Freitag 16. August 2024
Briefe und Impulse von Kardinal Schönborn

Schmerzlicher Abschied

Mit Wehmut erinnert sich Kardinal Christoph Schönborn in seinem Brief an die Leserinnen und Leser des „Sonntag" diesmal an sieben Priesterpersönlichkeiten, die in den letzten Tagen gestorben sind. Vom 6.8.2014

Liebe Leserinnen und Leser des „Sonntag“!
 

Innerhalb weniger Tage sind eine ganze Reihe von Priestern in unserer Erzdiözese gestorben, die alle älter als 80 waren – also hoch betagt. Bei vier der inzwischen sieben Verstorbenen kann ich selbst das Begräbnis halten. Das bewegt mich zu einem Wort des Dankes an diese Priester, die mit Leib und Seele Seelsorger waren und zum Teil unsere Diözese auch nachhaltig geprägt haben.

 

Das Fest des hl. Pfarrers von Ars, des Patrons der Pfarrer und aller Priester, bietet Gelegenheit für diese Priester zu danken und für ihren Dienst, den sie in der Diözese für die Menschen geleistet haben. In unserer Zeit ist sehr viel Kritik an Priestern laut geworden, ich denke hier an die tragische Wirklichkeit des Missbrauchs, aber es ist in dieser Kritik oft auch eine schlimme Einseitigkeit, als würde das einfach pauschal alle Priester betreffen. Mich beeindruckt an unseren Verstorbenen, dass sie auch in gewisser Weise ein Bild der Buntheit unserer Diözese sind, drei von ihnen hatten einen Migrationshintergrund, die vier anderen waren geborene Österreicher.

 

Ich möchte mit den Zugewanderten beginnen: Zuerst Pater Leo Kuchar, Eucharistiner, der aus meiner tschechischen Heimat stammte. Als – wie meine Mutter – in Brünn Geborener verband ihn mit ihr eine langjährige herzliche Freundschaft. Pater Leo war jüdischer Herkunft, war erst mit 11 Jahren getauft worden und hat mit viel Humor und gleichzeitig großer geistlicher Tiefe seinen Lebensweg immer wieder beschrieben und damit Zeugnis gegeben für die wunderbare Führung Gottes in seinem Leben. In ihm danke ich einem Priester, der aus einer tiefen Liebe zur Eucharistie heraus vielen Menschen Begleiter und Wegweiser war.

 

Aus einem anderen Teil der ehemaligen Monarchie kam unser Prälat Josef Toth, der sicher für viele Priester in unserer Diözese, aber auch weit darüber hinaus für viele Menschen eine besonders prägende Gestalt war. Ungar von Geburt, Studium in Innsbruck, Priesterweihe, Studien in Rom, ... Doch nach der Ungarn-Revolution 1956 war klar, dass eine Rückkehr nach Ungarn vorerst undenkbar war. Ich habe ihn noch als Studenten-Seelsorger in der Zeit nach 1968 erlebt und dann durch viele Jahre als Regens des Priesterseminars. Als er dann von meinem Amtsvorgänger mit der ganzen Vorstehung abgelöst wurde, hat er nicht mit Bitterkeit reagiert, sondern seine Vertrautheit mit vielen jüngeren und älteren Priestern wunderbar als Priesterseelsorger, der er bis zu seinem Tod aktiv war, einsetzen können. Dass er dann in seinem doch schon hohen Alter auch noch im Weinviertel eine Pfarre übernommen und diese liebevoll geführt hat, ehrt ihn. Domdekan durch viele Jahre, das gehört zu den Besonderheiten unseres verehrten Josef Toth.

 

Der dritte Zugewanderte, Lambert Nouwens, kam wie so viele in den 50er Jahren aus den Niederlanden zu uns, als es dort noch eine Überfülle an Priesterberufungen gab. Wir erinnern uns dankbar an die vielen Priester, die damals aus den Niederlanden zu uns kamen. Lambert Nouwens war nicht nur ein begnadeter Kinderpädagoge, ein qualifizierter Theologe, ein guter Ausbildner von Religionslehrern, sondern vor allem ein überaus geschätzter und gesuchter Beichtvater. Durch viele Jahre hat er diesen Dienst im Stephansdom wahrgenommen.

 

Pfarrer mit Leib &Seele

Unsere drei anderen verstorbenen Diözesanpriester waren echte Wiener oder Niederösterreicher: Msgr. Rudolf Maier, langjähriger Pfarrer von Großjedlersdorf, ein richtig bodenständiger, den Menschen zugewandter Pfarrer. Aus jener Generation von Pfarrern, an die wir uns mit Dankbarkeit aber auch ein wenig Wehmut zurückerinnern, die wirklich Hirten ihrer Gläubigen waren. Ähnlich Franz Holzer, der der älteste unter den eben Verstorbenen war. Langjähriger Pfarrer von Wiener Neudorf und in seiner Pension ein liebenswürdiger, aufmerksamer, herzlicher Mitbruder im Kreis der alten Priester im Stephanushaus.

 

Dann der am Fest des hl. Pfarrers von Ars verstorbene Hubert Ponweiser, pensionierter Pfarrer von Auersthal, in den letzten Jahren durch das Leid geprüft (Amputation eines Fußes). Zuletzt zurückgezogen bei den Schwestern in Laxenburg lebend, gehörte er mit seinem Bruder Karl auch zu markanten Priesterpersönlichkeiten unserer Diözese.


Schließlich ein Ordensmann, P. Raynald Heffenmeyer, Zisterzienser, ein Spätberufener, der aus der Nähe von Heiligenkreuz stammend im Stift seine Heimat gefunden hat, und nach vielen Jahren des Pfarrdienstes in Marienkron und auch im Wienerwald in den letzten Jahren ein ganz treuer Mitbruder im Kloster war.

 

Zum Schluss für mich eine Hoffnung: Wir sind manchmal geneigt bei so starken Abschieden wie in dieser Woche zu klagen über unsere Zeit und die frühere Zeit zu verklären. Alle diese Mitbrüder haben schlimme Zeiten erlebt, den Kommunismus, den Krieg, die Verfolgung. Alle haben sie auf je eigene Weise eine gläubige Antwort auf die Herausforderung ihrer Zeit gegeben. Warum sollte das der jüngeren Priestergeneration in unseren Tagen nicht auch gelingen?

 

Die Herausforderungen sind andere, aber nicht wesentlich andere, denn immer geht es um die Menschen, und immer geht es um das Evangelium Jesu Christi für die Menschen von heute. Ich bitte euch, die Mitbrüder, die uns vorausgegangen sind: Helft uns, die wir noch unterwegs sind, heute eine so gläubige Antwort auf die Bedürfnisse unserer Zeit zu geben, wie ihr es in eurer Zeit getan habt.

 

 

Ihr

+ Christoph Kard. Schönborn

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