Digitalisierung verändert alles
In meinen ersten Jahren dieses Interesses nutzen wir noch den Begriff EDV – elektronische
Daten-Verarbeitung, der heute schon lange überholt ist.
Wenn wir betrachten, was sich in der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten durch die Digitalisierung geändert hat, ist es wert, einen Blick auf die Entwicklung dieser Technologien zu werfen. Ich gehe jetzt nicht auf die Vorläufer des PCs und die ersten Generationen ein. Aber das Internet hat eine wahre Revolution in diesem Sektor ausgelöst, die heute fast alle von uns betrifft – im Idealfall uns auch hilft. Was als Universitätsprojekt in Berkeley begann, hat inzwischen in allen technisch entwickelten Ländern sein Zuhause gefunden.
INTERNET HAT ALLES VERÄNDERT
Durch diese Innovation haben sich viele Dinge geändert:
- Woher beziehe ich meine Informationen?
- Wo und wie kaufe ich ein?
- Dann kam das Phänomen der sozialen Medien, die nicht immer so sozial sind.
- Wie kommuniziere ich mit anderen?
Auch im kirchlichen Leben:
- Wo es vorher nur gedruckte Pfarrblätter gab, gibt es jetzt eigene Pfarr-Homepages. Auch wir als Ständige Diakone nutzen seit kurzem die Infrastruktur der Erzdiözese Wien.
- Fast alle Pfarren sind in einem oder mehreren sozialen Medien präsent, weil dadurch andere Zielgruppen erreicht werden können.
- Aber auch hier gibt es bereits aktuelle Trends, für die wir aufmerksam sein sollten. Denn die jüngere Generation (unter 25) nutzt nicht einmal mehr Facebook, weil das schon „Old School“ ist
MENSCHEN IM MITTELPUNKT
Die Frage ist, was wir als Ständige Diakone daraus lernen. Das beginnt sicherlich mit einer gehörigen Portion Achtsamkeit. Sowohl für Trends, als auch neue Technologien, soweit dafür
Appetit besteht. Gleichzeitig ist es wichtig, Personen die nicht so Technologie-affin sind, nicht zu überfordern.
Das heißt, dass die Frage nach „hybriden“ Angeboten immer wichtiger wird. Also die Möglichkeit, elektronische Medien zu verwenden, und parallel Angebote mit persönlichem
Kontakt zu ermöglichen.
Die Welt ist damit auch viel transparenter geworden. Damit werden auch Verfehlungen und Versäumnisse, die vor vielen Jahrzehnten stattgefunden haben, plötzlich ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gezerrt. Es ist wichtig, über diese Entwicklungen Bescheid zu wissen und auch eine eigene Meinung dazu artikulieren zu können.
Gerade heute ist es wichtiger als je zuvor, am „Puls der Zeit zu bleiben“.
Wenn die Kirche die Zeichen der Zeit wirklich verstehen will, geht das nicht ohne wachsame Personen, die sich auch damit auseinandersetzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir als Diakone hier eine wichtige Rolle einnehmen können.
VERKÜNDIGUNG ONLINE?
Gleichzeitig verlangt die Digitalisierung der Gesellschaft, von der wir Teil sind, dass wir uns auch überlegen müssen, wie Verkündigung in dieser neuen Wirklichkeit aussieht. Es geht nicht mehr nur um die Predigt oder Andachten. Wir sollen nach außen wirksam werden.
Kardinal Christoph Schönborn hat die Diakone immer wieder als „Außenminister der Kirche“ bezeichnet. Wenn wir dem gerecht werden wollen, so heißt das auch, die manchmal lieb gewordene Komfortzone der eigenen Pfarre oder Kategorialen Seelsorge zu verlassen? Wo sonst noch kann ich helfen? Welche Charismen kann ich einbringen, die vielleicht in meiner eigenen Pfarre gerade nicht so gefragt sind. Ein Beispiel dafür sind für mich mehrsprachige oder Englisch-sprachige Trauungen. Damit sind die meisten Mitbrüder im priesterlichen
Dienst in der Regel überfordert. Obwohl mir bewusst ist, dass auch das nicht das klassische
Betätigungsfeld einiger unserer Mitbrüder ist, eröffnet es doch neue Möglichkeiten der Verkündigung. Ich bin heute noch mit vielen Paaren, auch über soziale Medien, in Kontakt, für die ich solche mehrsprachigen Feiern halten durfte.
Mir ist sehr wohl bewusst, dass das für einige unserer älteren Mitbrüder wie ein „spanisches Dorf“ klingen muss.
Aber Angst braucht davor wirklich keiner haben. Wenn wir einen hybriden Ansatz nutzen, in dem sich einige um IT-affine Gemeindemitglieder kümmern und andere um jene, die
den persönlichen Kontakt brauchen, so ist für jeden hier Platz und niemand wird ausgeschlossen.
Selbstverständlich hängt es immer auch von der Bereitschaft des jeweiligen Pfarrers ab, inwieweit er sich auf ein solches Experiment einlässt.
Ich kenne hier an positive wie auch negative Beispiele.
Aber wer von uns bereit ist, sich mit dieser neuen Welt auseinanderzusetzen, der kann neue
und andere Zielgruppen ansprechen.
SPIELEND LERNEN
Als Beispiel möchte ich anführen, dass ich mit Ministranten aus meiner Pfarre während der Pandemie begonnen habe Online-Tisch-Rollenspiele zu veranstalten (Dungeons & Dragons). Was zuerst ein nettes Hobby war, entwickelte sich immer mehr zu einer Plattform, auf der
sie sich auch über andere Themen austauschen.
Auch solche Aktivitäten, die wir früher im Pfarr- oder Jungschar-Heim durchgeführt haben, können zu neuen und erfrischenden Kontakten führen.
Wenn wir die Digitalisierung nicht als Gefahr, sondern als Chance nutzen, können wir daraus für die Kirche gewinnen.
Antonio Spadaro, ein publizierender Jesuit aus Messina in Italien, hat vor einigen Jahren das Buch „Cybertheology“ verfasst. Auch wenn das noch lange vor der Pandemie
war, erklärt es auf anschauliche Weise, wie sich der christliche Glaube neuer Zugänge bedienen kann. Und er zeigt auf, wo Parallelen und Deutungsmöglichkeiten bestehen.
Diakon Ralph Schimpl