verwenden, da Begriffe die Grenzen ihrer selbst und die Kehrseiten immer wieder aufzeigen. Wenn ich sage, Architektur muss schön sein, löse ich einen Sturm von Entrüstung aus – „Das greift zu kurz“, „Das ist oberflächlich“ oder „Das ist geschmäcklerisch“. Aber die Qualität von Kunst hat auch den Aspekt der Schönheit. Es gibt auch das schöne Hässliche und das hässliche Schöne. Es geht um die Form, die Ausführung und das war es, bei mir im Fall der Architektur, als Benutzer/Betrachter auslöst. Wie kann die Person dort leben und unterstützt die Architektur nur die Erfüllung von Alltagsbedürfnissen oder hebt sie einen auch hinaus auf eine andere geistige und phantastische Ebene, die neue Ideen entstehen, erfinden und entdecken lässt und so naturwissenschaftliche, mathematische oder soziale Denkräume öffnet. Das ist ein Aspekt der im holprigen und nicht ganz korrekten Schönheitsbegriff Virtuvs – auch mit der Sinnlichkeit und auch mit der Erotik – zu verstehen ist. Das alles gehört zum unserem Mensch-sein. Es ist im Grunde genommen immer dieser große Bogen zwischen Leben und Sterben, zwischen sinnlichem Erfahren und der Suche nach Abstand von sinnlichen Erfahrungen.
Der bauliche Zustand eines Gebäudes ist natürlich entscheidend für die Denkmalpflege - für die Erhaltung und den Umgang mit einem Gebäude. Wenn ein Gebäude sehr schön aber in seinem baulichen Zustand nicht mehr erhaltbar ist, da es einem unter den Fingern zerbröselt, ist das ein Problem. Wir haben sicher einige Gebäude, die wir erhalten, obwohl sie nicht mehr genutzt werden können, sondern nur noch als Relikt aus anderen Zeiten erhalten. Das klassische Beispiel ist die Ruine Dürnstein. Dort erhalten wir abgebrochene Mauern. Vor 500 Jahren hätte das niemand gemacht und den Stein zum Bau einer neuen Mauer verwendet. Für uns ist der Erinnerungswert aber so groß und wichtig und wir nehmen aus diesem so viel haus, um unsere neue Zukunft zu gestalten. Es ist uns eine Anregung, um in die Zukunft zu gehen.
Andere Beispiele gibt es, die haben für kleine Gruppe eine große Schönheit. Das ist die ganze Diskussion um die Gebäude des Brutalismus, der ersten Generation von Betongebäuden nach dem 1. Weltkrieg. Sie sind in ihrer Stabilitas nicht sehr nachhaltig. Nach 30/40 Jahren regnet es rein, der Beton setzt sich auseinander; die Restaurierung dieser Gebäude ist eine ganz eigene Wissenschaft geworden. Der Konsens über die Schönheit ist dann enden wollen. Für die Denkmalpflege ist es wichtig, auch Gebäude zu erhalten, die nicht Teil des Mainstreams sind. Wenn der Mainstream nicht die 00er und 10er Jahre des 21. Jahrhunderts sind, ist es trotzdem sinnvoll, die guten Gebäude aus dieser Zeit zu erhalten, da es wahrscheinlich ist, dass nachfolgende Generationen einen ganz anderen Blick als wir auf gerade diese Gebäude haben. Gleiches für die Kirchen des 19. Jahrhunderts oder: Im 19. Jahrhundert hat man mit breiter Großzügigkeit sämtliche barocke Gebäude klein gemacht, ausgeräumt, neue Sachen hineingegeben und Fresken übermalt, da man das barocke zu dieser Zeit als falsch empfand. Einige wenige haben für den Erhalt gesorgt. Das zeigt, das nachfolgende Generationen gerade solche Menschen brauchen, die nicht im Mainstream beurteilen.
