Freitag 22. November 2024
Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab.
Joh. 3,16
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt Requiem für Elisabeth Waldheim

Predigt von Kardinal Christoph Schönborn, zu Requiem für Elisabeth Waldheim, am Donnerstag, 9. März 2017, in der Luegerkirche am Zentralfriedhof im Wortlaut:

Liebe Familie Waldheim!
Verehrter Herr Bundespräsident!
Liebe Mitbrüder im bischöflichen, priesterlichen und diakonalen Dienst!
Geschätzte Versammlung aus nah und fern, aus dem Freundeskreis, aus Politik, Diplomatie und dem öffentlichen Leben!
Liebe Schwestern und Brüder!

 

"Gott hat den Tod nicht gemacht." Dieser lapidare Satz eines jüdischen Weisen ist gute 2200 Jahre alt. Es ist ein trotziger Satz gegen alle Evidenz, dass der Tod das Leben beherrscht, dass alles Leben sterblich ist. Im selben "Buch der Weisheit" steht der Satz: "Kurz und traurig ist alles Leben; für das Ende des Menschen gibt es keine Arznei, und man kennt keinen, der aus der Welt des Todes befreit." Aber der jüdische Weise sagt diese Allerweltsweisheit, diesen Gemeinplatz nicht als seine Sicht der Dinge. Er schreibt diese pessimistische Sicht denen zu, die er "Frevler" nennt: "Die Frevler tauschen ihre verkehrten Gedanken aus" (Wh 2,1-2b). Seine eigene Sicht ist ganz anders: "Gott hat keine Freude am Untergang der Lebenden. Zum Dasein hat er alles geschaffen, und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt".

 

Diese positive, allem Anschein der Vergänglichkeit trotzende Haltung hat Elisabeth Waldheims langes Leben geprägt. In dieser zuversichtlichen Haltung war sie sich zutiefst mit ihrem Gatten einig. So paradox es klingt, das Wort des jüdischen Weisen hat das Leben der beiden getragen, die einander so starker Halt durch die langen Jahre ihrer Ehe waren: "Das Reich des Todes hat keine Macht auf der Erde, denn die Gerechtigkeit ist unsterblich."

 

Weil sie beide an ein Leben nach dem Tod geglaubt haben, konnten sie auch die schweren Verletzungen der Gerechtigkeit ertragen, weil sie überzeugt waren, dass die Gerechtigkeit unsterblich ist. Das war für sie keine Verströstung, aber ein echter Trost. Sie haben nicht auf Rächung der Ungerechtigkeit gehofft, sondern wussten, dass die irdische, menschliche Gerechtigkeit nicht das letzte Wort hat.

 

Liebe Kinder, Enkel, Urenkel der Verstorbenen! Sie haben für das heutige Requiem diese Worte aus dem alten Testament ausgewählt. Und ebenso die der Lesung aus den Briefen des Apostel Paulus. Auch in ihnen kommt diese unerschütterliche Zuversicht zum Ausdruck, die Elisabeth Waldheim ausstrahlte. So habe ich sie in Erinnerung: mit ihren strahlenden Augen, ihrer Haltung im körperlichen wie im seelischen Sinn.

 

Paulus gebraucht das Bild der Wohnung, des "ewigen Hauses im Himmel", dem gegenüber das Leben hier auf Erden einem Wohnen im Zelt gleicht. Elisabeth Waldheim war eine begnadete Gastgeberin, sie verstand es, ihrer Familie und den vielen Menschen, denen sie mit ihrem Mann Gastgeberin war, ein herzliches Willkommen zu vermitteln. Sie war als "First Lady" in der UNO, als Gattin von Kurt Waldheim auf allen Stationen eine großartige Repräsentantin ihrer Heimat Österreich, der sie auch in den 27 Jahren ihres "Außendienstes" tief verbunden blieb.

Über ihren persönlichen Glaubensweg wage ich nicht viel zu sagen. Er ist das Geheimnis des eigenen Herzens. Aber dass sie in ihrem Leben hier einen Weg gegangen ist, wird von Vertrauten bezeugt. Das Wort des Paulus trifft hier zu: "Als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende". In jungen Jahren kannte sie auch eine Zeit starker Ablehnung von Kirche und Christentum. Nach Diktatur und Krieg wuchs ihr Christsein an der Seite ihres Mannes beständig und wurde ihr gerade im hohen Alter immer mehr eine starke Stütze.

 

Vielleicht hat sie auch Momente erlebt, die sie ähnlich denken ließ wie Paulus: dass es besser wäre, "daheim beim Herrn zu sein" und "aus diesem Leib auszuwandern". Vor allem in den Jahren der wie eine Sturzflut über sie hereinbrechenden Anfeindungen gegen ihren Mann mag sie manchmal wohl an der menschlichen Ungerechtigkeit, an der persönlichen Enttäuschung schwer gelitten haben.

 

Da mag sie getröstet haben, was Paulus als Überzeugung ausgesprochen hat: "Wir müssen alle vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden."

 

Aus ihrer christlichen Überzeugung kam ihr die Gewissheit, dass dieser Richterstuhl gerecht und barmherzig ist. Beim Requiem für Kurt Waldheim am 23. Juni 2007 im Stephansdom habe ich an die Worte erinnert, die ich selber mehrmals von ihm gehört habe: Ich hätte das alles nicht ertragen können ohne den Glauben."

 

Seine Worte könnten auch die seiner Gattin Elisabeth sein, wenn er sagt: "Im Angesicht des Todes lösen sich alle Brüche des Lebens auf. Gutes und Böses, Helles und Dunkles, Verdienste und Fehler stehen nun vor einem Richter, der allein die Wahrheit kennt. Getrost trete ich vor ihn – im Wissen um seine Gerechtigkeit und seine Gnade."

 

Kurt Waldheim konnte im Kreis seiner geliebten Familie sterben. So war es auch seiner Frau Sissy gegönnt. Im Evangelium des heutigen Tages ermutigt uns Jesus: "Klopft an, dann wird euch geöffnet." Elisabeth Waldheim hat angeklopft. Ihre Zuversicht im Sterben wird sicher nicht ohne öffnende Antwort geblieben sein. Uns, die wir im irdischen Zelt sind und pilgern, ist sie ein großes Vorbild, ein Grund zu bleibender Dankbarkeit.

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