Montag 23. Dezember 2024
Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab.
Joh. 3,16
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt beim Requiem für Prof. Erich Leitenberger

Predigt beim Requiem für Prof. Erich Leitenberger am 3. Februar 2021 im Stephansdom

 

Liebe trauernde Gemeinde, geschätzte Familie, Mitbrüder im priesterlichen-diakonalen Dienst, Vertreter der Schwesterngemeinden und Schwesternkirchen, liebe Brüder und Schwestern, die Sie jetzt über den Livestream teilnehmen!

Erich Leitenberger war 33 Jahre lang Pressesprecher der Erzbischöfe von Wien, und er war gleichzeitig 28 Jahre lang Chefredakteur der Kathpress. Immer wieder ist die Frage gestellt worden: Ist das vereinbar - kann man die Kirche vertreten und gleichzeitig objektiv über sie berichten? Kann man eine Presseagentur leiten und gleichzeitig Pressesprecher der Erzbischöfe sein? Führt das nicht unvermeidlich zur Hofberichterstattung?

Der erste Punkt, den ich in großer Dankbarkeit über unseren Verstorbenen erwähnen möchte, ist, dass offensichtlich weite Kreise der Öffentlichkeit, der Kollegenschaft in den Medien keinen Widerspruch gesehen haben zwischen diesen beiden langjährigen Funktionen. Und das hat etwas zu tun mit dem, was ich das "Geheimnis" von Erich Leitenberger nennen möchte. Er war ein Mann des Wortes - und das, was Paulus an Timotheus schreibt, das trifft wirklich auch für ihn zu: "Verkünde das Wort, tritt auf, ob gelegen oder ungelegen, überführe und weise zurecht, ermahne in aller Geduld und Belehrung."

Erich Leitenberger war ein Mann des geschriebenen Wortes. Viele haben im Lauf der Jahre die Gewissheit bekommen, dass dieses Wort unbestechlich ist, dass er unbestechlich, sachlich, wahrhaftig ist, unaufgeregt. Wenn ich aus den vielen Jahren, die ich mit ihm zusammenarbeiten durfte - ich glaube, Sie werden es alle bestätigen - ein Wort herausgreifen möchte, das ihn charakterisiert, dann ist es: "unaufgeregt". Aber diese Unaufgeregtheit war keine Unbeteiligtheit, sondern die große Kunst, für die wir ihm nur danken können und die eigentlich den Menschen besonders auszeichnet: Die Fähigkeit zur Sachlichkeit. Sachlichkeit heißt nicht unbeteiligt sein oder neutrale Distanz, sondern es ist dieser Blick auf die Dinge, wie sie sind, um sie beim Namen nennen zu können, wie sie sind.

Diese Gabe der Sachlichkeit hat in den vielen Stürmen, die die Kirche in den Jahren seines Wirkens durchlaufen hat, ihn immer zu etwas befähigt, was völlig vereinbar bei ihm war mit dem aufrechten Gang, nämlich die Loyalität. Ich habe immer bewundert an Erich Leitenberger, dass Loyalität und Wahrhaftigkeit kein Widerspruch sind. Wenn er eine andere Meinung vertreten hat als etwa die Erzbischöfe, denen er gedient hat, dann wurde einem das sehr bald deutlich in der Art, wie er darüber gesprochen hat. Das war nicht ein aggressives Nein, ein heftiger Widerspruch, sondern ein Rekurs auf die Sachlichkeit. In diesem gemeinsamen Blick auf die Sache wie sie ist - die Wirklichkeit, wie sie sich uns darstellt, und es gilt sie auch wahrzunehmen in dieser Wahrhaftigkeit - bestand dann auch seine tiefe Loyalität. Für mich ist das etwas, das ich in manchen kritischen Situationen wie ein großes Geschenk erlebt habe: Erfahren zu dürfen, dass er unbedingt loyal war - und dass es ihm in keinster Weise irgendwie den aufrechten Gang verhindert hat, im Gegenteil. Ich denke, darin ist er für viele ein großes Vorbild gewesen.

