Mittwoch 18. Dezember 2024
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zum Hochfest der Erscheinung des Herrn

Wortlaut der Predigt von Kardinal Christoph Schönborn im Dom zu St. Stephan am Dreikönigssonntag, 6. Jänner 2013.

 

Gelobt sei Jesus Christus!


Zu diesem Weihnachtsfest haben wir das Glück, dass Papst Benedikt XVI. uns ein Buch über die Weihnachtsevangelien geschenkt hat. Kurz vor Weihnachten kam der 3. (oder eigentlich 1.) Band seines Buches "Jesus von Nazareth" heraus. Er nennt es den "Prolog", weil es über die Kindheit Jesu geht. Ein sehr eindrucksvolles Kapitel dieses Buches spricht über das heutige Festereignis, die sogenannten "Heiligen Drei Könige", eigentlich "Magier", wie das Evangelium sie nennt, "weise Sterndeuter aus dem Osten". Ich kann Ihnen dieses Buch als geistliche Lektüre herzlich empfehlen, aber auch als Stärkung im Glauben in einer Zeit, wo so vieles am Evangelium in Frage gestellt, angefochten und bezweifelt wird.

 

Das heutige Evangelium ist eine wunderbare Synthese von vielen, oft widersprüchlich scheinenden Aspekten im Menschenleben. Da ist das Wissen dieser Gelehrten, aber auch ihr Suchen und ihre Sehnsucht. Da ist das Forschen und das Finden. Da kommen zusammen der Wagemut aufzubrechen, sich auf ein Abenteuer einzulassen und die Ausdauer, es bis zum Ziel durchzuhalten, Aufbruch und Ankunft. Da ist das Miteinander der Juden und der Völker, der Heiden, wie sie die beiden Lesungen heute großartig darstellen. Da ist die Schöpfung mit ihren Zeichen, den Gestirnen, und da ist der Weg der Erlösung, der auch in der Schöpfung ahnbar, fast schon greifbar wird. Schließlich ist es im Tiefsten die Begegnung von Gott und Mensch.


So möchte ich, Brüder und Schwestern, wenigsten drei dieser Elemente kurz herausgreifen und mit Ihnen betrachten. Da ist zuerst die Frage: Wer sind sie eigentlich, diese "Magier", wie das Evangelium sie nennt? Wir wissen wenig über sie, aber Papst Benedikt sagt so schön: "In der Magier-Geschichte des Heiligen Matthäus ist offenbar die religiöse und philosophische Weisheit, sie ist eine Kraft, die Menschen auf dem Weg bringt, es ist die Weisheit, die zuletzt zu Christus hinführt. Sie sind Weise, nicht nur Gelehrte, sondern Suchende, sie sind Wissenschaftler und gleichzeitig Menschen voller Sehnsucht.


Ein ganz praktischer Gedanke bewegt mich bei den Sterndeutern. Wir sehen heute kaum mehr Sterne in unseren Städten. Wir haben so etwas wie eine "Lichtverschmutzung". Wer von uns kann noch den tiefen, klaren Nachthimmel erleben, der Generationen, Jahrhunderte und Jahrtausende, die Menschen ergriffen hat? Wir sehen überall nur künstliches Licht, das uns das Nachtlicht der Sterne verdeckt. So kommt mir die Frage: Leben wir in einer Zeit, in der der Himmel verdeckt ist, in der die Spuren des Schöpfers nicht mehr so wahrgenommen werden können, weil sich so viel Technisches, so viel von unserem selbstgemachten künstlichen Leben vor die Schöpfung geschoben hat, dass die Schöpfung uns nicht mehr die Spur hin zu Gott ist, dass wir sie neu entdecken müssen? Noch umfassender: Der Verlust des Nachthimmels in unseren hell erleuchteten Städten ist so etwas wie der Verlust des Himmels überhaupt. Unsere Welt ist eingegrenzt auf den diesseitigen Horizont und hat den Ausblick auf den ewigen, den wahren Himmel verloren. Wo begegnet uns noch das sanfte Licht Gottes in der Schöpfung und in der Sehnsucht nach dem Himmel? Spricht die Schöpfung noch so klar zu uns und ist unser Blick auf den Himmel nicht allzu sehr verstellt?
Ein zweiter Gedanke zu diesen Magiern, diesen Weisen aus dem Orient, die wohl aus Persien kamen, dem Land der weit fortgeschrittenen Sternenkunde in der damaligen Zeit. Sie müssen nicht nur Wissenschaftler gewesen sein, sondern Menschen der Sehnsucht. Sie kennen das oft zitierte Gedicht von Nelly Sachs, der deutsch-jüdischen Dichterin: "Alles beginnt mit der Sehnsucht…". Ohne Sehnsucht gibt es kein Suchen, kein Forschen und kein Aufbrechen.


Wir sind aufgefordert als Gläubige, die in der Kirche beheimatet sind, die vielen, vielen Spuren der Sehnsucht in unserer heutigen Gesellschaft in den Herzen so vieler Menschen wahrzunehmen. Papst Benedikt/Joseph Ratzinger sagt in seinem Buch: "All dies konnte Menschen nur auf den Weg bringen, wenn sie Menschen der inneren Unruhe, Menschen der Hoffnung waren, die nach dem eigentlichen Stern des Heils Ausschau hielten. Menschen der Sehnsucht. Sind wir wach für die Sehnsucht, die sich heute oft artikuliert in der Literatur, der Kunst, im Suchen und Forschen, im Bemühen, die Religionen zu verstehen, im Dialog der Religionen und Kulturen zu ergründen? Ist in all dieser Sehnsucht nicht etwas Größeres, ein Mehr, das über uns hinausweist, das uns über die eigenen Grenzen, die Grenzen unseren kirchlichen Gemeinschaften hinausdrängt zu den Menschen? Ist es nicht Christus selber, der in uns und in vielen Menschen diese Sehnsucht weckt und antreibt?"

Ein drittes und letztes: Die große Freude. Als die Magier, die Sterndeuter, den Stern wiedersahen, als sie von Jerusalem nach Bethlehem gingen, "da freuten sie sich sehr". Im griechischen Text heißt es ganz im Hebraismus: "Sie freuten sich mit großer Freude gar sehr". Was ist diese Freude? Nach dem heiligen Ignatius von Loyola ist die innere Freude das sichere Zeichen der richtigen Entscheidung, des Findens, des Angekommen seins. Nach all den Unsicherheiten und Wagnissen ihres Suchens, dem Abenteuer ihres Aufbruchs ins Ungewisse, ins Geahnte, ins Ersehnte, bringt ihnen das Wiedererscheinen des Sterns die Gewissheit, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Die innere, große, starke Freude ist das sichere Zeichen, dass Gott ihnen gibt: Du bist auf dem richtigen Weg! Die innere, starke Freude als das sichere, untrügliche Kennzeichen, dass Gott uns auf dem richtigen Weg geführt hat, dass wir angekommen sind, dass es stimmt!


Brüder und Schwestern, wie komplett ist dieses Evangelium! Vernunft, Glauben, Sehnsucht und Finden, Gott und Mensch und alles bündelt sich und mündet in der Anbetung des Kindes, in der Anbetung Christi, der Anbetung des Herrn. Amen.

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