Gelobt sei Jesus Christus!
Liebe Brüder und Schwestern, ich vermute, dass es vielen so geht, dass sie noch sehr unter dem Eindruck der Ankündigung des Heiligen Vaters vor zwei Tagen stehen, dass er mit Ende dieses Monats zurücktritt und das Bischofsamt als Bischof von Rom, und damit untrennbar verbunden, das des Papstes zurücklegt. Viel wird jetzt über diesen Schritt gesprochen, nachgedacht, gefragt. Ich möchte ein wenig versuchen, am heutigen Aschermittwoch im Licht des Evangeliums diesen Schritt zu lesen.
"Kehrt um!" hat uns eben der Prophet Joel gesagt. Kehrt um, das ist der Sinn der Fastenzeit. Umkehr? Aber wie geschieht Umkehr? Es ist nicht nur einfach eine Richtungsänderung, wie wenn man mit dem Auto einfach in eine andere Richtung fährt. Es ist nicht nur einfach etwas anderes tun als sonst, sozusagen ein Tapetenwechsel oder eine Aktivitätsveränderung. Umkehr ist vor allem ein In-Sich-Gehen. Vom verlorenen Sohn heißt es, als er sein Vermögen aufgebraucht hatte und er Schweine hüten musste und hungerte, dass er "in sich ging". Besinnung hat immer mit in-Sich-Gehen zu tun, jenen anderen Raum bewusster wahrnehmen, den wir im Alltag so wenig wahrnehmen, den Innenraum, die Innenseite unseres Lebens, die Innerlichkeit.
Um genau das geht es im Evangelium. Dreimal wird uns ein Kontrast aufgezeigt zwischen "den Leuten" und "eurem Vater": vor den Leuten zu gelten, von den Leuten gesehen zu werden, von ihnen gelobt zu werden oder im Angesicht des Vaters zu leben. "Dein Vater aber, der ins Verborgene sieht" (Mt 6,6), er weiß es. Das ist die Innerlichkeit, von der Jesus spricht. Er lädt uns ein, auf den zu schauen und zu achten, der ins Verborgene sieht, der das Herz sieht.
Wie viel in unserem Alltag ist bestimmt von Äußerlichkeiten? Wie viel ist wirklich notwendig durch die vielen Tätigkeiten, die uns der Alltag abverlangt? Vom Haushalt angefangen, über die Berufstätigkeit, die Familienverpflichtungen, die Freundschaft, die Unterhaltung, die Freizeit, die Ferien. Alles das beschäftigt uns und nimmt unseren Geist in Beschlag. Auch unsere religiösen Aktivitäten haben sehr viel Äußerliches. Man geht zur Messe, man vollzieht Riten, man tut religiöse Handlungen. Aber wo bleibt die Innerlichkeit? Wo bleibt jene Innenseite, aus der heraus erst das Äußere seine Gestalt, seine Kraft, seinen Glanz bekommt?
Ich bin in meinem Leben kaum einem Menschen begegnet, der so stark aus der Innerlichkeit lebt wie Papst Benedikt. Fast würde ich wagen zu sagen, ich bin niemandem begegnet, der so wenig auf das schaut, was die Leute sagen und so sehr auf das, was der Vater, der ins Verborgene sieht, eben sieht und sagt. Ich erinnere mich an ein Wort, das Kardinal Ratzinger in einem Gespräch vor vielen Jahren zu mir gesagt hat, und ich vermute, er hat es auch zu anderen gesagt. Damals sagt er, als wieder einmal die Wellen hochgingen über ein Buch von ihm, wo man ihm vorgeworfen hat, er sei so konservativ, so pessimistisch: "Seit ich gelernt habe, dass ich nur das Gericht Gottes zu fürchten habe, kränken mich die Kritiken der Menschen nicht mehr so."
Der Geist der Innerlichkeit ist nicht eine Verachtung der Menschen. Papst Benedikt ist ein unglaublich aufmerksamer Mensch für die Menschen, aber er legt wenig Wert auf das, was die Leute sagen. Es geht ihm um die Menschen, nicht um die Leute und ihre Meinung, sondern um den Menschen und um sein Herz. Deshalb spricht er auch in seiner schlichten, tiefen und klaren Sprache so zu Herzen, vor allem wenn er die Hl. Schrift auslegt. Vor den Menschen, vor den Leuten oder vor dem Vater? Mit seiner so überraschenden, und im Rückblick dann vielleicht doch nicht so überraschenden Entscheidung, gibt er uns allen ein unglaubliches Signal und ein starkes Zeichen, wenn er sagt, er wird sein Leben fortan dem Gebet widmen und damit seinen Dienst für die Kirche leisten und für die Menschen. Dein Vater, der im Verborgenen ist und der in das Verborgene sieht, er wird es dir vergelten. So sagt Jesus: "Wenn du betest, dann geh in deine Kammer und schließ die Tür zu." So geht jetzt Papst Benedikt in diese innere Kammer, die ihn nicht isoliert, die ihn nicht von den Menschen trennt, weil er ganz im Verborgenen, im Blick des Vaters, ganz bei den Menschen sein wird auf neue Weise.
Brüder und Schwestern, so sehe ich diese Fastenzeit als eine Einladung zur Umkehr, das heißt zur Innerlichkeit. Nicht umsonst sagen wir, wenn wir in eine Krise geraten und wenn Probleme des Lebens auftauchen: Geh in dich! Suche diesen inneren Raum auf, in dem Gott immer schon da ist und auf dich wartet und aus dem heraus du auch nach außen wirken und leuchten kannst. Möge diese Fastenzeit uns helfen, nicht nur besser zu funktionieren - wie manche das Fasten missverstehen -, sondern es möge eine Zeit sein, die uns nach innen wendet, in jenen Raum, in dem der Vater im Verborgenen zu uns spricht und bei uns ist und uns sagt, wie sehr er uns liebt.