Dienstag 24. Dezember 2024
Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab.
Joh. 3,16
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zur Chrisammesse am 25. März 2024

Predigt von Kardinal Christoph Schönborn zur Chrisammesse am 25. März 2025

Liebe Brüder und Schwestern! Liebe Mitbrüder im bischöflichen, priesterlichen, diakonalen Dienst! Liebe Seminaristen! Liebe Ministranten! Liebe Firmkandidaten! Liebe Gläubige, die Sie zur Messe in den Dom gekommen sind oder jetzt über den Livestream dabei sind!

 

Die Segnung und die Weihe der heiligen Öle führt uns mitten in das Herz der Kirche, zu den Sakramenten. Und deshalb möchte ich mit Ihnen heute ein wenig die Demut der Sakramente betrachten: diese bescheidenen Zeichen, die so Großes wirken und die für uns wie ein Modell sind, ein Vorbild, dass wir selber Sakrament, das heißt demütiges, bescheidenes Zeichen sein dürfen und sollen. Nach der Konzilsliturgiereform kam zur Chrisammesse auch das Weiheversprechen der Priester dazu, das ihr heute mit mir zusammen erneuern werdet.

Die Sakramente. Natürlich steht an erster Stelle für uns alle, die wir den Glauben zu leben versuchen, die Eucharistie. Sie ist das Sakrament der Sakramente, „fons et culmen“ – „Höhepunkt und Quelle des ganzen christlichen Lebens“. Alle Sakramente aber haben eines gemeinsam: Sie sind Anfänge. Und sie sind eine Zusage, eine Verheißung. Sie sind Vorwegnahme von etwas, was kommen wird, aber gleichzeitig schon da ist. Sie sind, und das gilt es heute in Erinnerung zu rufen, sie sind unvollständig. Sie sind noch nicht das Ganze. In ihnen ist uns das Ganze gegeben, aber verborgen. Und deshalb ist es so wichtig, diese Spannung zu sehen, die letztlich die Spannung unseres ganzen christlichen Lebens ist, aller Getauften. Die Spannung, dass, wie die Scholastik es gesagt hat, diese Zeichen „efficiunt quod figurant“: Sie bewirken, was sie bezeichnen. Sie sind also nicht einfach Verkehrszeichen, sondern sie sind erfüllte Zeichen. Aber sie sind eine Verheißung, weil die ganze Fülle noch aussteht.

 

Das sehen wir bei der Taufe. Ich freue mich immer, wenn ein Mitbruder und Pfarrer mir gelegentlich Fotos von den Täuflingen schickt, um mich daran zu erinnern: Wieder ein Christuskind in unserer Mitte! Ein Anfang ist auch die Firmung. Die Firmung ist eine Verheißung und eine Gabe. Und natürlich das Weihesakrament. Das Weihesakrament, bei dem, wie in der Taufe und in der Firmung, das kostbare Chrisamöl verwendet wird. Alles ist Verheißung. Und damit müssen wir sagen: Alles ist auch Risiko. Es wird uns gegeben, aber die Vollendung steht noch aus. Und deshalb machen uns die Sakramente bescheiden. Wir danken für das Empfangene, aber wir wissen, dass die Fülle noch aussteht. Das gilt bei der Priester- und Bischofsweihe. Das gilt auch bei der Eheschließung: auf Verheißung hin. Gott sei Dank gibt es zwei „Reparatursakramente“. Denn wer auf dem Weg ist, kann fallen, kann sich verletzen. Und deshalb gibt es die beiden Sakramente, die unserer Hinfälligkeit entgegenkommen: die Krankensalbung und das Bußsakrament. Allen diesen Zeichen ist gemeinsam, dass sie aus Glauben auf Glauben hin geschehen.

 

Liebe Brüder im priesterlichen Dienst, ich denke sehr oft am Beginn eines neuen Arbeitsjahres an sie alle in den Pfarrgemeinden. Wieder beginnt ein neues Jahr. Es werden die Erstkommunionkinder gesammelt, es werden die Firmkandidaten gesammelt. Es beginnt das Programm eines neuen Jahres. Ich kann mir vorstellen, dass man manchmal, wenn man schon viele solche Jahre hinter sich hat, sich einen Schwung geben muss, wieder zu beginnen. Wieder ein neues Jahr. Und gleichzeitig zeigt das etwas Wunderbares, das Charles Péguy in das schlichte Wort gefasst hat: „il faut que Chrétienté continue.“ Das Christentum muss weitergehen. Weitergehen, in aller Einfachheit, in aller Demut. Und deshalb ist es so gut und wichtig, daran zu denken.