Nutzen/Nutzbarkeit und das was uns ästhetisch anzieht darf kein Gegensatz sein. Wenn Sie sich die kunsthandwerklichen Objekte der Wiener Werkstätte anschauen, sehen sie, dass alle funktionieren und eine Schönheit besitzen, der sich die wenigsten entziehen können. Das Gleiche gilt auch für Architekturen. Große Kirchenbauten, Parlamente und zum Beispiel das Pantheon ziehen Menschen an und funktionieren als Gebäude. Wenn man draus einen Gegensatz macht – „Ich kann es nicht schöner machen, da es nutzbar sein muss“ – fehlt es vielleicht ein bisschen an Fantasie. Als Beispiel die Zubauten für eine barrierefreie Erschließung: Ohne Frage ist die Installation ein wichtiges Thema, aber das WIE des barrierefreien Erschließens ist auch zu beachten. Warum muss der Handlauf so aussehen? Er muss funktionieren, eine bestimmte Dicke besitzen, um gut umgreifbar zu sein, aber wie ich die Form finde ist auf einer zweiten Ebene. Das ist kein Gegensatz, sondern im künstlerisch-kreativen Prozess muss ich mich bemühen, beides mitzunehmen. In diesem Sinne muss bei der Nutzbarkeit von Gebäuden immer sehr sensibel abgewogen werden, was ich vorfinde und was mein Ziel ist. Ist mein Ziel realistisch? Ist es notwendig und brauche ich das wirklich? Will ich überhaupt? Die Fragen muss man sich stellten, bevor man Planungseinreichen macht. Man muss viele Skizzen, Entwürfe, Gespräche und Reflexionen machen. Das ist ein lohnender Weg, da das Ergebnis in eine gute Architektur zusammenfließt, die aus Stabilitas, Nutzbarkeit und Schönheit besteht. Die kann dann, wenn nachfolgende Generationen das genauso wahrnehmen wie wir, in Historizität kommen kann.
Entscheidungen über die Schutzwürdigkeit von Objekten und von Gebäuden, Städten und Stadtteilen, aber auch von Natur- und Kulturlandschaft können nicht von einer Interessensgruppe entschieden werden, sondern sollten immer aus der Polis, aus der Politik, den gewählten Politikern die Volksvertreter und für Volk sind, für die Allgemeinheit und nicht für einzelne Gruppen getroffen werden. Zwischen einzelnen Gruppen sind Interessenskonflikte ganz natürlich. Es gibt viele im Hintergrund, die nicht Teil dieser Auseinandersetzung aber Teil der Auswirkung der Entscheidungen sind. Stadtplanungen und Unterschutzstellungen müssen aus der Polis heraus, müssen von Experten, die geschult sind diese Aspekte gegeneinander abzuwägen und die auch geschult sind, das vorgefundene zu analysieren, getroffen werden.
Es braucht also in einer Stadt wie Wien eine ganz klare Stadtplanung. Für das Weltkulturerbe heißt das, dass es den Prozess braucht, den Österreich selbst gegangen ist: Weltkulturerbe kann mal als Marke sehen aber auch als Selbstverpflichtung einer Gemeinschaft/Polis.
Wenn ich es als Marke sehe, kann ich Besucher zählen, kann sagen, das ist innerhalb des Weltkulturerbes, hier bin ich baulich brav, außerhalb mache ich was ich möchte – das heißt: alles jenseits der Grenze verliere ich.
Wenn ich das Weltkulturerbe nicht als Marke zähle, sondern als contrat social, als Gesellschaftsvertrag, den wir untereinander abschlossen haben, weil wir das Umfeld was Generationen vor uns geschaffen haben erhalten wollen und mit großer Sensibilität verändern wollen – einer Sensibilität die auch Platz lässt für das was nicht aus meinem Zeitgeist heraus kommt. Das heißt für das Weltkulturerbe, dass diese Vorstellung von Weltkulturerbe nicht für die Tourismusbranche allein, nicht für Hochglanzbroschüren oder statistische Zahlen gilt, sondern den Menschen - das ist dann egal Besucher oder Bewohner Wiens – einen Mehrwert gibt - im Miteinander im öffentlichen Raum und im Wechselspiel zwischen privatem und öffentlichen Raum.
Schaut man sich den Flächenwidmungsplan von Wien an, findet man das Weltkulturerbe nicht eingezeichnet. Wenn ich die Augen schließe und Visionen herbeiträume, sehe ich große Chance in neuen Stadtvierteln, die auch in die Höhe gebaut sind, dass sie so angelegt sind, dass Interaktionen zwischen Menschen, der Polis und dem individuellen - dem Privaten und dem Öffentlichen möglich sind.
Eine mutige Stadtplanung konstruiert ein Stadtviertel mit Möglichkeiten für große und kleine mittelständische Geschäfte, für Museen, Schulen, Wohnhäuser und Parkanlagen. Sie gibt vor allem die Chance, dass diese wachsen können – Ein Viertel soll nicht aus einem Guss sein, sondern im Dialog/Wiederstreit der Ideen in Gemeinsamkeit entstehen kann.
