Freitag 5. Juli 2024

Die Sendung des hl. Augustinus

Augustinerkirche Wien

Augustinus zählt zu den großen Philosophen der Weltgeschichte und zu den bedeutendsten Theologen der gesamten Christenheit. Er wird "Genius" und "Vater des Abendlandes" genannt. Mit Recht. Denn er war es, der die Synthese zwischen antikem und christlichem Denken herzustellen vermochte. Sein Geist hat das ganze Mittelalter entscheidend mitgeformt. Manche seiner Ideen berühren sich auffallend mit denen des modernen Existenzialismus, während andere dem Dynamismus eines Theilhard de Chardin nahe kommen. Auch die Dokumente des II. Vatikanischen Konzils haben viel von seinem Geist.

Die Christenheit nennt ihn "Kirchenvater" und die katholische Kirche zählt ihn zu den großen Kirchenlehrern und hört gerne auf ihn. Freilich, auch er war ein Kind seiner Zeit, wie dies bei jedem Menschen der Fall ist. Damit ist die eine Grenze angedeutet, die kein Mensch, auch kein Heiliger überspringen kann. Sein Sprachstil spricht uns heutigen nüchternen Menschen nicht so recht an. Doch sollte uns das nicht hindern, nach dem darin verborgenen Gold seiner Weisheit zu graben.

 

Und wie die gesamte Kirche aus Menschen besteht und darum bei aller Vollkommenheit der übernatürlichen Gaben und Vollmachten auch immer wieder ihre durch die menschliche Natur bedingte Begrenztheit erfährt, so auch der heilige Augustinus. Damit stehen wir vor der zweiten Grenze. Auch Heilige sind nun einmal Menschen und damit der allgemeinen menschlichen Begrenztheit unterworfen. So ist es nicht verwunderlich, wenn wir in seinen Schriften auch mancherlei Nachwirkungen seines langen Weges spüren, den er zu gehen hatte, bis er zu Gott fand.

 

Von da aus verstehen wir auch den Zentralgedanken des hl. Augustinus: "Gott und die Seele" und sonst nichts. Das war sein Grundsatz, seine innerste Haltung, sein Ziel. Alles andere erschien ihm wie Spreu. Dieses sein Frömmigkeitsideal hat die Mystik der späteren Jahrhunderte, besonders die des Mittelalters geprägt.

 

Freilich darf dieses Wort "Gott und die Seele" nicht im individualistischen Sinn gesehen und damit missverstanden werden. Es besagt keinerlei Ausschaltung des Mitmenschen. Wie er selbst allzeit für die Menschen in Not zur Verfügung stand und in der Seelsorge aufging und wie er selbst sein Amt als Dienst am Mitmenschen verstand, so wollte er, dass Gottesdienst und Dienst am Mitmenschen allzeit in lebendiger Verbindung miteinander stehen. Er, der um seiner brennenden Gottesliebe willen mit einem aufflammenden Herzen in der Hand dargestellt wird, hatte, das Wort des Evangelisten Johannes vor Augen: Wie soll einer Gott lieben, den er nicht sieht, wenn er nicht einmal den Mitmenschen liebt, den er sieht ( 1 Joh 4,20)?

 

Wenn wir Augustinus recht verstehen wollen, müssen wir zwei Dinge im Auge behalten: sein scharfes philosophisch-theologisches Denken einerseits und seine allseitige biblische Orientierung andererseits, wobei aber zugleich zu beachten ist, dass er nicht vom "grünen Tisch" aus spricht, sondern als Hintergrund seine eigene Lebenserfahrung hat, die ja bekanntlich nicht immer positiver Art war, ganz gleich ob das nun Fragen des Leib-Seele-Verhältnisses im allgemeinen oder speziell Fragen der Ehe betraf. Das nämlich gilt auch hinsichtlich des Manichäismus, dem er selber auf lange Zeit verfallen war.

 

Auch bezüglich der Gnadenlehre müssen wir seinen Werdegang berücksichtigen. Kämpfe bringen gern auch Überbetonungen und damit Einseitigkeiten mit sich. Seine Größe liegt darin, dass er bereit war, seine eigenen Auffassungen neu durchzudenken und zu korrigieren, als das oberste Lehramt der Kirche gegen ihn entschieden hatte. Es war für ihn selbstverständlich: Roma locuta, causa finita (Rom hat gesprochen, damit ist die Angelegenheit erledigt).

