30 Jahre Ministrant:innen
Ein Blick in die Geschichte
Im Neuen Testament können wir lesen, dass Jesus auch Jüngerinnen hatte, die mit ihm genauso unterwegs waren wie die Apostel und Jünger (vgl. Lk 8,1-3), was in der damaligen Zeit sehr außergewöhnlich war. In den Briefen des Apostel Paulus und der Apostelgeschichte finden wir die Diakonin Phöbe, Prizilla beim Auslegen der Lehre Jesu und Leiterinnen von Gemeinden. Frauen hatten also wichtige Ämter und Funktionen in den Gemeinden. Es wird daher angenommen, dass Frauen auch in der Liturgie verschiedene Dienste übernahmen, warum sollten sie nicht „dienen“ (ministrare) dürfen, wenn sie leiten konnten?
Dennoch kam es bereits im 3. Jahrhundert zu den ersten Verboten für Frauen, während ihrer Menstruation den Altarraum zu betreten und zur Kommunion zu gehen. Diese Verbote waren beeinflusst von den Regeln zur sogenannten kultischen Reinheit aus dem Alten Testament, aber auch von den Vorstellungen aus anderen Religionen und Kulturen im Umfeld des Christentums.
Bis zum Ende des Mittelalters entwickelte sich ein immer weitreichenderes Altarraumverbot für Frauen, durch das sie von den liturgischen Diensten ausgeschlossen waren. Das wurde schließlich nach dem Konzil von Trient auch in den liturgischen Büchern des 16. Jahrhunderts festgeschrieben.
Ebenfalls mit Mittelalter verfestigte sich auch das Verständnis, dass der Dienst am Altar vorrangig eine Kleriker-Aufgabe sei und auch männliche Laien nur dann Ministranten-Aufgaben übernehmen sollten, wenn keine geweihten Männer zur Verfügung standen.
Noch Anfang des 20. Jahrhunderts, im kirchlichen Gesetzbuch von 1917 (can. 813 §2), findet sich ein ausdrückliches Verbot von Frauen (oder Mädchen) im Altarraum. Eine Messe konnte jedoch nur mit „Ministrant“ gefeiert werden, da dieser die Antworten auf die Priestergebete sprechen musste. Sollte für eine Messe kein männlicher Ministrant zur Verfügung stehen, durfte auch eine Frau die Antworten geben, allerdings nur „aus der Ferne“.
Ein wahrhaft liturgischer Dienst – für alle?
Erst das II. Vatikanische Konzil veränderte das Verständnis des Ministrantendienst grundlegend. In der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium als „ein wahrhaft liturgischer Dienst“ (SC 29) beschrieben, wurde er aufgewertet zu einem eigenständigen Dienst der Laien. Und hier begann auch die Diskussion, ob damit nicht auch Ministrantinnen möglich und erlaubt seien.
Doch trotz des neuen Verständnisses wurde 1969 im Messbuch weiterhin daran festgehalten, dass Frauen nur liturgische Dienste außerhalb des Altarraums übernehmen dürften. Auch in einigen folgenden Texten aus Rom wurde das Altarraum- und damit Ministrierverbot wiederholt. 1973 hingegen wurden geeignete Laien – auch Frauen - als außerordentliche Kommunionspender zugelassen, die für diesen Dienst den Altarraum selbstverständlich betreten durften. Wenn auch nicht ausdrücklich erlaubt, gab es viele Gemeinden, in denen Mädchen und Frauen bereits in den 70er Jahren ministrieren durften.
Dagegen hielt die vatikanische Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst 1980 eindeutig fest, dass es Frauen nicht erlaubt ist, den Akolythendienst (=Ministrantendienst) zu übernehmen – im Unterschied etwa zum erlaubten Lektorendienst.
Im überarbeiteten Gesetzbuch aus dem Jahr 1983 wurde der Canon zum Altarraumverbot nicht mehr aufgenommen und gleichzeitig die Gleichheit aller Christgläubigen, auch in Bezug auf ihre Aufgaben in der Kirche, betont. Eine zentrale Bedeutung bekam jedoch Kanon 230. Während Paragraf 1 damals [sic!] die dauerhafte Beauftragung zum Lektor und Akolythen nur männlichen Laien gestattete, regelt Paragraf 2 die Möglichkeiten der zeitlich begrenzten Beauftragung für alle Laien:
Laien können aufgrund einer zeitlich begrenzten Beauftragung bei liturgischen Handlungen die Aufgabe des Lektors erfüllen, ebenso können alle Laien die Aufgaben des Kommentators, des Kantors oder andere Aufgaben nach Maßgabe des Rechtes wahrnehmen. (can. 230 §2)
Die Formulierung „andere Aufgaben“ ohne explizite Nennung des Ministrantendienstes in dieser Aufzählung ließ Raum für Interpretation und führte zu widersprüchlichen Stellungnahmen von kirchlichen Autoritäten. Während die Apostolische Nuntiatur in Bonn im Gesetzbuch kein Verbot mehr verankert sah, beriefen sich einige deutsche Bischöfe auf die althergebrachte Tradition nur Ministranten zuzulassen.
Am 11. Juli 1992 beantwortet Papst Johannes Paul II. endlich diese offene Frage – nach fast 30 Jahren Diskussion. Es dauert aber noch bis 1994, bis ein Rundschreiben die nationalen Bischofskonferenzen darüber informierte. Auf die konkrete Anfrage, ob auch der Dienst am Altar zu den liturgischen Diensten der Laien gezählt werde könne, wird folgende Antwort wiedergegeben:
„Ja und gemäß den Vorschriften des Apostolischen Stuhls. Papst Johannes Paul II hat in der Audienz vom 11. Juli 1992 dies von höchster Stelle bestätigt und öffentlich verkündet.“
Und mit dieser recht einfachen Antwort war klargestellt, dass grundsätzlich alle Laien – egal ob männlich oder weiblich – den Dienst am Altar übernehmen dürften. Allerdings darf jeder Ortsbischof die Zulassung von Mädchen und Frauen für seine Diözese selbst regeln, also auch ablehnen.
Am 10.1.2021 änderte Papst Franziskus schließlich den oben erwähnten Paragraf 1 des Kanon 230 durch die Streichung des Wortes „männlich“, sodass seither auch Frauen die dauerhafte Beauftragung zum Lektorat und Akolythat offensteht.
Seit 30 Jahren darf es sie also ganz offiziell geben, Ministrantinnen. Sie haben die männlichen Ministranten nicht verdrängt, wie oftmals befürchtet. Der gemeinsame Dienst, das gemeinsame Engagement von Ministrantinnen und Ministranten, von Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern ist heute gar nicht mehr wegzudenken und bereichert das Leben in den Pfarren unserer Diözese.
Text: Manuela Bistricky
Quelle:
Johannes M. Huber, Der Ministrantendienst. Geschichte und heutiges Profil. Saarbrücken 2012, S. 82-95.