Der Verzicht auf eine Bauhöhe am Heumarkt und das mutige bauen am Hauptbahnhof und in der Seestadt das zulässt, dass es Unterschiedlichkeiten an diesen Standorten mit klaren Spielregeln gibt ist eine große Chance für die Stadtentwicklung.
Gebaute Architektur ist im besten Fall ein Kompromiss, im allerbesten Fall kein Kompromiss. Ein Kompromiss in dem Sinn, dass unterschiedliche Zugänge wahrgenommen und berücksichtig werden müssen. Kein Kompromiss in dem Sinn, dass die Lösung, das macht einen guten Architekten aus, in der eigenen Formfindung die unterschiedlichen Notwendigkeiten im Interagieren und Miteinander-sein zulässt.
Adolf Loos hat gesagt „Architektur ist keine Kunst. Damit hat er weder gemeint, dass es leicht ist Architektur zu machen, noch, dass es kein Kunststück oder keine große Leistung/Arbeit ist. Er hat daran erinnert, dass sie den menschlichen Interaktionen dient – dem sich begegnen, Schlafen, Essen Wohnen, Feiern, Glauben, Kunst anschauen, kaufen und verkaufen. Alles das ist zwischenmenschliche Interaktion. Deshalb glaube ich, dass Architektur kompromissfähig ist aber kompromisslos in eigener Formfindung - kompromissfähig im Verstehen der Nutzer, kompromisslos oder über den Kompromiss hinausgehend in der Formfindung. Die Formfindung ist die Lösung des Problems."
Gestaltung: Jakob Fessler
Zur Sendung geht es hier.
November 2017
Tagung: Zur Implementierung von zeitgenössischer Kunst in historischen Kirchenräumen
Die vom 15.-17. November 2017 stattgefundene Tagung unter dem Vorsitz der Arbeitskreissprecherin Dr. Monika Tontsch beschäftigte sich anlässlich der unlängst in Deutschland geführten Diskussion zur Umgestaltung der Hedwigskathedrale in Berlin durch den Wiener Künstler Leo Zogmayer mit dem Wechselverhältnis von zeitgenössischer Kunst und denkmalgeschütztem Sakralraum.
Wie gehen wir mit dem Verhältnis einer zunehmenden Musealisierung kirchlicher Objekte und aktiv gelebtem Glauben um? Gibt es einen gemeinsamen Nenner von Zeitgenossenschaft und Sakralität?
Diese Fragen betreffen nicht zuletzt die Zukunftsperspektive der Denkmalpflege selbst. Der Arbeitskreis - bestehend aus Diözesankonservator/innen und Inventarisator/innen - widmete sich genau diesen Themen und stellte gleichzeitig die hochaktuelle Frage nach der Veränderung historischer Kirchenräume und der darin stattfindenden Bewertung zeitgenössischer Kunst.
Kern des Programms bildeten die Vorträge einer hochkarätigen Expertengruppe aus den Bereichen Kirche, Kunst und Recht. Darunter Bischof Hermann Glettler (Innsbruck), Prof. DDr. Thomas Sternberg (Präsident des ZdK), der österreichische Künstler Leo Zogmayer u.a.
März 2017:
Die Gruft von St. Michael: Ein singuläres Zeugnis für die gelungene Bewältigung des Sterbens
Im 18. Jahrhundert wurde St. Michael zu einem zentralen Begräbnisort der Wiener Gesellschaft. Aus der Verbundenheit zur Pfarre und zum Genius Loci wollten immer mehr Menschen dort begraben sein, auch wenn es von Gelehrten und Ärzten vereinzelt warnende Hinweise auf eine, mit der innerstädtischen Ruhestätte zusammenhängende, Seuchengefahr gab.
Dessen zum Trotz erfolgten viele Begräbnisse, sodass man sich ab 1776 dazu entschloss, eine große Pfarr- und Priestergruft unter dem Hochaltar anzulegen und die einzelnen Grüfte durch Gänge zu verbinden. So entstand das heute sichtbare, unterirdische Labyrinth, in dem die Särge in einer stillen sacra conversatione nebeneinander angeordnet sind.
1784 setze Kaiser Joseph II. diesem Begräbniskult aus hygienischen Gründen ein Ende und bereits 1829 setzte eine Phase der Wiederentdeckung und Restaurierung der Gruft ein. In der darauf folgenden Zeit setzten sich Gelehrte - in weit auseinander liegenden Etappen - immer wieder mit diesem Ort auseinander, aber erst mit einer Übernahme der Pfarre durch die Salvatorianer 1923 begann das kontinuierliche Bemühen um den Erhalt der Gruft.