Ich habe von seinem "Geheimnis" gesprochen. Ich glaube, das Geheimnis seiner Loyalität und seiner Wahrhaftigkeit lag in seiner tiefen, ehrlichen und gelebten Bescheidenheit. Für mich ist so ein symbolisches Bild für Erich Leitenberger, ihn im Dom oft irgendwo - oft habe ich ihn gar nicht bemerkt, aber manchmal eben doch - ziemlich weit hinten stehend mitten unter den Leuten zu sehen. Er war nicht in der ersten Reihe, nicht ganz vorne, gar nicht, und nahm Notizen für seine dann immer so beeindruckenden Berichte. Er hat es bevorzugt, bescheiden im Hintergrund zu sein.

Deshalb kann man auf ihn anwenden, was Paulus als eine Warnung ausgesprochen hat: "Es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Begierden Lehrer sucht, um sich die Ohren zu kitzeln." Nein, ein Sensationsjournalismus war ihm absolut fremd. Er hat nie den Scoop gesucht, sondern er hat die Wahrheit gesucht, den ehrlichen, aufrichtigen Bericht. Deshalb war sein Wort verlässlich. Deshalb konnte er diese Doppelrolle so ausfüllen, dass er in der Community der Medien unbedingte Glaubwürdigkeit genossen hat. Seine Loyalität zur Kirche war ehrlich und wahrhaftig - und deshalb glaubwürdig.

Aber zu seiner Bescheidenheit hat unbedingt etwas Weiteres gehört: Die Ressource seines unfassbaren Wissens. Ich muss sagen, ich bin selten jemand begegnet, der ein so präzises historisches Wissen hatte wie Erich Leitenberger, der Zusammenhänge herstellen und darstellen konnte, und damit auch in seiner unbestechlichen Unaufgeregtheit so viel Klarheit schaffen konnte.

Als drittes großes Element in seinem Wirken sei erwähnt: Die Ökumene. Er hat leidenschaftlich unaufgeregt mit höchster Kompetenz die Beziehung zu den anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften gelebt, gesucht und in seinen Berichten auch bekannt gemacht, als langjähriger Pressesprecher des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich und seit seiner Pensionierung 2011 als ehrenamtlicher Mitarbeiter von Pro Oriente. In dieser Doppelrolle im ökumenischen Rat der Kirchen und in der Stiftung Pro Oriente hat er in seinen letzten Jahren in seiner Pension unglaublich viel Gutes gewirkt.

Ich möchte schließen mit einer ganz persönlichen Erinnerung. Ich habe durch viele Jahre zum Weihnachtsfest am Heiligen Abend eine Gruppe von Menschen, die ich liebevoll die "lonely hearts" genannt habe, zur gemeinsamen Bescherung und Weihnachtsfeier eingeladen. Ich glaube nicht, dass Erich ein "lonely heart" war, aber er war an diesem Abend durch viele Jahre, fast Jahrzehnte, Gast im Bischofshaus, und es war immer eine große Freude, mit ihm gemeinsam das Weihnachtsevangelium zu hören und zu verkünden, die Weihnachtslieder zu singen. So war es auch beim letzten Weihnachtsfest.

Jetzt müssen wir Abschied nehmen. Ich glaube, es geht uns allen so, dass wir es als viel zu früh empfinden, weil die Freundschaft mit Erich Leitenberger einfach ein so stabiles Element war. War? Nein: Wir glauben doch daran, dass das was Jesus im Evangelium in seinem hohepriesterlichen Gebet sagt, dass das etwas ganz Reales ist. Auch wenn wir diese Realität, die wir im Glauben halten und an ihr festhalten, nicht begreifen und greifen können. Aber wir glauben sie. "Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor der Grundlegung der Welt." Diese Herrlichkeit zu schauen ist das Ziel unseres Lebens. Wir glauben und vertrauen, dass Erich dieses Ziel erreicht hat, als treuer Diener des Herrn. Amen.

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