 

Daran zeigt sich seine unerschütterliche Treue zur Kirche. Man kann Augustinus nicht gerecht werden, wenn man ihn nicht vor allem als Mann der Kirche sieht, dem nichts so sehr am Herzen lag als das Mitdenken, Mitfühlen, Mitwirken mit der Kirche, in der er den fortlebenden Christus sah.

 

Wir werden aber Augustinus immer noch nicht kennen und genügend verstehen, wenn wir nicht seine "Bekenntnisse" kennen. In ungemein mutiger Offenheit voll tiefster Demut und innigst bewegter Dankbarkeit bekennt hier Augustinus sein vielfaches Versagen und Gottes unergründliches Erbarmen. Sie sind das Magnificat einer dankbaren Seele, der lodernde Hymnus eines flammenden Herzens. Zum Lob und Preis Gottes bekennt er ohne alle Schonung seiner selbst, was Gott Großes an ihm getan hat, dass er ihn aus den Tiefen menschlicher Schwachheit und aus dem Dunkel des in der Gottesferne irrenden Geistes herausgeholt und an sich gezogen hat.

 

Weisheit und Schönheit waren einst seine Ideale gewesen, nach denen sein unruhiger Geist Ausschau gehalten hatte. Überall hatte er sie gesucht, nur nicht in Gott, bis er erkannte, dass Gott selber der Inbegriff aller Weisheit und Schönheit ist. Ein unendliches Glücksgefühl hatte ihn erfüllt, als er an seinem Ziele angelangt war, wohl wissend, dass Gott als Ziel zu groß ist, als dass das Erdenleben genügen konnte, dieses Meer von Glück auszuschöpfen, diese Sonne der Schönheit offenen Auges zu schauen, ohne geblendet zu werden. Darum war sein Streben in einem Maße auf die Ewigkeit gerichtet, dass er - freilich ohne die irdischen Aufgaben zu übersehen oder auch nur gering zu schätzen - in sein innersten Gedanken mehr im überirdischen als im irdischen Bereich lebte.

 

Augustinus lebt und wirkt fort in der gesamten Kirche, in ihrer Theologie, Pastoral und Frömmigkeit, ganz besonders aber in den Orden, die von seiner Regel geformt und getragen werden. Hauptträger des Namens sind die Augustiner und die Regulierten Kanoniker, die in den deutsprachigen Ländern Augustiner-Chorherren heißen. Hinzukommen eine Reihe von Orden, die nach der Augustinusregel leben wie die Dominikaner, Prämonstratenser, Serviten, Alexianer u.a., ferner die Frauenorden, die sich Augustinerinnen nennen, wobei die Augustinerinnen und die Augustiner-Chorfrauen zu unterscheiden sind, sowie eine weitere große Gruppe von Ordensfrauen wie die Armen Schulschwestern u.a., die die Augustinusregel als Grundform ihres Lebens haben, außerdem noch verschiedene Kongregationen mit einfachen Gelübden.

 

An Augustinus sieht man deutlich, wie wir die Heiligen sehen sollen: nicht als Supermenschen, nicht als Übermenschen, nicht als Ausnahmemenschen, sondern als ganz gewöhnliche Menschen: als Menschen mit Leib und Seele, aus Fleisch und Blut, als Menschen, die dem Irrtum und der menschlichen Schwäche unterworfen sind, als Menschen, die von Gott in keiner Weise sachte über Schwierigkeiten hinweggehoben wurden, als Menschen, die uns einfach nichts, aber auch gar nichts voraushaben.

 

Wenn sie nun aber dennoch zu Heiligen geworden sind, dann geschah dies eben durch das innige Zusammenwirken zwischen Gott und ihnen selbst. Es gibt wohl Heilige, die einen kurzen und geraden Weg zu Gott gehen durften. Augustinus gehört nicht zu jenen glücklichen. Aber wäre er dieser große Heilige geworden, wenn Gott ihm nicht einen so schwierigen Weg zugedacht hätte? Wir wissen es nicht. Aber wir wissen, dass es nicht die ihm zuteilgewordene Gnade allein war, und dass auch er selbst es nicht allein war, dass er zum Heiligen herangereift ist, sondern dass es Gott war mit ihm und er mit Gott. Nur so konnte er der werden, als der er vor uns steht.

Augustiner
Augustinerstraße 3
1010 Wien

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