In der heutigen Form ist der Ort mit seinen 254 erhaltenen Särgen ein singuläres Zeugnis barocker Alltagswelt, barocker Begräbniskultur und nicht zuletzt des Glaubens des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Gruft ist, trotz ihrer erforderlichen Veränderungen im 19. und 20. Jahrhundert das Zeitzeugnis einer Lebens- und Glaubenshaltung, die sich im Begräbniskult widerspiegelt. Davon zeugen auch die Sgraffiti (Dekoration der Wandflächen durch Wegkratzen von Putzschichten) an den Wänden der Gruft, die sorgsame Kleidung und Handhaltung der Toten, die Dekorationen und Schrifttafeln auf den Särgen sowie deren verschiedene Materialien und die unterschiedliche Ausstattung der Grüfte. Sie bezeugen einen im 17. und 18. Jahrhundert vorherrschenden gesellschaftlichen Pluralismus sowie auch einen Pluralismus im Umgang mit den Verstorbenen - Pfarrangehörige, Aristokraten, Hofdichter, Barnabiten, Hofbedienstete und Opfer der Türkenbelagerungen fanden hier nebeneinander ihre letzte Ruhestätte.
Doch vor einigen Jahren ging es in der Gruft hoch her! Das Belüftungs- und das Entwässerungssystem waren beschädigt, sodass die Temperatur in der Gruft auf 19°C anstieg und gleichzeitig für eine Zunahme der Luftfeuchtigkeit sorgte. Ein Traum für den sogenannten Rüsselkäfer, der es gerne feucht und warm hat und eine Vorliebe für die verschiedenen Holzarten gehegt hat, die in der Gruft zu Särgen verbaut sind. Aber auch den Mumien war er nicht abgeneigt.
Doch die Fraßschäden des Käfers waren nicht die einzigen: Rußflecken hafteten an den Wänden und Kerzenwachs lief in die offenen Särge.
Man entschied sich zu einem groß angelegten Restaurierprojekt, dessen Ziel es war, den Rüsselkäfer zu bekämpfen und nach und nach eine Anzahl an Särgen zu restaurieren. Ziel war die Konservierung des Status Quo der Särge durch den Restaurator Thomas Frankl, dessen Konservierungsmaßnahmen 4 Hauptschwerpunkte innehatten:
-
Konstante Klimaschaffung in der Gruft für nachhaltige sichere Bewahrung der Särge
-
ein Verwerfen der Bretter und eine Loslösung der Bemalungen konnte so verhindert werden
-
-
Abstandhalterungen zur Vermeidung von direktem Bodenkontakt.
-
Bekämpfung von Holzschädlingen wie Käfern und Schimmelpilzen
-
die Installation einer neuen Kühlvorrichtung sorgte dafür, dass sowohl der Käfer als auch etwaige Schimmelpilze nicht überleben/sich ausbreiten konnten
-
-
Die noch vorhandenen Schimmelpilze wurden mit geeigneten Schutzmaßnahmen abgenommen/abgesaugt, die Särge wurden im Anschluss mit entsprechendem Desinfektionsmittel ausgestrichen.
Die anschließenden restauratorischen Maßnahmen Frankls waren:
-
Die Restaurierung der Holzsubstanz der Außen- und Innensärge
-
Die Restaurierung der Bemalungen
-
Die Restaurierung der Beschläge
Den umfangreichen konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen und der gelungenen Zusammenarbeit aller beteiligeten Personen ist es zu verdanken, dass das Projekt erfolgreich und zur größten Zufriedenheit abgeschlossen werden konnte.
September 2013:
Maria Gugging: Restaurierung zur 100-Jahr-Feier der Pfarre Maria, Königin der Engel
Mit der Restaurierung des Presbyteriums der Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria, Königin der Engel in Maria Gugging konnte ein umfassendes Restaurierprojekt initiiert werden.
Durch intensive Voruntersuchungen, der Erarbeitung technisch und zeitlich anspruchsvoller Restaurierkonzepte und einer umfassenden Schädlingsbekämpfung konnte das Projekt im Auftrag der Pfarre gemeinsam mit der Erzdiözese Wien umgesetzt werden.
Die wesentlichen fachlichen Aufgaben bestanden vor allem in der notwendigen Rekonstruktion der Schablonenmalerei, der Sicherung, Reinigung und Retusche der Wandmalerei sowie der Reinigung und Sicherung des hölzernen Hochaltars.
