Zumindest 3x sind wir gerufen!
Die Entfaltung unserer Gottesebenbildlichkeit und die daran orientierte Gestaltung unseres Zusammenlebens sind also erste Antwort darauf, vom Herrn in unser Menschsein berufen worden zu sein.
Obwohl nicht alle Menschen auf den Ruf Gottes mit „Hier bin ich“ oder mit „Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe wie du gesagt hast“ antworten, sondern sich vor ihm verstecken, ruft der Herr - in seiner Gnade -
- ausgehend von der Berufung Abrahams, sein Land, seine Verwandtschaft und sein Vaterhaus zu verlassen und in ein Land zu ziehen, dass ihm erst gezeigt wird,
- über die Berufung von Prophetinnen und Propheten
- und den Ruf des Engels des Herrn an Maria: „Sei gegrüßt, Du begnadete, der Herr ist mit Dir“
- bis hin zum Ruf des Engels des Herrn in Josefs Traum, sein Kind und Maria in das Land Israel zurückzubringen und für sein Aufwachsen zu sorgen,
uns alle aus der Knechtschaft der geschichtswirksamen Unfreiheit heraus, um in der Gemeinschaft des Gottesvolkes die Vergegenwärtigung des Reiches Gottes schon im Hier und Jetzt zu erwirken.
Und mit der Berufung seiner ersten Jünger zeigt uns Gott, dass der Ruf in seine Nachfolge auch in die gut geübten Routinen des Alltags hinein erfolgen kann, um uns aus dem Netz von Gewohnheiten heraustreten zu lassen und sich dem Wagnis neuer Herausforderungen zu stellen, bloß im Vertrauen auf sein Wort!
Durch die Taufe sind wir - die wir um das Geschenk wissen - geliebte Kinder Gottes zu sein, in seine Nachfolge berufen und werden wir Teil des Gottesvolkes: „Freut Euch, wir sind Gottes Volk, erwählt durch seine Gnade“.
Die Berufung zum Christsein folgt also der Berufung zum Menschsein und wirkt selbst wieder zurück in dieses Menschsein, weil die frei getroffene Entscheidung dem Ruf des Herrn zu folgen, das Wagnis beinhaltet, alles zurückzulassen, was der Verwirklichung des schon angebrochenen Gottesreiches hinderlich wird und trotzdem bzw. deshalb zu einem Leben in Fülle verhilft.
Papst emeritus Benedikt XVI hat dies bei seiner Amtseinführung (in Erinnerung an die Amtseinführung des Hl. Papst Johannes Paul II) in folgende Worte gebracht: „Wer Christus einlässt, dem geht nichts, nichts – gar nichts verloren von dem, was das Leben frei, schön und groß macht. […] Habt keine Angst vor Christus! Er nimmt nichts, und er gibt alles.“
Im Verlaufe der Wirkungsgeschichte des Christentums bildete diese gemeinsame Berufung Differenzierungen in Form und Inhalt heraus, in denen wir trotz aller Verschiedenheit durch die Taufe verbunden bleiben und dazu berufen sind, am Volk Gottes teilzuhaben und es aufzubauen:
- die einen, um als Laien in der „Welt“ die Nachfolge Christi zu leben in Beruf, politischer Verantwortung, Ehe und Familie oder ehelos;
- andere in einer speziellen christlichen Lebensform als Diakone, Priester oder Bischöfe, um den Dienst an den Bedürftigen zu erbringen, um den Dienst der Verkündigung auszuüben, um den Dienst an den Sakramenten zu versehen und um den Dienst, Gemeinden zu leiten;
- und Frauen und Männer, die in einen Orden eintreten oder einer geistlichen Gemeinschaft angehören, um beispielsweise für die Welt zu beten oder diakonisch oder caritativ zu wirken.
Auf Basis der gemeinsamen Berufung zum Christsein hat das Christentum bereits seit seinen Anfängen gezeigt, dass verschiedene Charismen und geistliche Berufungen zum Dienst immer ein Geschenk, eine Gnadengabe Gottes sind, die nicht erarbeitet oder verdient werden können; es ist immer Gott, der uns ruft!
Der Herr ruft auch heute noch und auch auf sehr überraschende Weise, einmal vorsichtig wie bei Samuel, der im Tempel einschlief und ein anderes Mal überwältigend wie bei Paulus, der nach Damaskus wollte.
Vielleicht möchte Gott gerade jetzt Ihre Aufmerksamkeit haben und Sie werden - wenn Sie aufmerksam auf sein Flüstern achten - Gott hören, der Sie ruft. Vielleicht sind Sie jetzt noch ängstlich, vielleicht zweifeln Sie noch, vielleicht fehlt Ihnen etwas im Leben und Sie wissen noch nicht was Ihnen fehlt. Gott ist geduldig und er wird Sie mit offenen Armen empfangen, wenn Sie bereit sind.
Papst Franziskus hat zum 56. Weltgebetstag um geistliche Berufung folgende Worte gefunden: „Seid nicht taub für den Ruf des Herrn!“
Abschließend möchte ich Ihnen noch gerne folgende Gedankensplitter zumuten:
- „Ach hätte ich doch…!“
Was im Rückblick oft schmerzt, ist die Erkenntnis, etwas Sinnvolles nicht verwirklicht zu haben. Wir dürfen uns alle fragen: „Wo ist mein Platz, den Gott mir speziell zugedacht hat, der mich erfüllt und zu meinem Leben in Fülle führt.
- Wenn ich angeklagt würde, Christin bzw. Christ zu sein, könnte das an Hand meines Lebens bewiesen werden?
von Diakon Mag. Anton Tippl