Diese Standards stellen eine verbindende und verbindliche Ordnung für diejenigen dar, die den Dienst als Geistliche Begleiterin/ als Geistlicher Begleiter mit diözesaner Anerkennung leisten. Sie beziehen sich vor allem und zunächst auf klassische Geistliche Begleitung als Einzelbegleitung.
Geistliche Begleitung ist…
- Geistliche Begleitung meint eine Reihe von Einzelgesprächen einer Christin/ eines Christen mit einer Begleiterin/ einem Begleiter, die in regelmäßigen Abständen (etwa einmal monatlich) über einen längeren Zeitraum (üblicherweise mehr als sechs Monate) hinweg stattfinden.
- Damit gehört Geistliche Begleitung zu den Diensten der Seelsorge für alle Gläubigen; sie unterscheidet sich jedoch von normalen seelsorglichen Gesprächen durch einen klaren Rahmen von Zeit, Ort, Inhalt und Gestaltung der Beziehung zwischen Begleiter/in und begleiteter Person.
- Geistliche Begleitung geht von der Überzeugung aus, dass Gott jeden Menschen beim Namen ruft - auf einen je eigenen und persönlichen Weg. Zweck Geistlicher Begleitung ist, dass es der/ dem Begleiteten gelingt, diese ganz persönliche Berufung zu entdecken und darauf zu antworten.
- Inhalt der Geistlichen Begleitung ist das "ganze" Leben des/ der Begleiteten unter der zentralen Frage: Wo ist mehr "Leben", eine tiefere Beziehung zu Gott, eine intensivere Nachfolge Christi zu finden? Die Gottesbeziehung, um die es hier geht, ist zentral geprägt von der Hinordnung und Ausrichtung auf Jesus Christus, dem Ebenbild des unsichtbaren Gottes" (Kol 1,15).
- Focus der Geistlichen Begleitung ist die Gestaltung der Beziehung zu Gott und die damit verbundene Reflexion des eigenen Lebens. Der/ die Begleiter/in ist dafür verantwortlich, dass dieser Focus deutlich bleibt und dass Grenzen zu anderen Formen der Begleitung und des helfenden Gesprächs gewahrt bleiben.
- Geistliche Begleitung ist nur in einem freiwillig eingegangenen Vertrauensverhältnis möglich und kann daher von der begleiteten Person bzw. der Begleiterin/ dem Begleiter jederzeit beendet werden.
Geistliche Begleitung will …
Geistliche Begleitung will helfen und ermutigen,
- dass Gott möglichst unmittelbar in und mit der begleiteten Person wirkt,
- das Wirken des Geistes Gottes in der eigenen Lebensgeschichte zu entdecken und zu bejahen,
- Gott im Alltag zu suchen und zu finden,
- dass der innere Zusammenhang von Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe erkannt und gestärkt wird,
- neue Schritte auf dem eigenen geistlichen Weg einzuüben,
- Hindernisse und Hilfen auf diesem Weg wahrzunehmen und zu erkennen (Unterscheidung der Geister),
- das persönliche Gebet zu fördern und zu verlebendigen,
- den Willen Gottes klarer zu erkennen,
- das eigene Leben mehr aus dem Geist des Evangeliums zu gestalten,
- eine verantwortete Lebensentscheidung zu treffen oder eine bereits getroffene zu vertiefen.
Geistliche Begleitung ist/ will nicht …
- Geistliche Begleitung und das Sakrament der Versöhnung sind zwei unterschiedliche Dienste der Kirche an den Menschen.
- Geistliche Begleitung hat eine Verwandtschaft und Nähe zu anderen Formen des helfenden Gesprächs, ist aber nicht mit diesen zu vermischen oder zu verwechseln.
- In Bezug auf Psychotherapie gilt: Geistliche Begleitung hat heilende Wirkungen, kann (und darf) jedoch keine Therapie ersetzen.
- Ähnlichkeiten, aber ebenso deutliche Unterschiede gibt es weiters zwischen Geistlicher Begleitung und Lebensberatung/ Counseling oder Supervision.
- Geistliche Begleitung ist mit engeren Beziehungen (im persönlichen oder beruflichen Bereich) nicht vereinbar.
Geistliche Begleiter/innen mit diözesaner Anerkennung:
- verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung oder anderweitig erworbene Befähigung zur Geistlichen Begleitung,
- sind offen für die Unterschiedlichkeit geistlicher Wege,
- leben mit der Kirche verbunden,
- behandeln alles in Geistlicher Begleitung Gehörte vertraulich,
- stehen selbst in Geistlicher Begleitung,
- schöpfen aus eigener kontinuierlicher Exerzitienerfahrung,
- bilden sich regelmäßig weiter und nehmen Praxisbegleitung bzw. Supervision in Anspruch,
- begleiten, ohne die eigenen affektiven Bedürfnisse in der Begleitungsbeziehung zu befriedigen, ohne die begleitete Person an sich zu binden oder auf eigene Überzeugungen festzulegen,
- enthalten sich entschieden jeder erotisch-sexuellen Betätigung mit der begleiteten Person (Missbrauch),
- erkennen die vorliegenden Standards an.
Geltungsbereich
Die "Standards geistlicher Begleitung" gelten für alle diözesan anerkannten Geistlichen Begleiter/innen in der Erzdiözese Wien (unbeschadet der Regelung der geistlichen Begleitung in Orden nach Maßgabe des jeweiligen Eigenrechts).
Beauftragung zum Dienst als "diözesan anerkannter Geistlicher Begleiter/ anerkannte Geistliche Begleiterin"
Um zum Dienst als "diözesan anerkannter Geistlicher Begleiter/ anerkannte Geistliche Begleiterin" beauftragt zu werden, ist eine entsprechende Qualifikation nachzuweisen.
Dies geschieht durch einen Antrag an den Bereich "Christsein.Christwerden"* im Pastoralamt, im dem der entsprechende Nachweis erbracht wird.
Bei Erfüllung der Kriterien (dazu siehe den Punkt "Geistliche Begleiter/innen") beauftragt der Generalvikar für fünf Jahre zum Dienst als "diözesan anerkannter Geistlicher Begleiter/ anerkannte Geistliche Begleiterin" in der Erzdiözese Wien.
Im Bereich "Christsein.Christwerden"* wird ein Register über alle Personen geführt, die zu diesem Dienst beauftragt worden sind.
Aberkennung
Bei schwerwiegenden Verstößen gegen die in dieser Verordnung enthaltenen Standards kann die Berechtigung, als "diözesan anerkannter Geistlicher Begleiter/ anerkannte Geistliche Begleiterin" in der Erzdiözese Wien zu wirken, wieder entzogen werden.
Besteht der Verdacht eines solchen Verstoßes, tritt eine Kommission zusammen, die aus dem Pastoralamtsleiter und zwei weiteren, von ihm bestimmten Person besteht.
Die Kommission prüft alle Vorwürfe, holt weitere Informationen ein, soweit es ihr notwendig erscheint, um zu einem Urteil zu kommen. Über den Abschluss einer Untersuchung sowie über die Empfehlung einer Aberkennung wird mit Stimmenmehrheit entschieden.
Wiener Diözesanblatt 144. Jahrgang, Nr. 2, März 2006
* vormals: "Förderung Geistlichen Lebens"
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