Zur Gewölbemalerei
Die dekorativen Malereien im Gewölbe und an den Gurtbögen waren zu Beginn des Projektes von einem Grauschleier aus Schmutz und Staub bedeckt. In einem ersten Arbeitsschritt wurden diese von den lose anhaftenden Schmutz- und Staubschichten befreit. Darauf folgte die Festigung der Leimmalereien. Um die Haltbarkeit dieser zu sichern, mussten Putzhinterfüllungen und Kittungen von Fehlstellen im Putz vorgenommen werden.
Anschließend erfolgte die aufwändige Retusche der Malerei, bei der alle Fehlstellen lasierend im Umgebungston geschlossen wurden. Hierfür wird das "tratteggio"-Verfahren angewendet, das darin besteht, Fehlstellen zu schraffieren. Einerseits um die Retusche aus der Nähe als solche und damit als spätere Ergänzung erkennbar zu halten, andererseits um diese aus der Entfernung als einheitliches Bild zu zeigen.
Kittung: Fehlstellen auf das Niveau der Original-Malschicht aufkitten um eine möglichst geschlossene Oberflächenstruktur zu erreichen
Zur Malerei und Goldmosaikimitation am Triumphbogen
Einige Bereiche bedurften vor der Reinigung jedoch einer aufwändigen Festigung, da sich kleinteilige Schollen der Malschicht vom Putzuntergrund gelöst hatten.
Besonders anspruchsvoll gestaltete sich die Restaurierung des imitierten Goldmosaiks im Hintergrund. Nach der Reinigung und Wiederverklebung der Blattmetallschichten wurden alle Fehlstellen mit Muschelgold retuschiert. Auch das fehlende Fugennetz des Mosaiks wurde retuschierend ergänzt.
Zur Wandmalerei des Chores
Die Wandmalerei des Chores war durch Schäden, Alterung und Übermalungen zu Beginn des Projektes in ihrer ursprünglichen Form kaum zu erkennen. Historische Bilder, mündliche Überlieferungen und vor allem Fragmente der aufwändig gestalteten Wandmalerei an unzugänglichen Stellen und eine Farbanalyse ermöglichten die Rekonstruktion.
In aufwändiger Kleinarbeit wurden zahlreiche Ornamente und Muster rekonstruiert. Zur Schablonen-Herstellung wurden alle noch an der Wand vorhandenen Informationen berücksichtigt und flossen in die Übertragung auf ein Transparentpapier ein.
Aufgrund von Fehlstellen wurden nun die auf dem Transparentpapier festgehaltenen Informationen anschließend ins Reine gezeichnet. Eine Vielzahl der verwendeten Ornamente konnte so durch Zirkelschlag, Spiegeln und mit Hilfe weiterer geometrischer Grundkenntnisse ergänzt werden. Es folgte eine aufwändige Herstellung der Schablonen und die Schablonierung an der Wand selbst.
Hochaltar
Der in Gänze aus Holz gefertigte Hochaltar wies im Gegensatz zur Wandmalerei keine großen Schäden auf. Lediglich eine starke Verschmutzungen und lose Teile an den dekorativen Elementen waren zu bemängeln. Deshalb war nur eine restauratorische Reinigung und Sicherung erforderlich.
Als Restaurierziel wurde demnach festgelegt, das Erscheinungsbild zu verbessern, die Substanz zu sichern, aber nicht wesentlich überarbeitend einzugreifen.
Die Oberfläche des Altares wurde also trocken und nebelfeucht gereinigt, alle Schnitzelemente und Dekorteile wurden überprüft und bei Notwendigkeit neu fixiert und die Fassung wurde retuschiert.
Fassung: farbliche Gestaltung einer Oberfläche sowie Belegung mit Edelmetallen (z.B. Vergoldung)
Aufgrund der gelungenen Zusammenarbeit und des intensiven Austausches auf allen Ebenen mit sämtlichen Beteiligten - dem Denkmalamt, dem Land und den Restauratoren - war es möglich, ein derart hervorragendes Ergebnis gemeinsam zu erreichen.
Das war Ihnen noch nicht genug? Falls Sie Interesse an Bildern zur Restaurierung und einem ausführlichen Bericht haben, können Sie einen Blick in unsere Broschüre werfen.
Kontakt
Referat für Kunst und Denkmalpflege
Tel.: +43 (1) 515 52-3439
Mail: kunstunddenkmal@edw.or.at