 

Was geschieht eigentlich in den Sakramenten? Der Katechismus der katholischen Kirche, der kein fremdes Buch hier ist, sagt mit Bezug auf eine Predigt von Papst Leo dem Großen: „Was an unserem Erlöser sichtbar war, ist in seine Mysterien übergegangen.“ Die Sakramente sind Verlängerungen des Lebens Jesu unter uns. Warum? Denn in jedem Sakrament berührt Christus den Empfänger. Im selben Katechismus ist zu lesen: „Die Sakramente der Kirche setzen jetzt fort, was Christus während seines Lebens auf Erden vollbracht hat.“

 

Verlängerung, Fortsetzung, Weiterführung des Lebens Christi unter uns. Und noch etwas Schönes sagt der Katechismus: Die Sakramente sind Kräfte, die vom Leib Christi ausgehen, um uns zu heilen. Im Evangelium wird mehrmals gesagt, dass Jesus spürte, dass seine Kraft von ihm ausging und heilte. Diese Kräfte, die vom Leib Christi ausgehen, sind die Sakramente. In aller Schlichtheit. Die Sakramente sind also Zeichen des Glaubens. Sie sind aber auch Zeichen der Hoffnung. In der Vorläufigkeit unseres Lebens sind sie die Wegzeichen der Nähe Christi. Er berührt uns und begleitet uns auf dem Weg. Alle Sakramente sind Zeichen der Hoffnung. Ihr kennt das alle. Wenn man Kinder, Jugendliche, Erwachsene auf Sakramente vorbereitet und die Sakramente spendet, dann ist es immer ein Zeichen der Hoffnung. Was wird aus diesen neu Gefirmten? Manchmal begegne ich Menschen, die mir sagen: „Herr Kardinal, Sie haben mich gefirmt.“ Dann frage ich zurück: „Hält es noch?“ Ja, es hält. Denn es ist eine Verheißung, die von Christus ausgeht, und er ist treu. Auch wenn wir nicht so sehr daran denken. Die Sakramente wirken.

 

Und schließlich sind die Sakramente Wegzeichen der Liebe, der Zuwendung Gottes zu uns. Die Feier der Sakramente ist natürlich ein Ritus. Aber es sollen Zeichen der Liebe sein, der Zuwendung, der Aufmerksamkeit. Und das ist der Dienst von uns allen, die wir im sakramentalen Dienst sind oder mithelfen bei der Spendung der Sakrament. Zeichen der Zuwendung, der Liebe. Ein ostkirchlicher Mystiker und Theologe, Nikolaos Kabasilas, hat die Sakramente „Tore des Himmels“ genannt. „Öffnet euch, ihr Tore“, heißt es im Psalm. Es öffnet sich der Himmel, freilich, in großer Vorläufigkeit, aber aber wirklich: Es öffnet sich der Himmel.   

 

Und so möchte ich zum Schluss Euch, liebe Mitbrüder im priesterlichen und bischöflichen Dienst, den Äbten und allen, die mithelfen, den Diakonen, den Ministranten, allen, die mithelfen in den Gemeinden, einen ganz großen Dank sagen. Ihr tut einen großen, aber verborgenen Dienst durch die Sakramente. Manchmal fragen wir uns: Wozu hilft das? Wozu nutzt es? Dann bitte im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe bleiben und die Sakramente spenden!

 

Und schließlich ein letztes: Die Kirche selber ist dieses Sakrament. Auch wenn wir in einem wunderschönen Dom Gottesdienst feiern dürfen, in feierlichen Gewändern, es ist doch unsere Armut. Wir können es nicht machen. Er macht es. Und deshalb ist die Kirche das Zeichen seiner Liebe, das Sakrament des Heiles. Vorläufig und doch Vorwegnahme des Endgültigen. So wünsche ich euch allen, für die jetzt die Öle gesegnet und geweiht werden, die Freude am Spenden der Sakramente. Und dass wir selber so demütig werden wie diese Zeichen.

 

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